Europa, Deine Apotheken – Schweden

Missglückte Deregulierung?

30.12.2016, 11:00 Uhr

In Schweden versorgt eine Apotheke im Schnitt etwa 7.000 Bürger. (Foto: dpa)

In Schweden versorgt eine Apotheke im Schnitt etwa 7.000 Bürger. (Foto: dpa)


DocMorris und Co. gehen nach Schweden

Doch die Aufteilung der Staatskette hatte einen geringeren Effekt auf die Versorgung als die Aufhebung des Fremdbesitzverbotes. Denn in den kommenden Jahren stiegen mehrere Unternehmen in den schwedischen Markt ein. Celesio eröffnete DocMorris-Apotheken, die inzwischen „Lloydsapotek“ heißen. Etwa 100 Apotheken kontrolliert der Stuttgarter Pharmahändler in Schweden. Der Supermarktkonzern ICA eröffnete bis 2014 weitere 70 Apotheken. Der Weltkonzern Walgreens Alliance Boots startete überraschenderweise erst sehr spät mit einem Franchise-Konzept, hatte mit seinen Boots-Apotheken aber nicht allzu viel Glück im Markt. Außerdem ist es inzwischen zu weiteren Marktkonzentrationen gekommen: ICA hat im vergangenen Jahr die Kette Apotek Hjärtat übernommen und ist nunmehr Marktführer in Schweden.

Nach der Deregulierung beobachteten die Schweden ihren Apothekenmarkt sehr genau. Nicht mit allen Entwicklungen ist die Politik zufrieden. Denn die reine Apothekenzahl hat sich zwar innerhalb von zwei Jahren um 300 gesteigert (1.242 Apotheken im Jahr 2011). Auch die Apothekendichte ist nicht mehr so gering: Inzwischen versorgt eine Apotheke im Schnitt etwa 7.000 Bürger. Allerdings zeigt sich, dass die Unternehmen die neuen Standorte insbesondere in den städtischen Regionen im Süden des Landes eröffnet haben.

Fast keine Apotheke eröffnete im schlecht versorgten Norden. Auch von Vielfalt ist keine Spur: Von den wenigen unabhängigen, neuen Apotheken mussten einige wieder schließen. Hinzu kam, dass sich schon 2011 eine gewisse Marktsättigung im Süden zeigte, als die Kettenunternehmen ein paar ihrer Standorte wieder schlossen. Celesio gab schon 2011 16 seiner neuen Apotheken wieder auf. In den vergangenen Jahren ist die Apothekenzahl daher auch weniger rasant angestiegen. Insbesondere Celesio hatte außerdem Probleme mit der Personalbeschaffung: Obwohl die Regierung die Bedingungen zur Apothekenleitung herabgesetzt hatte, finden die Unternehmen bis heute nur schwer genügend Mitarbeiter.

Auch die Apotheker selbst sind von Entwicklungen nicht überzeugt: Eine Studie der Universitäten in Kopenhagen und Uppsala führte repräsentative Umfragen unter Apothekenangestellten durch. Eine Befragung fand vor der Liberalisierung statt, zwei danach (2012 und 2013). Unter dem Strich kommt das neue System beim Apothekenpersonal nicht besonders gut weg. Dies gilt vor allem für die Sicherheit der Patienten. Innerhalb des früheren Staatsmonopols sei großer Wert auf Qualitätsmanagement und Sicherheitsaspekte gelegt worden, stellen die Autoren fest. Als Grund hierfür wurde der Druck des Managements angegeben, Zusatzprodukte verkaufen zu müssen und Marketingkampagnen zu fahren. Mehrere Verbraucher-Umfragen zeigten ein ähnliches Bild.

Seit dem Deregulierungs-Gesetz dürfen in Schweden bestimmte OTC-Arzneimittel auch außerhalb von Apotheken verkauft werden. Der Gesetzgeber hatte sich durch diese Maßnahme erhofft, dass die Preise in diesem Bereich durch den Wettbewerb sinken. Mehr als 5.000 Supermärkte, Drogerien, Tankstellen oder andere Geschäfte haben seitdem eine Konzession zum OTC-Verkauf erhalten. Eine Studie der schwedischen Aufsichtsbehörde aus dem Jahr 2014 hatte ergeben, dass die OTC-Preise tatsächlich bis zu 40 Prozent gefallen seien. Aber auch hier fällt auf: Nur 4 Prozent dieser Abgabestellen sind in dünn besiedelten Gebieten etabliert worden. Eine positive Entwicklung zeigt die Studie der Aufsichtsbehörde in Sachen Öffnungszeiten: Im Schnitt haben die schwedischen Apotheken nach der Deregulierung nun mehr als 50 Stunden pro Woche ihre Pforten geöffnet, die Anzahl der am Sonntag geöffneten Apotheken hat sich demnach fast verdreifacht.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Schweden ein Vorbild??

von Heiko Barz am 31.12.2016 um 18:50 Uhr

Mit Verlaub, solch eine unübersichtliche und auch von Arzneimittelkraken beherrschte Medikamentenversorgung kann doch wohl nicht mit der bei uns - noch - bestehenden Verbreitung auch nicht einmal andeutungsweise verglichen werden.
Wenn man dabei erkennt, dass, wahrscheinlich aus rein merkantilen Gründen der "Apo-bachelor" ins Spiel gebracht wird, dann mal gute Nacht Pharmazie!!
So wird ein Beruf systematisch durch unwissende, qulitätsnegierende und nur im Moment der politischen Wahrnehmung lebenden "Volksvertreter" zu deren Interessenlage verramschst.
Das alleine ist schon als katastrophal einzuschätzen, doch um Grade schlimmer ist die Situation der anscheinend völlig unwichtig gewordenen Patienten, um deren Wohl es im Grunde eigentlich geht.
Hauptsache die Konzerne können so agieren, wie sie für ihre Aktionäre zum Vorteil handeln.
War nicht Schweden einmal ein sozialer Vorzeigestaat?
Lauterbachs gibt es anscheinend überall und sie sind auch überall medial mit ihrem Schwachsinn vertreten.
Wer schwingt sich auf, diesen Vergiftern das Handerk zu legen?
Es ist - noch - fünf vor 12!! Herr Friedemann Sch.

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