Neuer Referentenentwurf

Feinschliff für Gröhes Gesetz zum Rx-Versandhandelsverbot

Berlin - 25.01.2017, 11:40 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Gesetzentwurf für das Versandverbot von Rx-Arzneimitteln überarbeitet. (Foto: dpa)

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Gesetzentwurf für das Versandverbot von Rx-Arzneimitteln überarbeitet. (Foto: dpa)


Das Bundesgesundheitsministerium hat den Referentenentwurf zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln überarbeitet. Die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen sind zwar unverändert – doch die Begründung ist nun anders aufgebaut und enthält neue Aspekte.

Mitte Dezember hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe seinen ersten Entwurf eines Gesetzes zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vorgelegt. Seitdem ist er bemüht, den Koalitionspartner SPD für seine Pläne zu gewinnen – ein nicht ganz einfaches Unterfangen.

Nun hat das Ministerium nochmals am Gesetzentwurf gefeilt. Dies betrifft zwar nicht die schon im Dezember genannten konkreten Änderungsvorschläge im Arzneimittelgesetz, Apothekengesetz, Betäubungsmittelgesetz und in der Apothekenbetriebsordnung. Hier bleibt alles beim Alten: Rx-Arzneimittel sollen nicht mehr versendet werden dürfen und es gibt neue Vorgaben für den Botendienst. Auf die Idee von Karl Lauterbach (SPD), das Versandverbot mit einer Zuzahlungsbefreiung für Chroniker zu verbinden, geht der Entwurf nicht ein. 

Ziel des Gesetzes: Gesundheitsschutz

Was sich im neuen Entwurf allerdings geändert hat, ist die Begründung zum allgemeinen Teil des Gesetzes. Auffällig ist das bereits beim erklärten Ziel des Gesetzes. Im Dezember hieß es noch: „Das Ziel des Gesetzes ist es, die bestehende Struktur der flächendeckenden, wohnortnahen und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auch weiterhin zu gewährleisten.“ Nun lautet es an dieser Stelle: Ziel sei es, „zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln sicherzustellen. Dazu wird der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten“. Der Gesundheitsschutz ist also ausdrücklich in den Vordergrund gerückt. Das ist verständlich. Der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen kann schließlich europarechtlich ein Rechtfertigungsgrund für nationalstaatliche Maßnahmen sein, die in den Binnenmarkt eingreifen. Und genau darauf muss das Ministerium abheben, soll das Gesetz das Notifizierungsverfahren unbeschadet überstehen.

Auch beim weiteren Lesen wirkt die Begründung nun differenzierter. Es werden mehr korrespondierende Normen (zum Beispiel das Rabattverbot nach § 7 HWG) genannt, mehr Zahlen angeführt – etwa zur Entwicklung der Apothekenzahl in den vergangenen Jahren – und genauer ausgeführt, warum das Rx-Versandverbot eine geeignete Maßnahme ist, das erklärte Ziel zu erreichen. Letzteres ist für die juristische Prüfung ebenfalls ein bedeutsamer Begriff, der im ersten Entwurf nicht vorkam.

Beispielsweise weist die Begründung nun auf bestehende Verpflichtungen von Präsenzapotheken zur Vorratshaltung hin, die auch im Hinblick auf Krisensituationen relevant seien (§ 15 Abs. 1 ApBetrO). Sie müssten etwa die ortsnahe und kurzfristige Verfügbarkeit von lebenswichtigen Impfstoffen und Sera organisieren, um akute lebensbedrohliche Notfälle behandeln zu können. Versandapotheken seien hingegen vom Transportweg, sowohl bei der vorgelagerten Übermittlung von Verschreibungen als auch bei der Auslieferung, von externen Dienstleistern abhängig. Eine zeitliche Verzögerung, bis das dringend benötigte Arzneimittel beim Patienten ankommt, ergebe sich schon durch den Transport.

Heute ist die Situation anders als 2004

Andres als zuvor macht das Ministerium nunmehr auch deutlich, warum es heute andere Annahmen zum Arzneimittelversand trifft als bei dessen Einführung im Jahr 2004: Seinerzeit galten nämlich gleiche Wettbewerbsbedingungen für ausländische Versandapotheken und inländische Apotheken. Tatsächlich war seinerzeit oft die Rede von „gleich langen Spießen“, die nötig seien, um die Öffnung für den Versand zuzulassen. „Unter diesen Bedingungen konnte dem Versandhandel eine ergänzende Funktion im Rahmen der Arzneimittelversorgung zuerkannt werden, ohne das Gesamtsystem der Gesundheitsversorgung zu gefährden“, stellt das Ministerium fest.

Doch nun sieht es anders aus: Nach dem EuGH-Urteil sind die weiterhin an das deutsche Preisrecht gebundenen Apotheken gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz im Wettbewerb benachteiligt. Die Folge: Gerade wirtschaftlich schwächer aufgestellte Apotheken in weniger begünstigten Lagen würden wirtschaftliche Einbußen erleiden.

Detaillierter wird auch erläutert, warum das Rx-Versandverbot verhindert, dass Steuerungsinstrumente zum Erhalt der GKV unterlaufen werden – Stichwort Zuzahlungen und Festbeträge.

Keine milderen Mittel ersichtlich

Nicht zuletzt geht die Begründung nun auch explizit auf mildere Mittel als das Rx-Versandverbot zur Erreichung des Ziels ein. Zuvor waren die Freigabe der Arzneimittelpreise und eine Stärkung der Apotheken durch bessere Honorierung zwar schon im Unterpunkt „Alternativen“ des Gesetzentwurfs genannt. Nun wird ihnen aber schon vorher Platz eingeräumt – zusammen mit weiteren Optionen. Im Auge hat das Ministerium offenbar den von der SPD-Fraktion ins Spiel gebrachten Vorschlag, über § 129 SGB V Rabatte zu begrenzen: „Die Möglichkeit, Versicherten begrenzte Rabatte zum Beispiel in Form von Bargeld oder Gutscheinen für als Sachleistung gewährte Arzneimittel zu gewähren, liefe dem Gedanken des auf dem Sachleistungsprinzip beruhenden solidarisch finanzierten Systems der Gesundheitsversorgung zuwider. Darüber hinaus stünden angesichts der Entscheidung des EuGH vom 19. Oktober 2016 (C-148/15) einer Regelung, die auch für ausländische Versandapotheken eine Begrenzung von Rabatten vorsieht, europarechtliche Bedenken entgegen“.

Das Ministerium kommt letztlich zu dem Ergebnis: „Es sind keine gegenüber dem Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln milderen, ebenso zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele geeigneten Regelungen ersichtlich.“

Etwas mehr Raum nimmt im neuen Entwurf auch die Begründung ein, warum das Gesetzesvorhaben mit dem Europarecht vereinbar ist. Schon in der ersten Version wurde darauf hingewiesen, dass der EuGH mit seinem Urteil vom Dezember 2003 den Mitgliedstaaten das vollständige Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus Gründen des Gesundheitsschutzes zugebilligt habe. Zudem führe Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG aus, dass der Rx-Versandhandel durch die Mitgliedstaaten grundsätzlich verboten werden könne – was auch die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten getan habe.

Zum Schluss schließt sich dann die Klammer zum eingangs erwähnten Ziel des Gesetzes: Das Verbot des Rx-Versandhandels stelle zwar eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar. Diese sei jedoch aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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