Von gut versorgt bis ausgebrannt

Grippeimpfstoff-Lieferengpässe: So ist die Lage in den einzelnen Regionen

Berlin - 21.11.2018, 11:15 Uhr

Warum gibt es in dieser Saison in vielen Regionen einen Engpass bei Grippeimpfstoffen? Und in welchen Regionen ist es besonders schwierig, Impfstoffe zu erhalten? Welche Bundesländer sind noch gut versorgt? DAZ.online bietet einen Überblick. (Foto: Imago)

Warum gibt es in dieser Saison in vielen Regionen einen Engpass bei Grippeimpfstoffen? Und in welchen Regionen ist es besonders schwierig, Impfstoffe zu erhalten? Welche Bundesländer sind noch gut versorgt? DAZ.online bietet einen Überblick. (Foto: Imago)


Grippeimpfstoffe werden in vielen Teilen Deutschlands knapp. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weist darauf hin, dass es eine Ungleichverteilung gibt. Die Apothekerverbände in den einzelnen Regionen erklären vereinzelt, dass bei den Großhändlern derzeit nichts zu holen sei. Aber wie ist es zu den Engpässen gekommen? Und wie schlimm sieht es in den einzelnen Bundesländern aus? Die Nachrichtenagentur dpa hat sich in den Regionen umgehört. Ein Überblick.

Angesichts der regionalen Engpässe bei Grippeimpfstoffen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) inzwischen angekündigt, Vorschriften für die Beschaffung der Impfstoffe zu lockern. Demnach können die Bundesländer bei regionalem Bedarf erlauben, dass sich Apotheken und Arztpraxen untereinander mit Grippeimpfstoff versorgen und dass aus anderen Ländern der Europäischen Union bezogene Impfstoffe in den Apotheken abgegeben werden. Dazu will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Bundesgesetzblatt einen offiziellen Versorgungsengpass bekanntgeben, erst dann können diese Maßnahmen greifen.

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Insgesamt sind laut BMG in Deutschland 15,7 Millionen Dosen verfügbar. Das seien rund eine Million mehr als im vergangenen Jahr genutzt. Die Pharmakonzerne können für diese Saison keinen Impfstoff mehr herstellen. Es dauere etwa sechs Monate, um einen üblichen Impfstoff auf Hühnereibasis zu produzieren, sagte eine Sprecherin des Herstellers Sanofi. „Zur Zahl der Vorbestellungen packen wir eine gewisse Sicherheitsmarge drauf, aber wir können nicht für 80 Millionen Menschen produzieren.“

Aber wie ist es überhaupt zu den Engpässen gekommen – wenn mehr Dosen bereitstehen als im vergangenen Jahr genutzt wurden? „Die Patienten haben in diesem Jahr möglicherweise viel früher angefangen, sich impfen zu lassen“, sagte Susanne Stöcker, Sprecherin des PEI. „Ob sich auch insgesamt mehr Menschen impfen lassen oder die Impfungen nur früher stattfinden, können wir noch nicht wissen.“ Sie hält die große Grippewelle in der vergangenen Saison für einen möglichen Grund für das aktuelle Interesse. Dadurch seien vermutlich mehr Menschen für das Thema sensibilisiert. Andere Experten verweisen auf den nun als Kassenleistung verfügbaren Vierfach-Impfstoff. Er gilt als wirksamer als derjenige mit drei Komponenten. Das BMG nennt auf Nachfrage der dpa als mögliche Ursachen für den Mangel neben einer höheren Nachfrage eine verspätete Bestellung von Impfstoffen durch Ärzte und Apotheker, zu große Vorräte in manchen Arztpraxen und Apotheken sowie Direktverträge zwischen Krankenkassen und Apothekern.

Wie sieht es in den Bundesländern aus?

