Zeitungsbericht

FDP-Chef Lindner will keinen „Naturschutz“ für Apotheken

21.11.2016, 10:15 Uhr

Für mehr Wettbewerb: FDP-Chef Christian Lindner macht sich in einem Interview dafür stark, dass nach dem EuGH-Urteil mehr Wettbewerb in den Apothekenmarkt einzieht. (Foto: dpa)

Für mehr Wettbewerb: FDP-Chef Christian Lindner macht sich in einem Interview dafür stark, dass nach dem EuGH-Urteil mehr Wettbewerb in den Apothekenmarkt einzieht. (Foto: dpa)


Die FDP kämpfte einst dafür, das bis 2003 bestehende Versandhandelsverbot für Arzneimittel beizubehalten. Vergeblich. Nachdem der Versand nun seit fast 13 Jahren erlaubt ist, hält der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner nichts von Verboten, „die uns in das letzte Jahrhundert katapultieren“.

Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen, will die FDP bei den Bundestagswahlen in einem Jahr wieder in den Bundestag bringen. Einst galten die Liberalen als Apotheker-freundliche Partei. Als die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gemeinsam mit ihrem grünen Koalitionspartner, aber auch mit der Union an ihrer Seite, im Jahr 2003 das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) erarbeitete, hatte sich die FDP früh als potenzielle Unterstützerin der großen Reform ausgeklinkt. Diese große Gesundheitsreform veränderte vieles im Gesundheitswesen. Den Apotheken bescherte sie – neben dem Kombimodell als neuem Honorierungssystem – unter anderem den eingschränkten Fremd- und Mehrbesitz sowie den Versandhandel mit Arzneimitteln. Die FDP hatte lange an der Seite der Apotheker gegen diesen Vertriebsweg gekämpft.

Mittlerweile sind seit dem Inkrafttreten des GMG fast 13 Jahre vergangen. Die Meinung der FDP zum Apothekenmarkt hat sich offenbar gewendet: In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Samstag) sagte Lindner, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) kürzlich „eine Lanze für den Apothekenwettbewerb gebrochen“ habe. Ausländische Versandapotheken dürfen jetzt Rabatte an Versicherte geben, wenn sie Rezepte einlösen. Die FAZ fragte den FDP-Chef, ob er es für eine gute Idee halte, dass Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) „auf Druck der deutschen Apothekenlobby“ den Rx-Versandhandel wieder verbieten will.

Seine Antwort: „Es muss Wettbewerb unterschiedlicher Angebote geben. Es wäre falsch, die Apotheken unter Naturschutz zu stellen und den Versandhandel zu verbieten. Wir brauchen aber einen fairen Wettbewerb“. Dabei scheint die FDP sich für Überlegungen der SPD zu erwärmen: „Apotheken sollten etwa für zusätzliche Beratungsleistungen und die Erbringung einer Grundversorgung besser vergütet werden“. Die Überlegungen des FDP-Chefs gehen noch weiter: Man müsse auch Begrenzungen des Sortiments infrage stellen, so Lindner, allerdings ohne dies näher auszuführen. Sein Resümee: „Statt Verbote, die uns in das letzte Jahrhundert katapultieren, brauchen wir bessere Regeln für Wettbewerb. Das bleibt Herr Gröhe leider schuldig.“


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

FDP- und SPD-Politiker wettern gegen Rx-Versandverbot

Lindner und Lauterbach sind sich einig

Bundespolitiker gegen Landesfraktion

FDP schwimmt in Versandverbot-Debatte

Das Verhältnis der Apotheker zur FDP – ein Gespräch mit Parteichef Christian Lindner

Tatsächlich „zerstört“?

Liberale schwanken zwischen Rx-Versandverbot und Zulassung von Fremd- und Mehrbesitz

Die FDP im Schlingerkurs

Eine unrühmliche Geschichte

Zwei Jahre EuGH-Urteil – Was ist passiert?

FDP-Chef Lindner zum Apothekenmarkt

„Diese Liberalisierung ist überfällig“

Meinungsaustausch beim Parteitag in Baden-Württemberg

Wie steht die FDP zu den Apothekern?

