Verunreinigungen in Valsartan

Kompromisslos der Qualität verpflichtet – unabhängig vom Produktionsstandort?

Stuttgart - 26.10.2018, 07:00 Uhr

Symbolbild: Müssen Pharmaunternehmen in Ländern außerhalb der EU gründlicher durchleuchtet werden? (Foto: imago)

Symbolbild: Müssen Pharmaunternehmen in Ländern außerhalb der EU gründlicher durchleuchtet werden? (Foto: imago)


Am 15. Oktober wurde von der EU verkündet, dass Zhejiang Huahai, der Wirkstoffhersteller der im Zentrum des Valsartan-Falls steht, von der EMA in Zukunft verstärkt überwacht wird. Nur wenige Fertigarzneimittelhersteller, wie Novartis, sind nicht von den Verunreinigungen des chinesischen Herstellers betroffen. Ist für sie die Frage nach der Qualität der Wirkstoffproduktion dennoch losgelöst vom Produktionsstandort zu betrachten? Immerhin hatte auch Novartis Kontakt mit Zhejiang Huahai. DAZ.online hat bei Novartis nachgefragt.  

Medienberichten zufolge soll der chinesische Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai, der im Mittelpunkt des Falls um verunreinigtes Valsartan steht, kürzlich von der chinesischen Stadt Linhai 300 Millionen Yuan (37,8 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt bekommen haben. In zwei Ankündigungen über die Shanghaier Börse soll Zhejiang Huahai die finanzielle Hilfe als „Industrial Development Assistance Funds“ bezeichnet haben, ohne jedoch zu sagen, wie die Mittel verwendet werden sollen. Während der Auslöser der Valsartan-Krise also finanzielle Hilfe zu erhalten scheint, steigen weiteren Medienberichten zufolge in den USA die Preise für Valsartan: Sie sollen sich im September mehr als verdoppelt haben. Gleichzeitig sind viele Fragen im Valsartan-Fall weiterhin offen – und grundsätzliche Fragen zur Arzneimittelsicherheit kommen auf. 

Eine Frage, die noch unbeantwortet ist, ist die, wie die Nitrosaminverunreinigungen in Valsartan überhaupt entdeckt wurden. Und eine grundsätzliche Frage ist, ob die Wirkstoffherstellung in Ländern wie China generell fehleranfälliger ist als beispielsweise die in Europa. Beide Fragen hat DAZ.online Novartis gestellt, dessen Präparate Schweizer Medien zufolge nur knapp den Valsartan-Verunreinigungen entkommen sein könnten.

Novartis soll Zhejiang Huahai als Wirkstoffhersteller in Erwägung gezogen haben 

Dort hieß es: „Der Basler Pharmakonzern Novartis plant, den weit verbreiteten Wirkstoff Valsartan fortan nicht mehr selber herzustellen. Das Mittel für Blutdrucksenker soll bald aus China kommen.“ Zu diesem Recherche-Ergebnis ist die „Rundschau“ des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) gekommen. Als Quelle bezieht sich die Rundschau auf interne Novartis-Dokumente vom Frühjahr 2018: Der Pharma-Konzern beabsichtige, die chemische Produktion von Valsartan in den Schweizer Produktionsstätten Stein (AG) und Schweizerhalle (BL) teilweise einzustellen. Die Wirkstoffe für verschiedene Novartis-Medikamente sollten künftig aus chinesischen, indischen und italienischen Firmen kommen. Neben der Schweiz wolle Novartis auch am Standort Grimsby (England) Produktionsstätten einstellen.

Laut den internen Dokumenten hätte Novartis zudem geplant, den Wirkstoff Valsartan für den Blutdrucksenker Diovan von Zhejiang Huahai Pharmaceuticals und von Zhejiang Tianyu Pharmaceuticals zu beziehen. Beide Hersteller lieferten in der Vergangenheit weltweit verunreinigtes Valsartan.

Novartis teilte der „Rundschau“ auf Anfrage lediglich mit: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir unsere Pläne für bestehende und/oder potenzielle Zulieferer nicht öffentlich machen.“ Auch DAZ.online hat daraufhin bei Novartis angefragt – und die gleiche Antwort erhalten. Woran man zunächst nicht denkt: Zur Novartis Unternehmengruppe gehören auch 1A Pharma und Hexal.

„Die von den Krankenkassen akzeptierten Preise lassen sich nur unter Einschluss asiatischer Hersteller ermöglichen“

1A Pharma und Hexal waren bekanntermaßen vom Valsartan-Rückruf betroffen. Novartis hatte im Juli selbst eine entsprechende Mitteilung herausgegeben. Warum wurde der Wirkstoff für Hexal und 1A nicht auch in der Schweiz und Irland produziert, wie bei den Valsartan-Originalpräparaten?

