BVDVA-Chef Christian Buse

„Apotheker brauchen mehr Handlungsspielraum“

Berlin - 25.01.2017, 17:00 Uhr

Christian Buse, Vorsitzender des BVDVA sieht keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Arzneimittel-Preisbindung und der Versorgungsqualität. (Foto: P. Külker)

Christian Buse, Vorsitzender des BVDVA sieht keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Arzneimittel-Preisbindung und der Versorgungsqualität. (Foto: P. Külker)


Mehr Solidarität mit höherer Notdienstpauschale

DAZ.online: Fühlen Sie sich als Kammermitglied von der ABDA nicht ausreichend genug vertreten?

Buse: In vielen Dingen wird bei der ABDA gute Arbeit geleistet, aber in der Thematik hat man sich verrannt. Im Frühling 2016 hat der Generalanwalt des EuGH in seinen Schlussanträgen erklärt, dass er ausländischen Versandapotheken Rx-Boni erlauben würde. Die ABDA hätte schon damals auf uns zukommen können und gemeinsam mit dem BVDVA einen Lösungsvorschlag erarbeiten können, sie zog es aber vor, das Plädoyer zu ignorieren. Was jetzt passiert, ist, dass die ABDA mit Ängsten spielt und eine Kampagne fährt, die deutliche anti-europäische Züge hat – das kann ich nicht gutheißen. Früher waren es der Fremd- oder Mehrbesitz und Rabattverträge, jetzt sind es der Versandhandel, TTIP und Rx-Boni – alles ist Teufelszeug, das dazu führen kann, dass die flächendeckende Versorgung zusammenbricht. Ich glaube, dass es einem Berufsstand nicht gut tut, so angstgeprägt zu sein.

DAZ.online: Wenn Sie die Ansichten der ABDA in keiner Weise nachvollziehen können, warum hätten sie dann mit der Apothekerschaft gerne zusammen einen Plan B entwickelt?

Buse: Ich sage nicht, dass das Thema flächendeckende Versorgung nicht für die Zukunft wichtig ist, aber ich finde, dass die Kampagne der ABDA am Thema vorbei geht. Wie oft will man die Karte noch ziehen? Wir haben ein Modell entworfen, das einerseits die flächendeckende Versorgung  stärkt und andererseits für Solidarität im Berufsstand sorgt.

DAZ.online: Ist es das Modell mit der erhöhten Notdienstpauschale?

Buse: Die 16 Cent, die jeder Apotheker derzeit pro abgegebener Packung an den Notdienstfonds abführt, finanziert derzeit der Beitragszahler. Sie wurden als „Add on“ auf das Fixhonorar aufgeschlagen. Wir wollen darauf verzichten, den Gesetzgeber erneut nach einer Erhöhung dieser 16 Cent zu Lasten der Beitragszahler zu fragen, sondern das innerhalb des Berufstandes organisieren. Die Apotheker würden einen sehr kleinen Teil ihrer Apothekenmarge zusätzlich an den Fonds abführen und somit solidarisch Apotheken stärken, die viele Notdienste leisten. Perspektivisch könnte bei jeder Honorarerhöhung automatisch ein gewisser Prozentsatz in diesen Fond fließen.

DAZ.online: Ein ähnliches Modell gibt es in Dänemark, allerdings auf den Umsatz bezogen. Große Apotheken zahlen dort in einen Fonds ein, von dem Apotheken profitieren, die unter einer gewissen Umsatzlinie abschneiden…

Buse: Auch bei uns würde bei unserem Vorschlag das Prinzip gelten: Starke Schultern stützen die Schwächeren. Schließlich sind dann weiterhin die großen (Versand-) Apotheken die größten Nettozahler in den Notdienstfonds.

DAZ.online: Wie hoch sollte denn der Cent-Betrag Ihrer Meinung nach sein, den Apotheker aus ihrer Marge abschneiden müssten?

Buse: Das will ich nicht entscheiden. Der Deutsche Apothekerverband ist Träger des Nacht- und Notdienstfonds. Man weiß, dass Apotheken durch die 16-Cent-Regelung derzeit etwa 280 Euro pro Volldienst erhalten. Je nachdem wie hoch man die Pauschale haben möchte, müsste man also die zusätzlichen Abschläge anpassen. Wichtig ist dabei, das Geld bleibt im System und wer keinen oder weniger Notdienste macht, partizipiert auch weniger, als derjenige der aufgrund einer regional geringeren Apothekendichte mehr Dienste leistet. Apotheken auf dem Land würden mit einem Schlag wirtschaftlich interessanter.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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9 Kommentare

Docmorris und BVDVA

von Marius am 26.01.2017 um 19:01 Uhr

"Uns ist kein konkreter Vorschlag von DocMorris bekannt." Dabei ist der ZurRose Chef doch Schatzmeister von BVDVA. Zufall, dass sich die Interessen also überschneiden?

