Katrin Vogler (Linke) zum angeblichen Honorarüberhang

„Wenn das stimmt, kann ich das Gutachten nicht ernst nehmen“

Stuttgart - 10.11.2017, 14:45 Uhr

Katrin Vogler (Linke) befürchtet einen Kahlschlag bei den Apotheken, sollte das Honorar auf Basis des Gutachtens überarbeitet werden. (Foto: Sket)

Katrin Vogler (Linke) befürchtet einen Kahlschlag bei den Apotheken, sollte das Honorar auf Basis des Gutachtens überarbeitet werden. (Foto: Sket)


Behauptet das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums tatsächlich, dass die deutschen Apotheken 1,7 Milliarden Euro zu viel Honorar bekommen? Sollte das der Fall sein, kann zumindest Katrin Vogler, Gesundheitsexpertin der Linksfraktion und ausgewiesene Kennerin des Apothekenmarkts, das Gutachten nicht wirklich ernst nehmen, wie sie gegenüber DAZ.online erklärt. 

1,7 Milliarden Euro sollen laut dem Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) jedes Jahr zu viel ins Apothekensystem fließen. Jedenfalls bestätigte ein Gesundheitsexperte, der Einblick in das Gutachten hat, gegenüber DAZ.online, dass die mit der Erstellung beauftragen Agentur 2hm tatsächlich von einem solchen Milliardenüberhang ausgehe. Worauf sich die Zahl konkret bezieht, ist allerdings unklar. Die über einen Beirat am BMWi-Gutachten beteiligten Verbände ABDA und Phagro wollen sich an den  Spekulationen nicht beteiligen. Dass das Gutachten Einsparpotenziale und eine Überfinanzierung im System offen legen könnte, hatte sich bereits angedeutet. Die Zahl von 1,7 Milliarden Euro dürfte jedoch die meisten überraschen – sollte sie sich tatsächlich in dieser Größenordnung bewegen. Und sie weckt Zweifel am Gutachten. Denn laut offizieller GKV-Statistik beläuft sich das Apothekenhonorar insgesamt auf etwa 5 Milliarden Euro im Jahr.

„Das würde Kahlschlag mit der Rasenmähermethode provozieren“

So erklärt Katrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der letzten Legislaturperiode, gegenüber DAZ.online: „Wenn es stimmt, dass das bislang unveröffentlichte Gutachten 1,7 Milliarden Euro Honorarüberschuss bei Apotheken sieht, kann ich es nicht wirklich ernst nehmen. Wer die Versorgung auf dem Land sichern und die Apothekenleistungen weiterentwickeln möchte, muss sich über passgenaue Neuregelungen und Anreize Gedanken machen. Die Aussage der Studie wäre auch Ohrfeige für die Bundesregierung, die es in Auftrag gegeben hat. Denn die hat die Apotheken mit dem Notdienstfonds sowie der Aufwertung der Rezepturherstellung und BtM-Abgabe zuletzt eher besser gestellt. Wenn die Berichterstattung richtig ist, provoziert das Gutachten stattdessen mit der Rasenmähermethode den Kahlschlag. Es sieht offenbar in Apotheken nur einen Wirtschaftsfaktor und nicht einen essentiellen Teil der Gesundheitsversorgung. Das passt zu der in den Sondierungspapieren einer möglichen Jamaika-Koalition enthaltenen Aussage zur Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge. Die angekündigte Überarbeitung der Apothekenhonorierung könnte für die Apotheken also nach hinten losgehen.“

Auch Verbraucherschützer stutzen

Auch Kai Vogel, Gesundheitsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kann sich über die gegenwärtig kommunizierten Zahlen nur wundern. „Wenn das so wäre, wäre das schlecht für die Verbraucher und Patienten,” sagte er am gestrigen Donnerstagabend beim Herbstseminar des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP). Denn dann gäbe es bald wohl viel weniger Apotheken.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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6 Kommentare

unglaubiche Peinlichkeit

von Hubert Kaps am 11.11.2017 um 11:36 Uhr

Nehmen wir mal an, die Zahlen stimmen, wäre dies in der Tat eine dramatische Peinlichkeit für den Gesetzgeber, denn der hätte ja Jahrzehnte falsche Zahlen als Datengrunlage verwendet. Da die Zahlen aber objektiv falsch sein müssen, läuft das wiederum auf eine dramatische Peinlichkeit für das Ministerium und den Gutachtenersteller raus. Insofern geht es im Moment nur darum, Zeit zu gewinnen um das Gutachten in eine Schublade zu stecken, zuzusperren, und den Schlüssel in die Spree zu werfen. Ich bin gespannt, wie man das hinbekommt.