15 Kommentare

Christian Lindner hat recht!

von Andreas Grünebaum am 22.11.2016 um 21:52 Uhr

Was nützen denn "klare Bekenntnisse" von Seiten des BMG und Teilen der CDU zusammen mit einigen wenigen Stimmen aus der SPD? Das Ding mit dem Rx Verbot ist durch und darauf müssen sich die Apotheker - und ich gehöre auch dazu - einstellen. Es geht schon jetzt um einen Plan C und dazu gehört keinesfalls der "Naturschutz" für alle Apotheken. Wer möchte schon die soundsovielte Apotheke in Berlin schützen, wenn 15m entfernt die nächste ihre Türen geöffnet hat? Auch Lauterbach hat offen gesagt, was alle unter vorgehaltener Hand schon immer gesagt haben: der Deutschen "Landapotheke" (Anmerkung meinerseits: ohne Konkurrenzumfeld) geht es bestens. Ich kann auch das Gejammer der 15 Jahre meiner Selbständigkeit ertragen, als schon damals zum X. male die "Lichter in der Apotheke" symbolisch gelöscht werden sollten.
Neben dem typischen SPD Vorschlägen für "Beratungszuschläge" etc. finde ich in Christian Lindners Worten endlich auch mal Brauchbares: Wie wäre es z.B. mit Leistungsgerechter Bezahlung der Notdienste und Rezepturen, sowie BtM Abgabe? Schließlich müssten die Krankenkassen dies bezahlen und es würde kein armer Rentner deswegen mehr für seine Rezeptur oder den Notdienst bezahlen. Allerdings dürfte man auch davon ausgehen, dass dann 90% der Rezepturen, nämlich die "Vermeidungsrezepturen" der Geschichte angehören werden und das ist gut so. Ein Notdienst müsste mit einem Stundenlohn der höchsten Gehaltsstufe eines Approbierten zzgl. eines Zuschlages von mindestens 50% für die Nacht vergütet werden. Dies entspräche der Rechtsprechung der Vergütung in anderen Gesundheitsbranchen. Unter diesen Bedingungen könnte mann auch ohne AMTS über eine Höchstpreisgrenze reden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lindner hat Recht...

von ApoMünchen am 21.11.2016 um 20:02 Uhr

...und alle aufgescheuchten Hühner, die jetzt gegen ihn wettern zeigen nur, dass er jetzt mal einigen Monopolkapitalisten an die Pfründe geht. Also hat die FDP doch wohl sehr gut dazu gelernt. Statt Lobbyinteressen stehen sie hier für mehr Wettbewerb ein. Wer beschwert sich? Die dicken Apotheker, die bislang vom Wettbewerb verschont wurden. Chapeau, meine Stimme hat der Mann!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Lindner hat Recht

von Georg Zink am 22.11.2016 um 11:06 Uhr

Bei Fremd-und Mehrbesitzverbot sprechen Sie von "Monopolkapitalisten"? Mich würde interessieren was Sie zu Apothekenketten meinen.
Die "dicken Apotheker" mal ganz außen vor : Sie beschäftigen sich anscheinend auch nur mit dem neoliberalen Inhalt der ganzen Thematik.
Sollte man aus Sicht eines Heilberuflers nicht ganz andere Bedenken haben?
Eine Verstaatlichung zum Wohl des Patienten sollte in Betracht gezogen werden, dann hat sich auch dieses neoliberale Gewäsch! (Beispiel Schweden vor der Liberalisierung des Apothekenmarktes!)

AW: Lindner hat Recht

von Andreas Grünebaum am 22.11.2016 um 22:08 Uhr

Auch wenn ich einer Meinung bin mit Ihnen, das Christian Lindner hier recht hat, so sind ihre Beweggründe dazu nicht zielführend. Nicht ausschließlich die Apotheker, welchen es gut geht, sind am vehementesten gegen Veränderungen. Es sind viel eher jene, welche Veränderungen seit Jahren abgelehnt und sich bereits im Nest bequem gemacht haben, neben den vielen sogenannten "kleinen Buden", welche als Vorort Apotheke der Mittelstädte heute noch kaum konkurrenzfähig sind. Interessanterweise werden letztere eigentlich als letze die Abwanderung zum Versandhandel erleben, weil dieser Kundenkreis ohnehin schon ganz woanders einkauft.
Lassen wir also diesen Sozialneid gegenüber den Wohlhabenden "Apothekern". Es dürfte keine Rolle spielen, ob der Leiter einer künftigen Apothekenkette Apotheker, Arzt oder Betriebswirt wäre, aber einen Lada wird er aller Voraussicht genau so wenig fahren, wie mit der Familie im Plattenbau wohnen. Für die Vertriebs- und Regionalleiter sowie angestellte Apotheker wird dabei sicher auch sehr gut gesorgt, denn gutes Personal ist schon heute teuer.

