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FDP-Vize Strack-Zimmermann
„Wenn die Apotheker nicht mitmachen, werden sie überrollt“
Fremd- und Mehrbesitzverbot aufheben, keine Debatte über Apothekenketten führen, den Markt vollständig liberalisieren, das Rx-Versandhandelsverbot auf den Weg bringen. Kaum zu glauben, aber das sind Meinungen aus einer Partei – der FDP. DAZ.online wollte wissen, wohin die FDP steuert und hat bei der für das Thema Gesundheit zuständigen stellvertretenden Bundesvorsitzenden, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, nachgefragt.
Die FDP hat in den vergangenen Monaten für mehrere Aufreger im Apothekenmarkt gesorgt. Im September preschte Matthias Fischbach, Vorstandsmitglied der FDP Bayern, vor und machte darauf aufmerksam, dass man einen neuen Anlauf auf die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes unternehmen sollte. Nur wenige Tage später kassierte Daniel Föst, Generalsekretär der FDP Bayern, diese Aussagen im Interview mit DAZ.online wieder ein und sagte, man brauche keine Phantomdebatte über Apothekenketten, weil der Apothekenmarkt gut funktioniere.
Aber auch die Positionen der Liberalen nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung sind bestenfalls unklar. In Baden-Württemberg fordern FDP-Landtagsabgeordnete, dass das Rx-Versandverbot schnell auf den Weg gebracht werden solle. Bundes-FDP-Chef Christian Lindner forderte zuletzt aber, dass man die Chance nutzen solle, um mehr Wettbewerb in den Markt zu bringen. Auf Nachfrage wollte sich Lindner gegenüber DAZ.online nicht persönlich dazu äußern, was er genau mit seinen Äußerungen meinte. Er verwies auf seine Stellvertreterin, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die im FDP-Vorstand für das Thema Gesundheit verantwortlich ist.
Keine Schutzzonen für Apotheker
DAZ.online: Frau Strack-Zimmermann, in Baden-Württemberg fordern die Liberalen ein schnelles Rx-Versandverbot. Sie und Christian Lindner wünschen sich nach dem EuGH-Urteil weitgehende Marktöffnungen. Wohin steuert die FDP?
Strack-Zimmermann: Die Freien Demokraten steuern dahin, wo Deutschland hin gehört, nämlich endlich wieder konsequent den Weg der Sozialen Marktwirtschaft einzuschlagen. Da haben auch im Interesse der Patientinnen und Patienten Abschottung, Regulierung und Schutzzonen nichts verloren. Dass es da in der Detailarbeit unterschiedlichste Nuancen gibt, ist doch klar, und auf die legen wir auch innerparteilich sehr viel Wert.
DAZ.online: Sie sagten, nach dem EuGH-Urteil müsse der Markt „vollständig“ geöffnet werden. Können Sie und die Bevölkerung beispielsweise auf Landapotheken verzichten, wenn diese schließen müssen, weil der wirtschaftliche Druck zu hoch war?
Strack-Zimmermann: Die inhabergeführte Apotheke möchte wahrlich keiner missen. Aber man muss wissen, dass gerade in strukturschwachen Regionen, wo es immer weniger Apotheken gibt, in Zukunft der Versandhandel eine wichtige alternative Vertriebsform sein wird, möchte man auch dort die Menschen mit Medikamenten schnellstmöglich versorgen. Das schließt natürlich nicht aus, dass auch in Zukunft die Freien Demokraten an der Seite der Apotheker stehen werden. Sie sind ein Garant für eine gute Arzneimittelversorgung. Insbesondere in Städten und Gemeinden sind sie außerdem ein wichtiger Bestandteil des urbanen Umfeldes. Das EuGH-Urteil überrascht mich aber nicht. Europa steht für einen freien Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Wir können uns dieser Entwicklung gegenüber nicht versperren, auch die Apotheker nicht.
Vorwürfe in Richtung ABDA
DAZ.online: Sie meinen also, das wird nicht das letzte Signal aus Europa in Sachen „Deregulierung“ gewesen sein?
Strack-Zimmermann: Absolut nicht. Das beste Beispiel ist das Rx-Versandhandelsverbot, das Minister Gröhe derzeit plant. Aus unserer Sicht würde das Verbot maximal ein bis zwei Jahre Bestand haben, dann würde auch diese Regelung nach mehreren Gerichtsurteilen wieder von der EU gekippt werden. Genauso ist es übrigens mit der Digitalisierung. Wir und die Apotheker sollten versuchen, diese Entwicklungen nicht auszubremsen. Wir sollten sie aktiv mitgestalten.
DAZ.online: Ist das ein Hinweis an die Interessenvertreter der Apotheker?
Strack-Zimmermann: An alle, die in diesem Bereich unterwegs sind. Das e-Rezept und die elektronische Patientenakte wird es geben. Wenn die Apotheker da nicht mitmachen, werden sie von der Entwicklung schlichtweg überrollt. Es ist ganz einfach: Der Kunde bestimmt, wo es hingeht. Die Zukunft hat schon begonnen, dagegen werden sich auch die Verbände nicht wehren können.