Aber wie sieht es in den einzelnen Regionen genau aus? Die Nachrichtenagentur dpa hat sich bei Ärzten und Apothekerverbänden erkundigt. Hier eine Übersicht:

  • In Schleswig-Holstein und Hamburg wird der Impfstoff knapp. Die Durchimpfungsrate sei jedoch in beiden Ländern bereits gut, sagte der Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein sowie des Hamburger Apothekervereins, Thomas Friedrich. Der Vierfach-Impfstoff sei bereits seit Anfang September erhältlich, dies könne mit ein Grund dafür sein, dass er diese Saison früher zur Neige geht.
  • In Niedersachsen haben nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) einige Arztpraxen früh sehr viel Impfstoff bestellt. Bei anderen Ärzten, die später bestellt hätten, verzögerten sich jetzt Lieferungen. Im kommenden Jahr will die KVN die Bestellung der Impfstoffe im Land anders regeln. „Wir denken an eine zentrale Bestellung für alle Ärzte in Niedersachsen“, sagte ein Sprecher. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich unter anderem Krankenkassen und die Apothekerkammer zu einem „Impf-Gipfel“ bei der KVN getroffen. Ziel sei es, die Bestellung für die Ärzte in Niedersachsen im nächsten Jahr besser zu organisieren, sagte der Sprecher. Die Ausgestaltung dieses Plans solle bei einem weiteren „Impf-Gipfel“ im Januar besprochen werden.
  • In Hessen sind die Vorräte nach Angaben des Landesapothekerverbands seit dieser Woche erschöpft. Der Verband hatte nach eigenen Angaben mit einem Hersteller ein Kontingent vereinbart und den hessischen Apotheken angeboten, etwas daraus zu ordern. „Über den Apothekerverband ist der Impfstoff von dieser Firma nicht mehr bestellbar. Einzelbestellungen über Großhändler scheinen derzeit schwer zu bekommen zu sein“, sagte Förster. Der hessische Hausärzteverband und das Landesgesundheitsministerium haben hingegen bisher keinen Engpass bemerkt.
  • Eine Art Sammelbestellung gibt es seit Jahren in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. „Die Kühlschränke sind noch gut gefüllt“, sagte ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung Berlin. Er verwies auf eine Rahmenvereinbarung mit der AOK Nordost. Die Krankenkasse organisiert die Versorgung mit Grippeimpfstoffen seit 2011 für die drei Bundesländer gemeinsam mit den jeweiligen Apothekerverbänden. Die AOK Nordost habe sich zusammen mit diesen Partnern frühzeitig um die Liefersicherheit bemüht, sagte Susanne Dolfen, Leiterin Arzneimittelversorgung bei der AOK Nordost. „Als erste Region in Deutschland haben wir bereits im Februar 2018 den Bedarf ermittelt, so dass der Grippeimpfstoff frühzeitig bestellt werden konnte.“