Lindner

von Ratatosk am 21.11.2016 um 18:43 Uhr

Er versteht die Sache mit der Flächendeckung wohl wirklich nicht. Skaleneffekte, Rosinen sind für diese Leute und Partei einfach zu komplex. Die sind alle über die primitiven Angebots-Nachfragemodelle nicht hinausgekommen. Sie sollen sich halt von den hofierten Absahnern der Großindustrie wählen lassen, dann sind sie wieder schön unter den 5% , kommen dann halt nicht zu so guter Anschlußverwendung, wie wenn man vorher etwas zu sagen gehabt hätte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Angst vor Wettbewerb?

von Maria Beta am 21.11.2016 um 20:11 Uhr

Die FDP versteht Flächendeckung nicht? Sie verstehen wohl eher das Internet nicht!
Schließlich kann eine Versandapotheke landesweit liefern. Die eingzigen, die gegen mehr Wettbewerb im Apothekenmarkt sind, sind Apothekerlobbyisten. Ich freue mich, dass sich die FDP für die Konsumenten einsetzt und es dann günstigere Medikamente einsetzt. Sie verdrehen sämtliche Fakten ins Gegenteil. Wohl eher sind Sie es, die von Wirtschaft nichts verstehen und trotzdem, vor Wettbewerb geschützt, dick absahnen. Schämen Sie sich!

AW: AW:AW: Angst vor Wettbewerb

von Christian Becker am 22.11.2016 um 8:53 Uhr

Es ist eine irrige Annahme zu glauben, dass die Medikamente dadurch billiger werden - insbesondere für GKV-Versicherte.
Die Krankenkassen sind der Meinung, dass Rabatte an Medikamenten ihnen gehören, nicht den Versicherten. In gewisser Weise stimmt das auch, denn die GKV gewährt Sachleistungen - sie zahlt also das Medikament und der Versicherte darf es benutzen.

Die PKVen werden sicher auch demnächst mit sowas kommen, da aufgrund der momentanen Niedrigstzinsen kaum noch wie früher Gewinn gemacht werden kann, müssen die auch anfangen, an den Arzneimittelkosten zu sparen. Hatte in letzter Zeit schon mehrfach Kunden, die konkret nach günstigeren Präparaten gefragt haben, weil die Kassen sonst Ärger machen. Ich kann mir vorstellen, dass die auch gerne Rabatte, die gewährt werden, für sich einstreichen würden.

AW: Flächendeckung

von Alexander Murr am 22.11.2016 um 12:43 Uhr

Sehr geehrte Frau Beta,
natürlich "kommt der Versand überall hin".
Die Frage ist wie lange er braucht. Selbst 2 Tage Wartezeit sind für ein Antibiotikum oder Schmerzmittel eben zu lange (für letzteres sind schon 2 Stunden Wartezeit zu lange).
Weiter ist der Versand von Betäubungsmitteln (z.B. starke Schmerzmittel) verboten. Und die Herstellung von individuellen Arzneimitteln lehnen Versender ab.

Fassen wir also zusammen:

- Akutmedikation: kann der Versand nicht.
- Betäubungsmittel: darf der Versand nicht.
- individielle Anfertigungen: will der Versand nicht.

