Jahrbuch Sucht

Experten fordern Strategie gegen Arzneimittel-Abhängigkeit

Berlin - 12.04.2017, 11:41 Uhr

Arzneimittel-Abhängigkeiten sind nach wie vor ein großes Problem in Deutschland, auch in der Apotheke ist das ein schwieriges Thema. (Foto: monropic / Fotolia)

Arzneimittel-Abhängigkeiten sind nach wie vor ein großes Problem in Deutschland, auch in der Apotheke ist das ein schwieriges Thema. (Foto: monropic / Fotolia)


Milliardenkosten durch Behandlung und Produktivitätsausfälle

Rund jeder achte Bundesbürger verstirbt laut DHS an den Folgen des Tabakkonsums – im Jahr 2013 starben rund 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, weitere schätzungsweise 3.300 Todesfälle kommen durch Passivrauchen hinzu. Die durch das Rauchen entstandenen Kosten schätzt das Jahrbuch Sucht auf jährlich rund 79 Milliarden Euro, davon sind 25 Milliarden Euro direkte Kosten zum Beispiel für die Behandlungen tabakbedingter Krankheiten oder für Arzneimittel, weitere 53,7 Milliarden Euro kommen durch indirekte Kosten wie durch Produktivitätsausfälle hinzu.

Der Alkoholkonsum war laut DHS im Jahr 2015 unverändert: Jeder Bundesbürger trank mit 9,6 Liter reinem Alkohol ebenso viel wie im Jahr zuvor. In der Altersgruppe der 15- bis 65-Jährigen betrug der Durchschnittskonsum 14,6 Liter Reinalkohol. „Damit bleibt der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland unverändert auf sehr hohem Niveau“, kritisiert die DHS.

Laut Umfragen seien 3,38 Millionen Erwachsene in Deutschland von einer alkoholbezogenen Störung in den letzten zwölf Monaten betroffen gewesen, hinzu kommen jährlich 74.000 Todesfälle durch Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol. Die Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ sei im Jahr 2015 mit 326.971 Behandlungsfällen die zweithäufigste Einzeldiagnose in Krankenhäusern gewesen, bei Männern war es laut DHS sogar die häufigste Hauptdiagnose



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Seit Jahren

von Stefan Haydn am 13.04.2017 um 16:12 Uhr

sind die Umsatzbringer mit jährlichen Zuwachsraten im Versandhandel OTC:

Analgetika, Laxantien, Hypnotika/Sedativa und dann Erkältungsmittel

Noch Fragen?

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Konsequenzen der Studie

von Uwe Hüsgen am 13.04.2017 um 10:36 Uhr

Und welche Konsequenzen zieht Herr Prof. Glaeske aus den Studienergebnissen - speziell mit Blick auf den Versandhandel?
Eine Studie von Prof. Schweim ("Riskanter Vertriebsweg"; DAZ-Nr. 49/2015) liefert Argumente.

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Politisch in Kauf genommene Gesundheitsgefährdung

von Sven Oliver Conrad am 12.04.2017 um 13:19 Uhr

Arzneimittel haben eben neben einem Wirkpotential auch ein Schadenspotential. Nur setzt eine restriktive Handhabe eben auch entsprechende Strukturen voraus. Genau deswegen ist der Versandhandel nicht alleine für Rx-Arzneimittel, sondern ebenso für OTC-Arzneimittel zu untersagen. Es sind eben Arzneimittel. Wenn schon Waren, dann eben welche besonderer Art und solcherlei Problematiken bekommt man nicht aus der Ferne in den Griff! Das hat NICHTS mit dem Thema Warenverkehrsfreiheit der EU zu tun! Ende der Debatte, was die Faktenlage angeht, nur wer erklärt das den Profiteuren oder Chef-Ideologen unter den Entscheidern, die sich einer Lösung diesbezüglich verschließen bzw. diesen gemeingefährlichen (!) Schwachsinn installiert haben? Ich entziehe mich keiner Debatte, aber ich lehne ab, zu akzeptieren, daß profitorientierte Konzerne auch nur ansatzweise ihrer Verantwortung gerecht werden wollten oder könnten, die für jeden selbstständigen Heilberufler in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist und deren Missachtung berufsrechtlich geahndet werden kann.

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AW: Politisch in Kauf genommene

von Christian Becker am 15.04.2017 um 7:15 Uhr

Es ist ja einerseits richtig, dass der Versandhandel da eventuell noch weniger Kontrolle ausüben kann als die Apotheke vor Ort. Andererseits muss auch die Apotheke vor Ort Gewinn machen, wird also auch ungern auf Umsätze verzichten - zumal wenn eine Verschreibung vorliegt wie für Benzodiazepine und Z-Substanzen.

Ich habe tatsächlich mal eine Kundin angesprochen, die in schöner Regelmäßigkeit mit Rezepten bei uns ankam und Unmengen Zolpidem geschluckt haben muss. Die hat dann zuerst gewartet, wenn sie wiederkam, bis ich nicht mehr in der Offizin stand und ist zu einer Kollegin gegangen. Als die sie dann aber auch mal darauf angesprochen hat, hat sie ihre Rezepte eingepackt und ist gegangen.
Jetzt wird sie vermutlich jedes mal eine andere Apotheke aufsuchen, damit keiner einzelnen auffällt, wie oft sie kommt.

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