Beratungs-Quickie

Antibiotika-Therapie von Kindern mit Atemwegsinfekt

Stuttgart - 15.03.2018, 13:00 Uhr

Antibiotikasäfte sind bei Kindern nicht unbedingt beliebt.(Foto: Chepko Danil / stock.adobe.com)                                     

Antibiotikasäfte sind bei Kindern nicht unbedingt beliebt.(Foto: Chepko Danil / stock.adobe.com)                                     


Der DAZ.online-Beratungs-Quickie gibt Tipps für den Apothekenalltag, zu dem eindeutig Kinder und auch Antibiotika gehören. Neben viel Freude, bringen Kinder viele neue Fragen in das Leben ihrer Eltern: Ist das nur eine harmlose Erkältung? Wann ist sie vorbei? Braucht mein Kind ein Antibiotikum, wenn ja welches? Gerade in Anbetracht der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen, sollte die Apotheke kompetent beraten können.

„Die Hälfte der Antibiotikadosierungen im Kindesalter sind falsch“, darauf wies der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) im November 2017 anlässlich des „Antibiotic Awareness Day“ hin. Auch, wenn die richtige Dosis verordnet wird, bestünde weiterhin das Risiko, dass Eltern unbeabsichtigt Fehler bei der Verabreichung machen. Noch vor dem Dosierungsproblem, steht jedoch das Problem, dass Säuglingen und Kleinkindern generell zu häufig bei Atemwegsinfektionen ein Antibiotikum verordnet wird. 

Einen Überblick über die Antibiotika-Therapie von Atemwegsinfekten im Kindesalter bietet die DGPI mit ihren im Februar 2017 aktualisierten Empfehlungen. In prägnanter und rasch verfügbarer Form soll dargestellt werden, wann Antibiotika indiziert sind und wann sie vermieden werden sollen. Die Empfehlungen gelten für Kinder ohne schwerwiegende Grunderkrankungen. 

Vier Fragen vorweg 

Vier Fragen soll sich der behandelnde Arzt stellen, die auch in der Apotheke helfen können: Wie wahrscheinlich ist eine bakterielle Atemwegsinfektion? (Meist Viren!) Welchen Nutzen hätte eine antibiotische Therapie gegenüber einer symptomatischen? Bei der Beantwortung dieser ersten beiden Fragen, sollen die Eltern miteinbezogen werden. Dann: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Verlaufs? Und schließlich: welches Antibiotikum wäre geeignet? Hier präzisieren die Leitlinienautoren und fordern ein Antibiotikum mit dem „schmalsten Wirkspektrum“ und der „am besten geeigneten Pharmakokinetik“. Weiterhin muss die Dosis, die Applikationsform und die Dauer der Behandlung geklärt werden. 

Keine Antibiotika bei Erkältung

Die klassische Erkältung bzw. eine Infektion der oberen Luftwege kann sich mit verschiedenen Symptomen äußern (Seröse Rhinitis, Husten, Fieber, ggf. Konjunktivitis, Pharyngitis, ggf. Aphthen (weicher Gaumen)). Da die meisten Kinder nach einer Woche wieder gesund sind, wird außer einer symptomatischen Therapie, evtl. mit Ibuprofen oder Paracetamol, keine Medikation empfohlen. Von einer alternierenden Gabe der beiden Schmerz- und Fiebermittel wird explizit abgeraten. Bei anhaltendem Fieber und klinischer Verschlechterung muss erneut der Arzt aufgesucht werden. 

Amoxicillin bei akuter Otitis media

Eine Analgesie mit Ibuprofen (1.Wahl) oder Paracetamol sollte immer erfolgen. Nasentropfen können die Therapie ergänzen (Kochsalz und abschwellende Wirkstoffe). Auf eine antibiotische Therapie kann oft verzichtet werden. Besonders bei Kindern unter zwei Jahren muss sie jedoch in Erwägung gezogen werden. Ab sechs Monaten sollte die Diagnose zuvor sicher gestellt worden sein. Ab zwei Jahren sollte auch bei sicherer Diagnose nur eine schwere akute Otitis media mit Antibiotika behandelt werden.

Das Mittel der ersten Wahl ist dann Amoxicillin, das bei Kindern unter 24 Monaten über zehn Tage, ab 24 Monaten über sieben Tage, bei Kindern die älter als sechs Jahre sind über 5 bis 7 Tage gegeben werden sollte. 

Bei Kindern ab zwei Jahren kann davon ausgegangen werden, dass nach einer Woche bis zu 90% der Kinder wieder spontan gesund sind. Schon innerhalb  von zwei bis vier Tagen bessern sich meist die Beschwerden. 

Gefahr droht, wenn es zur Rötung und Schwellung oder einem Klopfschmerz über dem Mastoid (hinter dem Ohr) kommt. Auch Drehschwindel, Fazialisparese und Hörstörungen über eine Woche sind Warnzeichen für Komplikationen. Genauso droht Gefahr, wenn das Kind erbricht und nicht mehr genug Nahrung und Flüssigkeit aufnehmen kann.

Amoxicillin bei Sinusitis

Eine Sinusitis heilt spontan nicht so schnell aus wie die akute Otitis Media. Sie bessert sich langsam in sieben bis 14 Tagen (80% sind nach drei Wochen gesund). Wenn die Symptome über zehn Tage anhalten, ist eine Antibiotika-Therapie angezeigt; genauso, wenn sich der Verlauf unter symptomatischer Therapie verschlechtert. Leidet das Kind an schweren Symptomen wie Fieber >39 °C und anhaltenden starken Schmerzen, die nach Ibuprofen nicht eindeutig besser werden, sind ebenso Antibiotika zu verordnen. Auch dann ist Amoxicillin das Mittel der ersten Wahl. Schon in den ersten drei Tagen nach Therapiebeginn kann man eine Besserung erwarten. Insgesamt sollte die Therapie sieben bis zehn Tage dauern.