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Falsche Fragen

von Andreas B am 26.01.2017 um 12:52 Uhr

Es werden in den Interviews mit Herrn Buse und Meyer meiner Meinung nach die wichtigsten Fragen weggelassen: Die Versandapotheken betonen keinen Konkurrenz zu sein und das auf dem Land die Versorgung wichtig wäre. Das Apotheken nicht darunter leiden würden, wenn Boni gegeben werden. Wie das Höchstpreismodell, wo Landapotheken halt den Höchstpreis verlangen können und andere Boni geben dürfen. Wenn aber die Landapotheken wie schon richtig gesehen die Boni nicht geben können, dann können Sie es auch nicht überleben, wenn chronisch Kranke Patienten plötzlich durch die - aktuell ja auch agressiver den je werbenden - Versandapotheken beliefert werden. Warum wird plötzlich so viel in Werbung gesteckt? Warum sind die Boni nötig, die sie ja allesamt so unbedingt geben wollen - schließlich waren damit ja auch alle unter gleichen wettbewerblichen Voraussetzungen? Wie soll das funktionieren, den Umsatz zu steigern ohne örtlichen Apotheken zu schaden, da die Anzahl der Chroniker ja nicht plötzlich sprunghaft steigen wird? Warum haben Versandapotheken einen Anspruch auf "verlässliche Politik", stationäre jedoch nicht? Verursachen durch Boni abgeworbene Patienten nicht erst den Verorgungsmangel auf dem Land, den die Versandapotheken schließen wollen - wo die beiden Belieferungsformen sich doch derzeit ach so gut ergänzen? Wenn wir derzeit so viel MAngel auf dem Land haben, wo sind dann die ganzen Zweig- und Notapotheken? Die Interviews sind zwar nett gemeint, aber viel zu brav. Ich meine, dass diese Fragen hier nicht unzumutbar wären und ich würde mich sehr über die Antworten freuen.

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Herr Buse "schiebt Wasser die Wand hoch".

von Christian Timme am 26.01.2017 um 1:20 Uhr

Wenn ich Chroniker wäre und mich entscheiden dürfte zwischen Entlastung oder Linderung. Herr Buse, darf ich mich für die Linderung entscheiden?. Und noch etwas, Spagat können Sie nicht und das mit den "Kausalitäten" können Sie auch nicht. Einen haben Sie noch ... Danke für Ihre Bemühungen.

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Klare Sprache

von Reinhard Rodiger am 25.01.2017 um 20:36 Uhr

Wenn Herr Buse sagen würde: " wir haben die OTC-Marge so versaut, dass Produkte mit höherem Stücknutzen her müssen, um zu überleben" wäre das klare Sprache.Egal woher und mit welchen Mitteln.
Erkennt er wirklich nicht, dass das gleichartige Zerschiessen seiner Margen etwas später zum gleichen Händeringen führt.?
Spätestens dann stehen die wirklich Grossen bei Fuss, um easy zu übernehmen.
Wirksam aus dieser Spirale zu entkommen führt über Preiserhöhung von OTC.Besser als Korruption.
War das nicht der Weg des EUGH?? Die Hälfte gilt nicht?

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AW: Klare Sprache von Wasserschiebern die nicht schwimmen können.

von Christian Timme am 26.01.2017 um 3:01 Uhr

Das Problem vom Problem. Preisdumping und Logistik killt Fläche. Konzentration killt sich am Ende selbst. Eine Zukunft der Verdichtung erwartet uns. Es wird immer enger. Mission accomplished!.

Schön verpackte Lügen

von Anita Peter am 25.01.2017 um 20:21 Uhr

„Apotheker brauchen mehr Handlungsspielraum“

SIE wollen mehr Handlungsspielraum um die Vor Ort Apotheken ausbluten zu lassen. Nennen Sie das Kind wenigstens beim Namen.

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EuGH

von Dr. Radman am 25.01.2017 um 18:11 Uhr

Eines Tages wird Herr Buse selbt den RX-Vesandverbot fordern, wenn er von grosseren Fische verdrängt würde.