Ein Novartis-Sprecher erklärte gegenüber DAZ.online: „Ebenso wie viele andere Pharmaunternehmen arbeiten wir mit erfahrenen und qualifizierten Zulieferern auf der ganzen Welt, einschließlich Indien und China, zusammen und produzieren Qualitätsprodukte in voller Übereinstimmung mit europäischen oder US-amerikanischen Qualitätsstandards. Besonders im Generika-Bereich ist es wichtig, das Angebot an qualitativ hochwertigen, aber auch erschwinglichen Medikamenten sicherzustellen, um die Anforderungen der Gesundheitssysteme zu erfüllen.“ Und weiter:


Nur durch kostengünstige Lieferanten aus Asien kann dem extremen Kostendruck im deutschen Markt (primär bedingt durch Rabattverträge) standgehalten werden. Die Rahmenbedingungen erzwingen diesen Schritt. Durch eine Marktkonzentration der Wirkstoffhersteller werden günstigere Wirkstoffpreise ermöglicht. In Asien gibt es eine hohe Anzahl an Wirkstoffanbietern, die kostengünstig anbieten und – das darf über dem Valsartan-Vorgang nicht vergessen werden – auch qualitativ einwandfrei liefern.

Pressesprecher von Novartis


Warum Novartis auch beim Originalpräparat plante, den chinesischen Wirkstoff einzusetzen, blieb unkommentiert. Genauso die Frage, ob Patienten sich in diesem Zusammenhang nicht zu Recht getäuscht fühlen könnten. Novartis gab hierzu lediglich ein allgemeines Statement ab: „Wir überwachen unser Drittanbieternetzwerk aktiv durch Audits, Reviews und rigorose Qualitätsvereinbarungen. Die Gesundheitsbehörden überprüfen zudem die geforderten Qualitätsstandards mithilfe koordinierter Inspektionen, Importbewilligungen auf Basis der Auditprotokolle und weiterer Überwachungs- und Kontrollmechanismen.“ Und weiter:


Wir arbeiten eng mit Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt zusammen, und unsere Qualitätsanforderungen und -standards verpflichten uns kompromisslos der Qualität, unabhängig davon, wo unsere Produkte hergestellt werden.

Pressesprecher von Novartis


Wenn die Qualität nicht vom Produktionsstandort abhängt, warum halten sich die Pharmazeutischen Unternehmer dann insgesamt so bedeckt, bezüglich ihrer Wirkstoffhersteller? Die EMA schrieb dazu an DAZ.online: „Wir glauben nicht, dass das Herkunftsland der Inhaltsstoffe etwas über die Qualität der in der EU zugelassenen Arzneimittel aussagt. Wenn Informationen über das Herkunftsland angefordert werden, sollten Unternehmen im Einklang mit den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften handeln.“

Und auch Novartis meint: „Bezüglich der Wirkstoffhersteller besteht volle Transparenz gegenüber den Zulassungsbehörden. Im Rahmen des Prüfungs- und Zulassungsverfahrens erhalten die zuständigen Gesundheitsbehörden alle Informationen bezüglich der Herkunft der pharmazeutischen Wirkstoffe.“ Das sei in voller Übereinstimmung mit den lokalen und globalen Vorschriften für die Kennzeichnung von Arzneimitteln. 

Wer hat die Verunreinigungen in Valsartan zuerst entdeckt?

Gegenüber dem SFR betonte Novartis, dass kein von Novartis oder Sandoz gehandeltes Endprodukt jemals den Wirkstoff Valsartan aus der Fabrik Tianyu enthalten habe. Ob es sich bei den chinesichen Herstellern der Novartis Unternehmensgruppe dann ausschließlich um Zhejiang Huahai handele, wollte Novartis gegenüber DAZ.online wiederum nicht kommentieren. An SFR schrieb Novartis aber: „Was den Valsartan-Wirkstoff von Huahai betrifft, wurden die Verunreinigungen durch Novartis entdeckt. Novartis hat daraufhin Huahai und die zuständigen Gesundheitsbehörden informiert.“

Wenn die Verunreinigungen im Valsartan-Wirkstoff durch Novartis entdeckt wurden und Novartis daraufhin Huahai und die zuständigen Gesundheitsbehörden informiert hat – heißt das, Novartis ist der Fertigarzneimittelhersteller aus Spanien, der auf der Internetseite des BfArM genannt wird? „Die Meldung basiert auf den Untersuchungsergebnissen des Wirkstoffherstellers, welche im Rahmen der Produktion für einen Fertigarzneimittelhersteller aus Spanien durchgeführt wurden“, heißt es dort. Novartis antwortete DAZ.online auf diese Frage mit einem klaren „Nein.“ Die Verunreinigungen seien durch Novartis bei Tests entdeckt worden und anschließend von Huahai bestätigt worden. Zhejiang Huahai schrieb auf seiner US-Seite bereits im August, die Verunreinigung selbst entdeckt zu haben. Und auch die EMA schrieb an DAZ.online:


Was wir sagen können, ist, dass Zhejiang Huahai die Verunreinigungen an EU-Hersteller gemeldet hat, die dessen Valsartan-Wirkstoff zur Herstellung von Valsartan-Medikamenten verwenden. Diese haben wiederum die EU-Behörden informiert. Da valsartanhaltige Medikamente nicht zentral zugelassen sind, hat sich die EMA erst zu Beginn der Überprüfung mit diesen Arzneimitteln beschäftigt. 

Pressesprecherin der EMA


Wie die NDMA-Verunreinigung – obwohl sie, wie oft zitiert, nicht zu erwarten war – also letztlich auffiel, bleibt weiterhin unklar. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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