In milden Fällen kann zunächst unter symptomatischer Therapie zugewartet werden. Die symptomatische Therapie gleicht der bei Otitis media. Zudem können nasale Steroide in Erwägung gezogen werden. Nach zwei bis drei Tagen sollte der Arzt die Situation neu bewerten. 

Warnzeichen

Druckschmerzhafte Rötung und Schwellung (periorbital/fazial, über den Stirn-/Ethmoidalhöhlen), Augenmotilitätsstörung und Meningismus sowie neurologische Symptome sind Warnzeichen für drohende Komplikationen.

In milden Fällen kann zunächst unter symptomatischer Therapie zugewartet werden. Die symptomatische Therapie gleicht der bei Otitis media. Zudem können nasale Steroide in Erwägung gezogen werden. Nach zwei bis drei Tagen sollte der Arzt die Situation neu bewerten.

Druckschmerzhafte Rötung und Schwellung (periorbital/fazial, über den Stirn-/Ethmoidalhöhlen), Augenmotilitätsstörung und Meningismus sowie neurologische Symptome sind Warnzeichen für drohende Komplikationen. 

Amoxicillin bei akuter Bronchitis

Bei Bronchitis sollte darauf geachtet werden, dass das Kind ausreichend (nicht übermäßig) viel trinkt. Paracetamol oder Ibuprofen können eingesetzt werden. Wenn Kinder durch Obstruktion beeinträchtigt sind, ist die Inhalation mit Salbutamol eine Option. Sollte ein Antibiotikum nötig sein, wird Amoxicillin über fünf Tage verschrieben.  

In den allermeisten Fällen (90 Prozent) sind keine Antibiotika nötig. Dabei muss man bedenken, dass eine Atemwegsinfektion mit Husten bis zu drei Wochen dauern kann. Dennoch geht es den Kindern nach sieben Tagen meist deutlich besser. Besteht aber anhaltendes Fieber >39 °C über mehr als drei Tage, oder steigt das Fieber nach Entfieberung (über mehr als 24 Stunden) wieder, sind Antibiotika angezeigt, genauer: Amoxicillin über fünf Tage.

Warnzeichen 

Wenn also zunächst kein Antibiotikum verordnet wurde, sollte man bei folgenden Warnzeichen die Therapie neu bewerten: schnelles Atmen, Atemnot, Einziehungen, exspiratorisches Stöhnen. Die systemische Gabe von Steroiden kann dann notwendig sein. Auch wenn das Kind nicht mehr genug trinkt, spricht das für eine Verschlechterung der Situation.

Der „Infektkrupp“ bzw. die Subglottische stenosierende Laryngitis kann beängstigend sein, jedoch sollte der Arzt auch immer andere Diagnosen (wie die seltene Diphterie) in Betracht ziehen. Ist der „Infektkrupp“ gesichert, ist keine antibiotische Therapie erforderlich. Neben unterstützenden symptomatischen Maßnahmen sind Prednisolon-Zäpfchen in der Apotheke das Mittel der Wahl. Ein Infektkrupp dauert meist zwei bis vier Tage.

Warum verordnet der Arzt kein Amoxicillin? 

Wenn auf dem Rezept ein anderes Antibiotikum als Amoxicillin verschrieben wurde, könnte das daran liegen, dass alternativ bei Kindern, die in den letzten 30 Tagen bereits Amoxicillin erhalten haben, auch Amoxicillin-Clavulansäure oder Cefuroxim-Axetil gegeben werden kann. Ab neun Jahren ist auch Doxycyclin eine Option.

Makrolide oder Azithromycin sollten jedoch nach Möglichkeit nicht eingesetzt werden (ohne substanzielle Hinweise auf einen atypischen Erreger). Ihr vermehrter Einsatz sei mit einer erhöhten Resistenzrate bei Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Serogruppe-A-Streptokokken (GAS) und auch bei Mycoplasma pneumoniae in Verbindung zu bringen.

Penicllin V bei Halsschmerzen

Halsschmerzen oder auch eine Tonsillopharyngitis klingen nach drei Tagen bei 30 bis 40 Prozent der Patienten spontan ab. Circa 85 Prozent haben dann kein Fieber mehr. Nach einer Woche sind die meisten wieder gesund (80 bis 90 Prozent).

Wird mit einem wirksamen Antibiotikum behandelt, ist man bereits nach 24 Stunden nicht mehr ansteckend. In den allermeisten Fällen ist jedoch keine antibiotische Therapie erforderlich. Nur 15 bis 30 Prozent aller Fälle von Tonsillopharyngitis bei Kindern werden durch GAS („group A streptococcus“ (β-hämolysierende Streptokokken der Serogruppe A; auch Erreger des Scharlachs) verursacht. Wird GAS nachgewiesen, ist Penicllin V über sieben Tage indiziert. Zweite Wahl ist Amoxicillin (Cave: Exanthem bei Epstein-Barr-Virus-Infektion) oder Cefalexin bzw. Cefadroxil.

Bei abwartender Therapie sollte der Arzt die Situation neu bewerten, wenn trotz Antibiotika anhaltend (>24 Stunden) hohes Fieber auftritt oder keine Besserung der Halsschmerzen/Schluckbeschwerden erkennbar ist.

Grundsätzlich scheint es sinnvoll, wenn der Arzt den Eltern nicht „vorab“ ein Rezept für ein Antibiotikum ausstellt, sondern erst nach erneuter Konsultation. Das kann den Einsatz von Antibiotika reduzieren.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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