Er ist also nicht in der Lage, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Alls druff!

von Christian Giese am 21.11.2016 um 14:49 Uhr

Alls druff!
Die Mittelschicht muss doch teilbar sein!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Den Job bei der Allianz oder sonst wo ...

von C. Beck am 21.11.2016 um 12:49 Uhr

bekommen Sie von Ihrem Spezi Daniel Bahr auch so vermittelt.
Herr Lindner, wissen Sie eigentlich von was Sie da reden? Wissen Sie eigentlich welche Strukturen Sie da in Frage stellen ...
Hatte ja in Bezug auf 2017 noch so eine Grundhoffnung, dass es die FDP nicht wieder verzockt, aber nun?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

zusätzliche Beratungshonorierung

von Peter Bauer am 21.11.2016 um 12:13 Uhr

Was will ich mit einer zusätzlichen Beratungshonorierung,wenn ich mit der eigentlichen Aufgabe kein Geld mehr verdiene????Lauterbach,Lindner haben definitiv null Ahnung wovon Sie sprechen ,oder sie haben Ahnung und biedern sich dem Großkapital an.Ich will ersteres hoffen.Ich kann nicht auf der Soll-Seite Leistungen, die gesetzlich zu erbringen sind ,einfordern und auf der anderen Seite kapitalistischen Wettbewerb verlangen.Dann muß man den Apotheken auf der Haben-Seite auch zugestehen ,dass sie kostenintensive und verlustbringende Tätigkeiten wie BTMs,Rezepturen,Notdienst,Beratungszwang,unsinnige ,aber teure Labortätigkeiten,Pauschlrahmenverträge mit Krankenkassen und vieles andere ,was alle anderen im freien Wettbewerb als Gestaltungsmöglichkeit haben,abschaffen oder ausbauen.
Ach das wollen Sie dann doch nicht???????Dann müssen Sie halt dafür zahlen .Wenn der Versandhandel so bleibt ,wie er momentan ist,werden in spätestens 5 bis 8Jahren ca 20-30% der Apotheken verschwunden sein.Es wird keinen Kapitalismus "light" geben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

nennt man das auch "postfaktisch"?

von Karl Friedrich Müller am 21.11.2016 um 11:36 Uhr

Herr Lindner lügt einfach. Er will keinen Wettbewerb. Er will alle Macht den Konzernen und die Verarmung der Bevölkerung. Er kann es nur nicht so ausdrücken.
, weil sonst die FDP den letzen Wähler verliert.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Herr Lindner,

von Christiane Patzelt am 21.11.2016 um 10:44 Uhr

wenn Politiker mir erklären möchten, dass die freie Marktwirtschaft sich irgendwie bändigen lässt, der hat die letzten 20 Jahre gepennt. Wie ist es denn mit Strom und Gas? Wie ist es denn mit Post und Bahn? Die Börsennotierung aller Unternehmen macht die Produkte teurer, die Zuverlässigkeit schlechter und die Verdienste der Mitarbeiter am Mindestlohn!!

Dieses ewige Geschrei nach Liberalisierung hängt mir als Bürger - nicht als ApothekerIn - echt zum Halse raus!

Und sorry...was zum Henker ist " fairer Wettbewerb"?? Es gibt entweder Wettbewerb oder keinen. Zeigen Sie mir EINE Sparte, in der es " fairen Wettbewerb" gibt!! Das ist fuckingbullshitnonsens!! Das wissen Sie und das weiß ich und bitte Herr Lindner, verkaufen Sie uns doch nicht für dumm!!

Fairer Wettbewerb am Götz von Berlichingen!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Herr Lindner

von Anita Peter am 21.11.2016 um 13:26 Uhr

Völlig richtig. Sobald alles für das Großkapital geöffnet wurde gibt es nur noch eins: Shareholder Value!
VW, Deutsche Bank und Konsorten zeigen uns wie dolle das funktioniert!

AW: Von welchem Kapitalismus reden sie eigentlich?

von David Block am 21.11.2016 um 18:38 Uhr

Sie erwähnen den Stompreis und die Bahn, haben Sie sich also mal auf ihre Strom Rechnung geschaut und festgestellt das 88% ihrer Rechnung aus Steuern, Abgaben und der großen wie ineffiziente Öko Subvention bestehen.

Und die Bahn ist natürlich kapitalistisch als Hell wie anders sollte man das von einem 100% in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen anders erwarten.

VW gehört immer noch zu einigen Teilen Niedersachsen und wurde der einst von Hitler gegründet, aber recht haben Sie Frau Peter wenn Sie den Besitz durch BlackRock ansprechen die sind zu groß um einen Marktzulassen und müßten zerschlagen werden!

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.