Nachhaltige Verhütung

Waschbarer Verhütungsring Annovera in den USA zugelassen

Stuttgart - 16.08.2018, 13:15 Uhr

Ein neuer Verhütungsring in den USA, Annovera, schütz während 13 Zyklen ein Jahr lang vor Schwangerschaften. (j/Foto: imago)

Ein neuer Verhütungsring in den USA, Annovera, schütz während 13 Zyklen ein Jahr lang vor Schwangerschaften. (j/Foto: imago)


Die FDA hat ein neues Verhütungssystem zugelassen: AnnoveraTM. Das Prinzip ist alt: ein intravaginales Ringsystem – wie es auch Nuvaring® in Deutschland realisiert. Nach drei Wochen des Ring-Tragens entnehmen die Frauen den hormonhaltigen Silikonring für eine einwöchige Pause und setzen denselben Ring danach wieder ein. Doch wie schneidet AnnoveraTM beim Pearl-Index ab?

Für Frauen, die mit intravaginalen Verhütungssystemen zurechtkommen, sind Nuvaring® und seit Sommer 2017 auch die ungekühlten generischen Alternativen Cyclelle®, Ginoring®, Setlona® und VeriAristo® eine angenehme Art der Kontrazeption. Die Ethylen-Vinylacetat-Copolymer-Ringe sind mit Ethinylestradiol und Etonogestrel beladen, sie werden einmal monatlich intravaginal eingesetzt und geben dann eine kontinuierliche Hormondosis ab. Alle Ringe setzen die Wirkstoffe Etonogestrel und Ethinylestradiol mit einer Rate von 0,12 mg bezeihungsweise 0,015 mg pro 24 Stunden frei. Kein tägliches „an die Pille denken“ und auch den First-Pass-Effekt der Leber umgeht man geschickt. Nach drei Wochen entfernen die Anwenderinnen den Ring – und werfen diesen weg, um nach einer einwöchigen Pause einen neuen Verhütungsring einzusetzen.

Mehr zum Thema

Annovera: Verhütung für ein Jahr

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat nun einen neuen Verhütungsring zugelassen, AnnoveraTM. Der Silikonring enthält als estrogene Komponente Ethinylestradiol und als Gestagenanteil Segesteronacetat. Wie auch Nuvaring® wenden die Frauen den Ring intravaginal an. Das Innovative an AnnoveraTM ist, dass die Frauen nach einer dreiwöchiger Anwendung von AnnoveraTM den Vaginalring nicht einfach entsorgen, sondern sie setzen AnnoveraTM nach der einwöchigen Ringpause, mit eventueller Abbruchblutung, einfach wieder ein. Die FDA schreibt: „AnnoveraTM wird gewaschen und in einem kompakten Behältnis für die sieben Tage, in denen AnnoveraTM nicht benutzt wird, aufbewahrt“. Nachhaltig. Eine Lagerung ist bis zu Temperaturen von 30° Celsius möglich.

Pearl-Index: Wie sicher verhütet Annovera?

Die hormonelle Beladung des Ringes reicht für 13 Zyklen, sprich für eine Kontrazeption über ein Jahr. Täglich setzt AnnoveraTM 0,15 mg Segesteronacetat und 0,013 mg Ethinylestradiol frei. Die Freisetzungsrate von Ethinylestradiol ist somit geringer als bei Nuvaring®, Cyclelle®, Ginoring®, Setlona® und VeriAristo®.

Die FDA hat AnnoveraTM auf Grundlage von drei klinischen Open-Label-Studien zugelassen, die Sicherheit und Wirksamkeit von AnnoveraTM bestätigten. Die Anwenderinnen waren zwischen 18 und 40, laut Hersteller liegt nach Auswertung der Daten der Pearl-Index bei 2,98. Das entspricht den Angaben der FDA: Von 100 Frauen, die ein Jahr lang mit AnnoveraTM verhüten, werden laut Arzneimittelbehörde zwei bis vier Frauen schwanger.