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AW: Unglaubiche Peinlichkeit mit großer Wirkung ...

von Christian Timme am 11.11.2017 um 21:12 Uhr

Peinlich ist für die Apothekerschaft Zeitpunkt und Form dieser „Einflußnahme“ auf die laufenden Jamaika-Verhandlungen. Erstaunlich ist, mit welcher „Ruhe“ hier wieder die Rolle des Zuschauers eingenommen wird ... Dieses „Gutachten“ hat bereits jetzt seinen Zweck mehr als erfüllt ... die Betroffenen wissen es nur noch nicht.

Ziel wird schon erfüllt !

von ratatosk am 10.11.2017 um 23:52 Uhr

Das politische Ziel wird doch genau erfüllt, postfaktische sog. Gutachten mit denen man dann alle Angriffe auf selbständige Apotheken pseudomäßig begründen kann.
Man muß dann noch ausländische Kettenapotheken von Großkonzernen nehmen, die Gewinne legal in Steueroasen nicht versteuern und deren niedrigen Gewinne vorbringen und fertig ist die Suppe.
Bei der FDP sieht man ja mit Rösler, wo die Interessenlagen verortet sind.
Und die sog Gutachten des Wirtschaftsministeriums sind ja in ihreTreffsicherheit schon legendär.

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Apothekenhonorar

von Lisa D. am 10.11.2017 um 19:24 Uhr

Also,
man beauftragt eine No-Name -Agentur (sprich weder Mc K noch BCG oder Roland B.)
deren Kompetenz besteht darin, nie vorher so was gemacht zu haben
das Ergebnis: Zeugnis völliger Ahnungslosigkeit.
Und jetzt?
Leute, wir brauchen gar keinen Streik. Dienst nach Vorschrift in der Apotheke reicht, um das System zu kollabieren.
Frage: Machen alle Apothekers ( m/w) das mit?
Nebenbemerkung: Allein das Antidiskriminierungsgesetz hätte schon Anlass genug für einen Aufschrei gegeben: die Honorarfrage einer einzigen Berufsgruppe innerhalb unseres Gesundheitssystems durch ein bezahltes "Gutachten" auf die lange Bank schieben und dann planwirtschaftlich regeln!!!

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Pisa ist überall ...

von Christian Timme am 10.11.2017 um 16:38 Uhr

Wie sagte die 2hm-Projektleiterin an der Heiden so treffend zu Vorabstimmungen im Beirat: „Sobald wir dies in irgendeiner Form in Zusammenarbeit mit Kosten- oder Leistungsträgern machen, sind wir nicht mehr neutral. Wir haben ja insgesamt einen wissenschaftlichen Auftrag und auch eine forscherische Freiheit, die uns der Arbeitskreis nicht abnehmen kann.“ Soll heißen: Die „Elfen im Turm“ haben zugeschlagen ...

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2hm Gutachten

von Hermann Eiken am 10.11.2017 um 16:08 Uhr

Ich mag es ja gar nicht sagen, aber ich habe das Gefühl, die Gutachter haben alle Apotheken wie Kapitalgesellschaften behandelt, wo bei deren Betriebsergebnis schon Geschäftsführergehälter im vorhinein bezahlt und heraus gerechnet sind. Die Inhaber erhalten also keinen Unternehmerlohn mit allen seinen Nebenkosten mehr. Alle heute noch inhabergeführten Apotheken in D sind in deren Augen schon (Fremd)-Kapitalgesellschaften wie die ausländischen Versender.---- Politisches Ziel???? Wehret den Anfängen!!!-- Es entstehen unmessbar größere gesundheitspolitische und volkswirtschaftliche Schäden als bei Insolvenzen inhabergeführter Apotheken.---Der Gutachter war und ist anscheinend so ahnungslos in der Apothekenmaterie, dass gerade seine Ahnungslosigkeit ihn für das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums qualifizierte.-- Ich hoffe, mein Gefühl trügt!!

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