- DAZ.online
- News
- Politik
- „Wenn das stimmt, kann ...
Katrin Vogler (Linke) zum angeblichen Honorarüberhang
„Wenn das stimmt, kann ich das Gutachten nicht ernst nehmen“
Behauptet das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums tatsächlich, dass die deutschen Apotheken 1,7 Milliarden Euro zu viel Honorar bekommen? Sollte das der Fall sein, kann zumindest Katrin Vogler, Gesundheitsexpertin der Linksfraktion und ausgewiesene Kennerin des Apothekenmarkts, das Gutachten nicht wirklich ernst nehmen, wie sie gegenüber DAZ.online erklärt.
1,7 Milliarden Euro sollen laut dem Honorargutachten des
Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) jedes Jahr zu viel ins Apothekensystem
fließen. Jedenfalls bestätigte ein Gesundheitsexperte, der
Einblick in das Gutachten hat, gegenüber DAZ.online, dass die mit der
Erstellung beauftragen Agentur 2hm tatsächlich von einem solchen Milliardenüberhang
ausgehe. Worauf sich die Zahl konkret bezieht, ist allerdings unklar. Die über einen Beirat am BMWi-Gutachten beteiligten
Verbände ABDA und Phagro wollen sich an den Spekulationen nicht beteiligen. Dass das Gutachten
Einsparpotenziale und eine Überfinanzierung im System offen legen könnte, hatte
sich bereits angedeutet. Die Zahl von 1,7 Milliarden Euro dürfte jedoch die
meisten überraschen – sollte sie sich tatsächlich in dieser Größenordnung
bewegen. Und sie weckt Zweifel am Gutachten. Denn laut offizieller GKV-Statistik
beläuft sich das Apothekenhonorar insgesamt auf etwa 5 Milliarden Euro im
Jahr.
„Das würde Kahlschlag mit der Rasenmähermethode provozieren“
So erklärt Katrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der letzten Legislaturperiode, gegenüber DAZ.online: „Wenn es stimmt, dass das bislang unveröffentlichte Gutachten 1,7 Milliarden Euro Honorarüberschuss bei Apotheken sieht, kann ich es nicht wirklich ernst nehmen. Wer die Versorgung auf dem Land sichern und die Apothekenleistungen weiterentwickeln möchte, muss sich über passgenaue Neuregelungen und Anreize Gedanken machen. Die Aussage der Studie wäre auch Ohrfeige für die Bundesregierung, die es in Auftrag gegeben hat. Denn die hat die Apotheken mit dem Notdienstfonds sowie der Aufwertung der Rezepturherstellung und BtM-Abgabe zuletzt eher besser gestellt. Wenn die Berichterstattung richtig ist, provoziert das Gutachten stattdessen mit der Rasenmähermethode den Kahlschlag. Es sieht offenbar in Apotheken nur einen Wirtschaftsfaktor und nicht einen essentiellen Teil der Gesundheitsversorgung. Das passt zu der in den Sondierungspapieren einer möglichen Jamaika-Koalition enthaltenen Aussage zur Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge. Die angekündigte Überarbeitung der Apothekenhonorierung könnte für die Apotheken also nach hinten losgehen.“
Auch Verbraucherschützer stutzen
Auch Kai Vogel, Gesundheitsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kann sich über die gegenwärtig kommunizierten Zahlen nur wundern. „Wenn das so wäre, wäre das schlecht für die Verbraucher und Patienten,” sagte er am gestrigen Donnerstagabend beim Herbstseminar des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP). Denn dann gäbe es bald wohl viel weniger Apotheken.
Bereits im Vorfeld gab es Bedenken an der Methodik
Befürchtungen, das Gutachten könnte die Realität und Komplexität der Arbeit in der Apotheke nicht angemessen abbilden, waren bereits im Vorfeld geäußert worden. So legte beispielsweise DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn in seinem Beitrag „Viele Fragen - schwierige Antworten“ unter anderem das Problem einer Durchschnittsbetrachtung, wie sie in der Studie vorgenommen wurde, dar. Er wunderte sich damals sehr darüber, dass offenbar nicht danach gefragt wurde, ob und in welchem Umfang die Apotheken Heime oder Krankenhäuser versorgen, Versandhandel oder Großhandel betreiben, eher seltene Dienstleistungen anbieten oder Leistungen im Rahmen des Medikationsmanagements erbringen. Denn solche Spezialisierungen beeinflussten die Kostenstruktur der Apotheken und die Verteilung des Arbeitsaufkommens auf verschiedene Arbeitsbereiche nachhaltig, wie er schreibt. Da diese Spezialbereiche eigenständig honoriert werden, müssten sie schon aus formalen Gründen vom „normalen Versorgungsauftrag“, der allein über den Festzuschlag gemäß Arzneimittelpreisverordnung honoriert wird, getrennt werden, so Müller-Bohn. Denn der politische Zweck der Arzneimittelpreisverordnung sei die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung. Dazu müsse eine Apotheke auskömmlich honoriert werden, wenn sie ihren „normalen“ Versorgungsauftrag vor Ort wahrnimmt. Hier drohe aber das typische Problem von Durchschnittsbetrachtungen, so der Apothekenwirtschaftsexperte. Das Honorar dürfe aber nicht nur für einen theoretischen Durchschnitt ausreichen. Denn an vielen Standorten könne nicht erwartet werden, dass Apotheken ihre Einnahmen durch lukrative Extrageschäfte aufbessern.
Veröffentlichungsdatum unbekannt
Sollte sich die angeblich ausgewiesene Zahl von 1,7 Milliarden Euro bewahrheiten, würde das die
Bedenken bestätigen. Ein Termin für die Veröffentlichung ist aber bislang nicht bekannt. Es geht allerdings das Gerücht, dass das BMWi das Statistische Bundesamt Destatis zur Prüfung des Entwurfs hinzugezogen hat. Offiziell heißt es seitens
des BMWi: „Das Gutachten zur Arzneimittelpreisverordnung ist noch nicht
final abgenommen. Dieses Verfahren läuft noch und dauert an.“
6 Kommentare
unglaubiche Peinlichkeit
von Hubert Kaps am 11.11.2017 um 11:36 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Unglaubiche Peinlichkeit mit großer Wirkung ...
von Christian Timme am 11.11.2017 um 21:12 Uhr
Ziel wird schon erfüllt !
von ratatosk am 10.11.2017 um 23:52 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Apothekenhonorar
von Lisa D. am 10.11.2017 um 19:24 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Pisa ist überall ...
von Christian Timme am 10.11.2017 um 16:38 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
2hm Gutachten
von Hermann Eiken am 10.11.2017 um 16:08 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.