Wie gut ist ein Pearl-Index von drei?

Vergleicht man diesen Pearl-Index mit dem von Nuvaring®, so liegt der Verhütungsschutz von AnnoveraTM deutlich unter dem der hiesigen Verhütungsringe. MSD beansprucht einen Pearl-Index kleiner 1 für Nuvaring®. Bei oralen, kombinierten hormonellen Kontrazeptiva liegt der Pearl-Index bei 0,1. Zum Vergleich: Bei Frauen, die nicht verhüten, liegt der Pearl-Index zwischen 20 und 30, das heißt 85 Prozent der Frauen werden innerhalb eines Jahres schwanger.

Bislang gibt es nur begrenzte Daten für die sichere Verhütung mit AnnoveraTM bei übergewichtigen Frauen mit einem Body-Mass-Index größer 29 kg/m2.

Zu den laut dem pharmazeutische Unternehmer hinter AnnoveraTM, Therapeutics MD, am häufigsten berichteten Nebenwirkungen zählten unregelmäßige Blutungen, Kopfschmerzen und Migräne, vaginale Pilzinfektionen, Juckreiz im Genitalbereich, Übelkeit, Erbrechen sowie Diarrhö.

Annovera erhält Packungs-Warnbox

Wie auch bei anderen hormonellen Kontrazeptiva warnt die FDA rauchende Frauen vor der Anwendung von AnnoveraTM. Auf die Packmittel des Arzneimittels wird eine sogenannte Boxenwarnung (englisch: „boxed-warning"; eingerahmter Warnhinweis) aufgedruckt, mit dem Hinweis, dass Rauchen und die gleichzeitige Anwendung hormoneller Kontrazeptiva das Risiko für kardiovaskulärer Ereignisse erhöhen. Zusätzlich fordert die FDA als Auflage für die Zulassung weitere Sicherheitsstudien, um das Risiko von thromboembolischen Ereignissen und CYP3A-basierten Wechselwirkungen unter AnnoveraTM zu evaluieren. Außerdem soll der Einfluss von Tampons auf die Pharmakokinetik des intravaginalen Verhütungsringes bewertet werden.

Annovera gibt es frühestens Ende 2019

Noch gibt es AnnoveraTM nicht für Anwenderinnen. Therapeutics MD rechnet frühestens im dritten Quartal 2019 damit, den Verhütungsring auf den Markt zu bringen.

Nachfrage hormoneller Kontrazeptiva und Verhütungsringe sinkt

In Deutschland ist der Markt an Verhütungsringen rückläufig, das zeigen Daten des Marktforschungsinstitutes IQVIA: In den Jahren 2015 und 2016 beherrschte MSD als Erstanbieter mit Nuvaring® den intravaginalen Verhütungsringmarkt allein: Der Absatz lag bei 1,192 Millionen Packungen (2015) und war leicht rückläufig auf 1,108 Millionen Packungen im darauffolgenden Jahr (2016). Nuvaring® bescherte MSD Umsätze – gemessen am Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers – im Wert von 34,1 Millionen Euro 2015 und durch entsprechend sinkende Abgabezahlen 31,8 Millionen Euro 2016.

Seit August 2017 muss sich der bisherige Verhütungsring-Platzhirsch MSD diesen Markt mit Cyclelle®, Ginoring®, Setlona® und Veri-Aristo® teilen – das bekommt MSD kräftig zu spüren. Eine Zwölf-Monats-Auswertung (bis April 2018) – wobei Generika erst ab August 2017 mitmischen – zeigt einen generischen Marktanteil von 16,9 Prozent: Nuvaring® 895.000 Packungen und Generika 182.000 Packungen. Für das aktuelle Jahr liegt der Marktanteil der generischen Verhütungsringe bei 26,5 Prozent – und das obwohl die Lieferfähigkeit nicht kontinuierlich gewährleistet ist.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.