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Jahrbuch Sucht
Experten fordern Strategie gegen Arzneimittel-Abhängigkeit
Nach Tabak und vor Alkohol betreffen Arzneimittel-Abhängigkeiten weiterhin geschätzt rund 1,9 Millionen Bundesbürger, wie die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen am gestrigen Dienstag bekanntgab. Rund jedes zwanzigste Arzneimittel soll Suchtpotenzial besitzen, immer häufiger werde auf Privatrezept verschrieben. Der Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske fordert mehr Transparenz.
Als die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) am Dienstag die neuesten Zahlen für 2015 in ihrem Jahrbuch Sucht vorstellte, legte sie einen Fokus wieder auf Arzneimittel-Abhängigkeiten. „Es wird immer wieder verkannt: Aber es ist die zweite große Abhängigkeit in Deutschland – hinter Tabak, aber noch vor Alkohol“, sagte der Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske von der Universität Bremen laut der Deutschen Presseagentur. Wie schon zuvor schätzt die DHS, dass 4 bis 5 Prozent aller verordneten Arzneimittel ein eigenes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial besitzen, darunter vor allem die Schlaf- und Beruhigungsmittel mit Wirkstoffen aus der Familie der Benzodiazepine und der anderen Benzodiazepinrezeptoragonisten, die sogenannten Z-Substanzen.
In den letzten Jahren sind die Verordnungen dieser Mittel im Rahmen der GKV zwar zurückgegangen, der Anteil der privat verordneten Mittel hat allerdings zugenommen. Gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Verordnungsanstieg bei Schlafmitteln aus der Gruppe von Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Zolpidem und Zopiclon (Z-Substanzen). Mehr als jedes zweite dieser Arzneimittel werde mittlerweile auf Privatrezept verordnet, vor allem für Versicherte der Gesetzlichen Krankenkassen, erklärt Glaeske in einem begleitenden Beitrag für die DHS. „Privatrezepte für Hypnotika werden damit heutzutage eher die Regel als die Ausnahme“, schreibt er.
Ärzte wollen laut Glaeske Diskussionen und Regresse vermeiden
Nach Ansicht des Pharmakologen verhinderten Ärzte so eine kritische Arzneimittelversorgung, weil Privatrezepte an keiner Stelle systematisch erfasst und ausgewertet werden. „Dies scheint vor allem eine Strategie zu ein, als Verordner unentdeckt in der Statistiken der Krankenkassen zu bleiben, damit weder unangenehme Diskussionen über die fortwährende Verordnung abhängigkeitsinduzierender Arzneimittel noch mögliche Regresse auf die jeweiligen Ärzte zukommen“, kritisiert Glaeske.
Die verkauften Benzodiazepine reichen immer noch aus, um
etwa 1,2 bis 1,5 Millionen von diesen Arzneimitteln Abhängige zu versorgen. Die
Gesamtzahl der Arzneimittelabhängigen schätzt die DHS auf bis zu 1,9 Millionen.
Davon seien insbesondere Frauen im
höheren Lebensalter betroffen. „Die Häufigkeit der Verordnung von stark
wirkenden Schmerzmitteln hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen“,
schreibt Glaeske in einem Kommentar. Er verweist auf die 4K-Regel: klare Indikationsstellung, kleinste notwendige Dosis, kurze Anwendung, kein abruptes Absetzen.
Intransparenz sei bei Arzneimittelabhängigkeiten fehl am Platz und nutze nur denen, die vom Missbrauch und der Abhängigkeit profitieren, erklärt Glaeske. „Dies sind sicherlich nicht die Patienten und Verbraucher.“ Diese unerwünschten Wirkungen sollten nach der Pressemitteilung der DHS wie die Alkohol- und Drogenabhängigkeit öffentlich diskutiert werden. Auch müsse es Präventionsmaßnahmen geben, die vor allem den Patienten und Verbrauchern nutzen.
4 Kommentare
Seit Jahren
von Stefan Haydn am 13.04.2017 um 16:12 Uhr
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Konsequenzen der Studie
von Uwe Hüsgen am 13.04.2017 um 10:36 Uhr
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Politisch in Kauf genommene Gesundheitsgefährdung
von Sven Oliver Conrad am 12.04.2017 um 13:19 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Politisch in Kauf genommene
von Christian Becker am 15.04.2017 um 7:15 Uhr
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