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Jeder Frosch sitzt in seinem eigenen Teich

von Christiane Patzelt am 25.01.2017 um 17:47 Uhr

Die Argumentation eines Herrn Buse unterscheidet sicht Null von der eines Herrn Max Müllers. Warum sollte sie sich auch unterscheiden, haben doch beide für sich ein anderes Geschäftsmodell entwickelt (wobei Herr Buse eine Zwitterposition mit vor-Ort+ Versand hat -- da will DocMo auch noch mal hin, gibt es in der Schweiz doch schon den "zurRose-Flagshipstore" ). Was beide leider komplett outgesourct haben ist die Zukunft! Glauben beide denn etwa, dass sie die Player im Versand BLEIBEN? Das übernehmen auf kurz oder lang die Großen wie Amazon. Amazon gönnt sich Max Müller zum Frühstück und nimmt Buse als petit second dejeuner. Von Herrm Müller hab ich die Antworten erhalten, die ich erwartet habe. Von Herrn Buse könnte ich mehr Weitsicht erwarten...könnte. Stelle man sich doch mal vor, dass die deutschen Versender eine Position finden, die uns vor-Ortler nicht als flächendeckendes Opfer in Kauf nehmen. Das ist genau das, was Herr Buse hier tut -- ihm ist ( ganz apothekenüblich ) das Hemd näher als die Hose. Unterm Strich zählt er und seine Geschäftsidee! Er erwartet von uns, dass wir seine Geschäftsidee respektieren, während er unseren Daseinsverlust in Kauf nimmt. Mit keinem Wort erwähnt er die unfairen und ungleichen Verhältnisse seit dem 19.10.16. Er kaut das Gesusel von DocMorris wider und das ist der Punkt wo ich sage, das ist mir zu wenig/zu niederländisch/schweizerisch/saudisch.

Ich halte es für ein Gerücht, dass der Versand so besonders in die Vororte liefert und in die dünn besiedelten Gebiete (was auch immer das sein mag bei einer Bevölkerungsdichte von im Schnitt 230 Einwohner pro qkm.). Ich habe keinen, wirklichen keinen Grund, warum Arzneimittel versendet werden müssen! Warum Arzneimittel in Autos geparkt werden müssen als alternative Zustellung! Warum man einen Distributionsweg wählen muss, der den direkten Kontakt unmöglich macht. Warum müssen Arzneimittel im kleinen Paket mit großen Diesel-LKWs durch Deutschland gefahren werden, Verpackungsmaterial-Müllberge produziert werden, Arbeitsplätze vor Ort geopfert werden?
Und jetzt kommen Sie mir nicht mit Digital--das Internet ist ein riesiger Marktplatz für Konsumgüter und der Jacob, der am lautesten schreit ( 30 € auf ihr Rezept als Bonus), macht das Geschäft. Als das pathetische Geschwurbel von wegen " die Beschränkung auf den OTC-Versand gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung " ist nicht nachvollziehbar!!
Mit dem Urteil werden wieder mehr vor Ort - Apotheken entstehen und die individuelle Versorgung wird gestärkt!! Das ist auch Job-Motor in Deutschland -- schlüssig auch mit der Förderung für Landärzte!
Ich möchte mir mein berufliches Werden nicht von Versandapotheken vorschreiben lassen, die haben in meinen Augen schon genug Unheil angerichtet (Bagatellisierung der Arzneimittel/-therapie).

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Verlogener Blender...

von Michael Weigand am 25.01.2017 um 17:47 Uhr

...Eine Deckelung von 2,50 als Deckelung zu bezeichnen. Ich denke die meisten Kollegen würden das als Sargnagel bezeichnen. Zumal der Herr Buse mal wieder geflissentlich weglässt, dass docmorris ja sogar befreiten Patienten Fangprämien zahlt. Da die sich "pfändungssicher" im Ausland befinden, sind denen jegliche Deckel egal...Herr Buse weiß sehr wohl, dass laut Rahmenvertrag sich docmorris auch jetzt an das boni-Verbot halten müsste...ist denen nur egal.
Herr Gröhe hat das schon richtig erkannt. Nebenbei sollte Herr Buse, wenn er mehr als zwei Gehirnzellen hat, wissen, dass die Kassen dann die boni haben wollen und auch bekommen werden. Vielleicht ist Herr Buse ja auch im Bereich Hilfsmittel unterwegs...vor fünf Jahren wären die heutigen Selektivverträge im Bereich Hilfsmittel auch kaum vorstellbar gewesen. Den Rollator von x, das Bett von y und den Badewannenlifter vom Versand....also Diabetesmedikamente nur noch von docmorris, gell...

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