Baden-Württemberg: Versorgung vorerst gesichert

  • Auch in Baden-Württemberg ist die Versorgung wohl bisher gesichert. „Von einem massiven Mangel ist uns nichts bekannt“, teilte eine Sprecherin des Sozialministeriums in Stuttgart mit. Zwar habe es Meldungen gegeben, wonach in manchen Regionen Baden-Württembergs der Impfstoff vergriffen sei. Für ein größeres Gebiet gelte das bisher aber nicht.
  • Grund zur Sorge gibt es dem Apothekerverband in Rheinland-Pfalz zufolge derzeit nicht. „Es ist eigentlich in jedem Jahr so, dass der Grippeimpfstoff irgendwann schlicht alle ist“, sagte ein Verbandssprecher. Noch könne in Rheinland-Pfalz geimpft werden. Der vorhandene Impfstoff sei schon auf dem Markt, eine Nachbestellung sei aber kaum möglich. „Derzeit haben die Apotheken so gut wie keine Chance mehr, vom Großhandel Impfstoff zu bekommen.“ Deswegen könne es zu lokalen Engpässen kommen. Nach der Umstellung auf den Vierfach-Impfstoff hätten sich Hersteller und Krankenkassen erst auf einen neuen Vertrag einigen müssen. Zudem habe die Kassenärztliche Vereinigung des Landes ihre Mitglieder diesmal dazu aufgerufen, keinen Impfstoff vorzubestellen.
  • Wer im Saarland in dieser Grippesaison noch nicht geimpft ist, geht nach Einschätzung der Apothekenkammer des Landes leer aus. Im Vergleich zum Vorjahr gebe es zwar keine Unterversorgung. Aber: „Wir haben jetzt ein Problem, weil die Nachfrage hoch ist und die Saison noch jung“, sagte der Geschäftsführer der Kammer, Carsten Wohlfeil. Die Impfdosen seien bereits den Patienten gegeben. In dieser Saison müssen die Krankenkassen erstmals den Vierfach-Impfstoff bezahlen. Das könnte laut Wohlfeil zu der großen Nachfrage im Saarland geführt haben. Auch Wohlfeil verweist auf die Impfkampagne.
  • Die Grippesaison in Sachsen lässt sich ruhig an. Die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen ist leicht angestiegen, aber bewegt sich auf einem für die Jahreszeit üblichen Niveau, wie aus der jüngsten Einschätzung der Landesuntersuchungsanstalt (LUA) in Chemnitz für die zweite Novemberwoche hervorgeht. Danach wurden bisher 30 Influenza-Fälle registriert. Das Sozialministerium ruft sieben Monate nach einer der schwersten Infektionswellen im Freistaat seit Jahren zur Schutzimpfung auf. Der Landesapothekerverband berichtet jedoch von Engpässen bei dem Impfstoff. „Einige Ärzte haben keinen, andere haben Impfstoff“, beschreibt eine Sprecherin die Lage.
  • Die frühe Nachfrage nach Grippe-Impfungen führt in den NRW-Praxen vereinzelt zu Impfstoffmangel. Im Rheinland habe es Einzelmeldungen von Praxen gegeben, die Impfstoff benötigten, sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Auch im Gebiet Westfalen-Lippe sei von einzelnen Ärzten ein Mangel berichtet worden, erklärte der Sprecher der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Die Apothekerverbände Nordrhein und Westfalen-Lippe meldeten ebenfalls Engpässe in jeweils wenigen Apotheken.
  • Mit einer Grippe-Welle rechnen die Experten in Sachsen-Anhalt erst ab Januar. „Im Februar erreicht sie typischerweise ihren Höhepunkt“, sagte Glasmacher. Nach Angaben des Landesapothekerverbands ist in Sachsen-Anhalt nicht mit Engpässen beim Grippe-Impfstoff, wie in manch anderen Bundesländern, zu rechnen. Die Ärzte seien frühzeitig aufgefordert worden, ihre Bestellungen abzugeben, sagte Verbandsgeschäftsführer Matthias Clasen. Alle Ärzte seien entsprechend ihrer Bestellungen beliefert worden. Allerdings sei die Nachfrage nach einer Grippeimpfung in diesem Jahr besonders hoch. Es sei deshalb möglich, dass der Impfstoff im Verlauf der Grippesaison auch in Sachsen-Anhalt knapper werde.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Bayern

von Barbara Massag am 21.11.2018 um 19:41 Uhr

Vielleicht habe ich nicht aufmerksam gelesen, ich finde allerdings Bayern nicht in Ihrer Länderliste? Liegt es daran, dass Bayern Freistaat ist? Wir haben seit einigen Wochen keinen Impfstoff mehr, haben das auch so gemeldet.
Wie sieht es Ihren Recherchen nach in Bayern aus?

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"in manchen Regionen... vergriffen"

von T. La Roche am 21.11.2018 um 13:13 Uhr

Ich weiß ja nicht, woher das Sozialministerium in Baden-Württemberg Informationen bekommt...geben sie mir ein paar Hundert Impfdosen, die sind in wenigen Stunden weg. Ich habe genügend Anfragen von Praxen, die wir sonst nicht beliefern. Nur wenige Apotheken können Einzelverordnungen noch beliefern.
Manche Arztpraxen sind schon vor ein paar Wochen dazu übergegangen nicht jeden zu impfen, der es gerne wünscht.
Was ist denn ein "massiver Mangel"?
Tatsache ist doch, dass in Baden-Württemberg nicht ausreichend Impfdosen vorhanden sind.

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