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Nitrosamin-Verunreinigungen
Sartane: Risikobewertungsverfahren ist abgeschlossen
Pharmazeutische Unternehmer müssen zukünftig das Vorhandensein von NDMA- oder NDEA-Verunreinigungen in Sartanen ausschließen können. Allerdings erst nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren. So lange haben sie Zeit, die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Zudem sollen auch andere nitrosaminhaltige Verunreinigungen in Arzneimitteln weiter untersucht werden, kündigte die EMA in einer Pressemitteilung vergangenen Freitag an.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat ihr Risikobewertungsverfahren zu den Blutdrucksenkern Candesartan,
Irbesartan, Losartan, Olmesartan und Valsartan abgeschlossen. Diesen fünf
Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten gemeinsam ist ihre Tetrazolring-Struktur. Die
Synthese dieser Struktur führe „möglicherweise“ zur Bildung von (wahrscheinlich
krebserregenden) Nitrosaminverunreinigungen, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung
der deutschen Arzneimittelbehörde (BfArM) vom 1. Februrar 2019.
Andere Sartane (wie Azilsartan, Eprosartan und Telmisartan) wurden in die europäische
Überprüfung nicht einbezogen. Sie haben die kritische Struktur nicht.
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Eine Spurensuche
NDMA in Valsartan
Es ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission den am Freitag nun
ausgesprochenen Empfehlungen des CHMP (Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA)
folgen wird: Demnach sollen Unternehmen, die Sartane produzieren zukünftig ihren
Herstellungsprozess dahingehend überprüfen, dass keine
Nitrosaminverunreinigungen mehr entstehen. Dazu wird den Unternehmen eine
Übergangsphase von zwei Jahren gewährt. Während
der CHMP es also zum Ziel erklärt, dass in Zukunft keine quantifizierbaren Mengen (<
0,03 ppm) an Nitrosaminen mehr in Sartanen enthalten sind, wurden vorübergehend
Grenzwerte für NDMA (N-Nitrosodimethylamin) und NDEA (N-Nitrosodiethylamin) festgelegt (auf Basis internationaler Leitlinien).
Produkte, in denen höhere Werte als diese Grenzwerte gemessen werden oder in denen sowohl NDMA als
auch NDEA enthalten sind (egal in welcher Konzentration), sind in der EU nicht erlaubt. Abgeleitet wurden die Grenzwerte aus Tierstudien: maximal
96,0 ng für NDMA und 26,5 ng für NDEA. In der großen Mehrheit der getesteten Sartan-Präparate seien entweder keine oder nur sehr niedrige Konzentrationen an Verunreinigungen gefunden worden. Die höchsten Konzentrationen seien in den Präparaten gefunden worden, die von dem chinesischen Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical (ZHP) stammten.
Das höchstmögliche Risiko
Ausgehend von diesen Höchstkonzentrationen hat der CHMP das höchstmögliche Krebsrisiko abgeschätzt: Demnach könne es bei 100.000 Patienten, die mit NDMA verunreinigtes Valsartan von ZHP über sechs Jahre jeden Tag eingenommen haben, zu 22 (zusätzlichen) Krebserkrankungen kommen. Für NDEA-Verunreinigungen gehe man bei 100.000 Patienten, die über vier Jahre die Verunreinigung in der höchsten Dosis aufgenommen haben, von acht (zusätzlichen) Krebserkrankungen aus. Dabei geht die EMA davon aus, dass NDMA seit sechs Jahren und NDEA seit vier Jahren in Valsartan von ZHP enthalten sind.
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NDMA in Valsartan
EMA schätzt: Ein zusätzlicher Krebsfall pro 5000 Patienten
So kommt der CHMP abschließend zu einer leicht höheren Einschätzung des Krebsrisikos als noch in einer vorläufigen Auswertung im August 2018. Damals hieß es, es könnte zu einem zusätzlichen Krebsfall pro 5.000 betroffenen Patienten kommen, die über sieben Jahre täglich das verunreinigte Valsartan in der (höchsten) 320-mg-Dosierung eingenommen haben.
