DAZ.online-Themenwoche

Wie viel sparen Rabattverträge wirklich?

Süsel - 07.04.2017, 07:00 Uhr

Wie viel bleibt unterm Strich, wenn man richtig kalkuliert? Apotheker und Dipl.-Kfm- Dr. Thomas Müller-Bohm hat das getan. (Foto: tech_studio / Fotolia)

Wie viel bleibt unterm Strich, wenn man richtig kalkuliert? Apotheker und Dipl.-Kfm- Dr. Thomas Müller-Bohm hat das getan. (Foto: tech_studio / Fotolia)


Verschwendung der Reste

Das zweite Problem betrifft die Mengenkomponente bei der Berechnung der Einsparungen. Vielen Patienten ist nur schwer zu vermitteln, dass das neue Rabattvertragsprodukt ein gleichwertiger Ersatz für das bisherige Arzneimittel ist. Eine große Sorge dabei ist, dass der Patient das „alte“ Produkt aufbraucht und zusätzlich das „neue“ Produkt einnimmt. Noch schwieriger ist zu vermitteln, dass das „neue“ Produkt erst genommen werden soll, wenn das „alte“ verbraucht ist. Daher wird in vielen Fällen der Rest der alten Packung auf dem Müll landen. Der Restinhalt wird verschwendet. Dann steigt die Zahl der verordneten Tagesdosen, obwohl die Patienten nicht mehr einnehmen. Jede Rabattvertragsumstellung birgt damit ein Risiko für eine sinnlos steigende Verschreibungsmenge. Auch diese Verschwendung muss von den angeblichen Einsparungen abgezogen werden. Dabei schlägt der Apothekenverkaufspreis für die verschwendete Menge zu Buche und nicht nur die Differenz zum teureren Vergleichsprodukt.

Zusätzliche Kosten der Krankenkassen

Das dritte Problem betrifft zusätzliche Kosten der Krankenkassen an anderer Stelle, die den Einsparungen gegenüberstehen. Dies sind zunächst die Kosten für die Ausschreibung, die Auswertung der Angebote und die Überwachung der Verträge, also zusätzliche Verwaltungsausgaben. Wichtiger und wahrscheinlich viel teurer sind die zusätzlichen Behandlungen von Patienten als Folgen der Rabattverträge. Einerseits betrifft dies die Non-Adhärenz von Patienten, die dem „neuen“ Produkt trotz der guten Worte aus der Apotheke nicht trauen. Andererseits können Unterschiede der formal austauschbaren Arzneimittel zum Problem werden, wenn Apotheker „pharmazeutische Bedenken“ nicht erkennen, unterschätzen oder zu zurückhaltend umsetzen. Beide Varianten können eine gut eingestellte Therapie entgleisen lassen. Das führt vielleicht nur zu einem zusätzlichen Arztbesuch, aber vielleicht sogar zu einer Notaufnahme im Krankenhaus und einer teuren Behandlung. Diese Folgen für die Patienten würden zu einer Gesamtbilanz der Rabattverträge gehören. Doch sie interessieren auch in einer rein ökonomischen Betrachtung für die Krankenkassen. Denn sie lösen zusätzliche Behandlungskosten aus.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Auch für nicht Studierende der "Wirtschaftswissenschaften" verständlich

von Andreas Grünebaum am 07.04.2017 um 18:37 Uhr

Man kann es einfach so ausdrücken:
In einem Markt bietet ein Händler meinetwegen einen PC-Monitor der Marke "Billig" und einen völlig gleichwertigen Monitor der Vertriebsmarke "noch Billiger" vom gleichen Hersteller an. Der Händler verdient an beiden Geräten die gleiche Marge x Euro. Der eine Monitor kostet 500 Euro, der andere 600 Euro. Der Kunde fragt nach einem Rabatt. Der Händler erklärt ihm, dass er auf den 500 Euro Monitor keinen Rabatt geben könne. Nach harten, sich hinziehenden Verhandlungen erhält der Käufer endlich vom genervten Verkäufer 17% Rabatt für das Display des Herstellers "billiger" für 498 Euro. Seiner Frau erzählt er aber nicht, dass er nach Tagelangen Verhandlungen gerade einmal 2 Euro oder mithin 0,4% Rabatt ausgehandelt habe, sondern, dass er 17% Rabatt oder sogar 102 Euro Rabatt erhalten habe.

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"Rabattverträge" mit Hintergrund

von Heiko Barz am 07.04.2017 um 11:51 Uhr

Der umfangreiche Bericht, Herr Dr. Müller-Bohn, liest sich für uns nicht Wirtschaft Studierte recht kompliziert, aber das Wesentliche sollten wir verstanden haben.
Zum Einen die immer noch nebulösen Rabatteinnahmen der KKassen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht veröffentlich zu werden brauchen. Zum Anderen die von Ihnen aufgezeigten "Außenbelastungen".
Was haben denn die unbezahlten und verpflichteten Ausgaben, die diese katastrophalen "Industrie-Rabattverträge" der KKassen bei den 'Anbietern' ausgelöst haben, mit dem bilanzierten Gewinn der Kassen zu tun?
Diese fiktive Zahl 3,5 Milliarden € ist doch, wie Sie im Einzelnen belegen fast, ausschließlich durch die Apotheken erarbeitet worden, nur ist die damit verbundene Mehrbelastung ( Rabattentzug , Personalzuwachs, Computeraufrüstung, Vertiefung des Warenlagers, Ausweitung des Lieferservices, maßlos nach wegelagerer Art abgegriffenen Regresse,etc) noch nie finanziell bewertet und angeglichen worden.
Im Gegenteil es wird weiter auch noch am Skontorad gedreht, auch da droht uns Unheil, und auch das wird wie üblich geschluckt und verdaut werden.
Dabei beziehe ich mich direkt auf Ihre Eingangsaussage, wir Apotheker hätten uns über die Jahre mit dem Enteignungssystem der sogenannten "Rabattverträge" engagiert. ( die für uns ja eben gar keine sind, aber im Gespräch mit den Patienten immer als Apothekengewinn verstanden werden, wie auch mit den Rezept Zuzahlungen )
Ich glaube nicht, dass Sie mit dieser Aussage die Meinung eines Großteils der Deutschen Apothekerschaft treffen.
Vergessen sollten wir nicht, dass in diesem Milliarden Poker es auch einen zu selten benannten Kapitalwert von ca. 25 Milliarden € bei den KKassen gibt.
Und wir, wir werden immer weiter von den KKassen 'sklavisiert' und sicher bald auch 'skelettiert'.
Die Kassen berufen sich natürlich immer auf das Sozialgesetzbuch 5.
Wer bestimmt dazu eigentlich die Kriterien?

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