Nicht zu viel Regulierung für Apotheker
DAZ.online: Eben sagten Sie noch, dass Sie die Apotheke vor Ort sehr schätzen und nicht missen wollen. Warum möchten Sie denn dann trotzdem so viel verändern im Apothekenmarkt?
Strack-Zimmermann: Sollte es dazu kommen, dass die Rx-Preisbindung fällt oder Boni in begrenztem Umfang erlaubt werden, müssen wir dann natürlich dafür sorgen, dass die Apotheker genau diese Möglichkeit des freien Handels bekommen und in ihrem Unternehmen nicht blockiert und immer wieder reguliert werden. Apotheker haben eine enorm wichtige Rolle bei der Beratung und Begleitung ihrer Kunden. Ihr Fachwissen und ihre Beratungen neben der Packungsabgabe müssen wir besser honorieren.
DAZ.online: Wofür denn genau?
Strack-Zimmermann: Von einigen Apothekern, mit denen ich Kontakt habe, weiß ich beispielsweise, dass die Betreuung und die Dienstleistungen, die sie für Seniorenheime anbieten, nicht bezahlt werden. Apotheker legen die Medikation teilweise Tag für Tag zurecht, das sind im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtige Dienstleistungen. Und die müssen honoriert werden. Übrigens auch eine große Chance des niedergelassenen Apothekers den Versandhändlern gegenüber.
Rx-Boni und Dienstleistungs-Honorare
DAZ.online: Es ist ja nicht so, dass die Apotheker das nicht einfordern würden. Allerdings steht ihnen die Politik dabei sogar noch im Weg. Beispielsweise sind einige Aufsichtsbehörden der Meinung, dass Apotheker pharmazeutische Dienstleistungen gar nicht anbieten dürfen.
Strack-Zimmermann. Die Freien Demokraten stehen dem nicht im Weg. Der Gesetzgeber sollte dafür sorgen, dass die Apotheker Beratungsleistungen abrechnen können. Ich weiß auch, dass manche Ärzte gerne aufschreien, wenn es darum geht, die Apotheker enger in die Primärversorgung einzubinden. Aber auch die Mediziner sollten sich an dieser Stelle bewegen. Ich würde es beispielsweise als sinnvoll erachten, wenn Apotheker zumindest in ländlichen Gebieten, in denen es wenige Ärzte gibt, zum Beispiel impfen dürften. Wir sollten aber auch darauf achten, den Apothekern auf dem Weg in die Zukunft nicht immer wieder Knüppel zwischen die Beine zu werfen und Vorschriften reduzieren.
DAZ.online: Wie meinen Sie das?
Strack-Zimmermann: Wenn sich ein Markt verändert, dann darf das nie mit Zwang verbunden sein. Die Apotheker müssen also selbst entscheiden, ob und welche Dienstleistung sie anbieten. Ich bin auch dafür, dass man den Apothekern bei ihrem Produktportfolio mehr Spielraum lässt. Warum sollte es nicht möglich sein, dass Apotheker – wenn sie denn wollen – ihr Sortiment ausweiten?
DAZ.online: Wie steht die FDP eigentlich zum Solidarprinzip in der GKV? Ist es aus ihrer Sicht solidarisch, dass einige Patienten finanziell profitieren, weil sie sich die vermeintlich „richtige“ Apotheke ausgewählt haben? Gilt nicht in der GKV sonst das Prinzip „Gleicher Preis, gleiche Leistung“?
Strack-Zimmermann: In der Tat sind solche Boni-Modelle, die jetzt vom EuGH erlaubt wurden, in der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung nicht üblich. Trotzdem sind wir der Meinung, dass dieses Urteil auch eine Handlungsaufforderung ist, dass es künftig möglich sein muss, dass etwa Chroniker von Rx-Boni profitieren.
15 Kommentare
Sorry, falsche E-Mail-Adresse, oben die stimmige.
von Dr. Detlef Eichberg am 30.11.2016 um 9:31 Uhr
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Wandernde FDP-Minenfelder von der Vize für den Chef.
von Christian Timme am 29.11.2016 um 21:24 Uhr
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Wie bitte
von Stefan Haydn am 29.11.2016 um 15:16 Uhr
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FDP
von Heiko Barz am 29.11.2016 um 14:36 Uhr
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FDP
von Volker Köhler am 28.11.2016 um 18:45 Uhr
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AW: FDP
von Holger am 29.11.2016 um 8:22 Uhr
überrollt
von Christian Giese am 28.11.2016 um 15:23 Uhr
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Phantomdebatte
von Jochen Ebel am 28.11.2016 um 12:40 Uhr
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Postfaktische Tatsachen?
von Thomas Luft am 28.11.2016 um 12:38 Uhr
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Die Schutzzonen für Politiker sollten drastisch reduziert werden.
von Christian Timme am 28.11.2016 um 12:24 Uhr
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Zeichen der Zeit
von Anita Peter am 28.11.2016 um 12:11 Uhr
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Gewäsch einer Politikerin
von Karl Friedrich Müller am 28.11.2016 um 11:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Liberalisierung über alles
von C. Heiring am 28.11.2016 um 11:13 Uhr
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AW: Liberalisierung über alles
von Christian Timme am 28.11.2016 um 14:04 Uhr
FDP
von Frank ebert am 28.11.2016 um 9:53 Uhr
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