Arzneimittel und Therapie

Topische Hormonzubereitungen auf Irrwegen

Ein Fall von Pseudopubertas präcox sensibilisiert für das Problem „versehentliche Exposition“

gg | Gelzubereitungen mit weiblichen Geschlechtshormonen sind für die Behandlung von Wechseljahrs- und Hormonmangelbeschwerden zugelassen. Off-Label werden sie auch bei geschlechtsangleichenden Behandlungen eingesetzt. Unabhängig von der Indikation ist jedoch darauf zu achten, dass andere Haushaltsmitglieder nicht versehentlich exponiert werden, wie ein aktuelles Fallbeispiel der AkdÄ zeigt.

Fälle von Pubertätsanzeichen bei Kindern durch unbeabsichtigte Ex­position mit hormonhaltigen Topika sind für Fachkreise nichts Neues. Bereits in den 1960er-Jahren wurden Fälle von Verweiblichung bei Kleinkindern beobachtet, die mit Estradiol-haltigen Windelsalben eingecremt worden waren. Auch wenn solche Salben nicht mehr auf dem Markt sind, kommt es immer wieder zu Vorfällen von ver­sehentlicher Hormon­exposition von Kindern. Ein aktuelles Fall­beispiel wird in der „Safety Mail“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdkÄ) vom 8. Februar 2023 besprochen und führt ein weiteres Mal vor Augen wie wichtig es ist, dieses Thema bei der Beratung in der Apotheke im Blick zu behalten.

Foto: Marina Lohrbach/AdobeStock

Der Fall

In der Klinik vorgestellt wurde ein siebenjähriger Junge, der durch Brustwachstum, Schambehaarung, Schweißgeruch und starkes Körperlängenwachstum auffiel. Mittels verschiedener Untersuchungen, einschließlich der Bestimmung der Hormonspiegel im Blut, konnten das natürliche Einsetzen der Pubertät sowie Erkrankungen wie beispielsweise ein adrenogenitales Syndrom (angeborene Störung der Hormonbildung der Nebennieren) oder ein hormonbildender Tumor als mögliche Ursachen ausgeschlossen werden. Im Gespräch mit den Eltern ergab sich, dass ein Elternteil bei einer geschlechtsangleichenden Therapie mit einem Estradiol-haltigen Gel behandelt wurde. Dies brachte die Ärzte auf die richtige Spur und zur Diagnose Pseudopubertas praecox feminina durch akzidentelle externe Estrogen-Exposition.

In diesem Fall wurde die Medikation des Elternteiles von einem Hormongel auf ein -pflaster umgestellt und die Entwicklung des Jungen ein weiteres Jahr beobachtet. Im Verlauf dessen normalisierten sich die Estradiol-­Serumspiegel, und die Brustdrüsenschwellung bildete sich zurück. Auch das Wachstum verlangsamte sich erheblich. Die Umstellung der Arzneiform zeigte also Wirkung.

Beratung in Apotheken wichtig

In einigen Fällen dürfte eine Umstellung auf eine andere Darreichungsform jedoch nicht möglich oder nicht gewünscht sein. Dann ist die Beratung in der Apotheke besonders wichtig. Zwar enthalten auch die Beipackzettel der jeweiligen Gele Hinweise für die Anwendung, doch können diese in dem ausführlichen Faltdokument schnell überlesen werden. Ebenfalls könnten Anwenderinnen wie Anwender im Laufe der Behandlung nachlässiger mit den zeitaufwendigen Maßnahmen werden, sodass eine gelegentliche Erinnerung in der Apotheke auch bei langjähriger Anwendung sinnvoll sein kann.

Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Kindern

Um Kinder vor einer ungewollten Hormonexposition zu schützen, sollten diese keinen direkten Haut-zu-Haut-Kontakt mit den behandelten Hautarealen haben, insbesondere nicht unmittelbar nach der Applikation. Am besten lässt sich das Risiko hierfür minimieren, wenn für die Applikation ein Hautareal gewählt wird, dass sich gut von Kleidung bedecken lässt. Sollte ein Kind dennoch versehentlich in Kontakt mit der behandelten Haut­region kommen, sollte die Haut des Kindes schnellstmöglich mit Wasser und Seife gründlich gewaschen werden. Falls sich bei Kindern unerwartete Anzeichen der Pubertät zeigen, sollten Eltern mit ihren Kindern einen Arzt aufsuchen und auf das verwendete Hormongel hinweisen.

Ausführliche Beratungshinweise zur sicheren Applikation von Hormon­gelen können Sie in dem DAZ-Artikel: Stahl V. Testosteron auf Abwegen. DAZ 2019, Nr. 38, S. 40 nachlesen. Topische Hormontherapien können aber nicht nur Kinder gefährden, sondern auch Haustiere. Hierauf wird in der Juni-Ausgabe des Epidemiologischen Bulletin 2022 hingewiesen (s. a. Moll D. Topische Hormontherapien – ein ­Risiko für Kinder und Haustiere. DAZ.online vom 28. Juni 2022) |

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