Die Schätzungen wurden aus Tierversuchen extrapoliert und seien – verglichen mit dem Lebenszeitrisiko in der EU an Krebs zu erkranken (eine von zwei Personen in der Bevölkerung) – als sehr niedrig einzustufen, heißt es in der aktuellen Mitteilung des BfArM: „Patientinnen und Patienten, die valsartanhaltige Arzneimittel einnehmen, werden ausdrücklich darum gebeten, das Arzneimittel nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt abzusetzen, da das gesundheitliche Risiko eines Absetzens um ein Vielfaches höher liegt als das Risiko durch eine mögliche Verunreinigung.“
Was man weiß
Klar sei, dass bis zum Juni 2018 weder NDMA noch NDEA in sartanhaltigen Arzneimitteln als Verunreinigungen auffallen konnten, weil keine entsprechenden Routinetests durchgeführt wurden. Man wisse nun aber, dass diese Verunreinigungen unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Lösungsmitteln, Reagenzien und anderen Rohmaterialien in der Herstellung von Sartanen mit einem Tetrazolring in der Sturktur entstehen können. Zusätzlich sei aber auch möglich, dass die Verunreinigungen in manchen Sartanen vorhanden waren, weil Wirkstoffhersteller „unbeabsichtigt“ verunreinigte Geräte oder Regenzien im Herstellungsprozess verwendet haben. In der Mitteilung des BfArM heißt es dazu weiter: „Für NDMA ist der entscheidende Schritt die Verwendung von Dimethylamin (DMA) in der Synthese, das die Verunreinigung in Gegenwart von Nitriten bildet, meist unter sauren Bedingungen. Ein ähnlicher Syntheseschritt – mit Diethylamin (DEA) – führt zur Entstehung von NDEA.“
Was noch zu klären ist
Bei den nun empfohlenen Maßnahmen soll es auf lange Sicht nicht bleiben. So wird in der Pressemitteilung der EMA auch angekündigt, dass weiterhin das Vorhandensein von Nitrosaminverunreinigungen in Arzneimitteln untersucht werden soll – auch von Verunreinigungen wie N-Nitrosoethylisopropylamin (EIPNA), N-Nitrosodiisopropylamin (DIPNA) und N-Nitroso-N-methylamino-Buttersäure (NMBA). Die EU-Behörden würden abwägen, was insgesamt aus dem Risikobewertungsverfahren gelernt werden könne, um die Handhabung von Verunreinigungen in Arzneimitteln zu verbessern.
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Noch mehr Nitrosamine
Bereits am 5. Juli 2018 war gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG die Überprüfung von valsartanhaltigen Arzneimitteln von der Europäischen Kommission eingeleitet worden. Am 20. September 2018 wurde die Überprüfung auf Candesartan, Irbesartan, Losartan und Olmesartan ausgedehnt. Das Gutachten des CHMP wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet.
Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung
Auch das Bundesgesundheitsministerium will Konsequenzen aus dem Fall Valsartan ziehen. Vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) zugestimmt. Das Gesetz, das Mitte 2019 voraussichtlich in Kraft treten wird, soll dem Bund künftig mehr Befugnisse einräumen. Speziell in Bezug auf den Fall Valsartan solle die Koordinierungsfunktion von BfArM beziehungsweise PEI bei Rückrufen und Versorgungengpässen gestärkt werden. Unternehmen sollen zukünftig auch ein wirtschaftliches Interesse daran haben, dass Arzneimittel sicher sind: So sollen Krankenkassen Anspruch auf Regress gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmen bei Produktmängeln bekommen, und für Versicherte soll die Zuzahlung bei einer notwendigen Neuverordnung in Folge eines Arzneimittelrückrufes wegen Qualitätsmängeln wegfallen. Außerdem sollen Informationen über Wirkstoffhersteller von Fertigarzneimitteln öffentlich gemacht werden.
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