Die Seite 3

Retter in der Not

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Isolation und Maske, das waren die Mittel der Wahl, um zu Beginn der ­COVID-19-Pandemie vor allem alte ­Menschen vor SARS-CoV-2 zu schützen – aber nicht nur. Auch die Kliniken und vor allem die Intensivstationen sollten vor dem Kollaps bewahrt werden. Isolation und Maske – beides war und ist ausgesprochen effektiv, hat aber einen gravierenden Nachteil vor allem für Säuglinge und Kinder, der in diesem dritten Pandemiewinter erschreckend offenkundig wird: Ihr Immunsystem konnte nicht lernen, mit den vielen weiteren gefährlichen Erregern umzugehen, die besonders in der kalten Jahreszeit ihr Unwesen treiben. Jetzt, wo die Schutzmaßnahmen gelockert werden, scheint kein Halten mehr zu sein. Alarmierende Nachrichten über ungewohnt hohe Zahlen von schweren, teils tödlich verlaufenden Scharlacherkrankungen kommen aus England (s. S. 20). Bei uns rollt eine Welle von schweren Atemwegsinfektionen, getrieben von Influenza-Viren, gefolgt von Respiratorischen Synzytial-Viren (RSV). Diese Erreger lassen insbesondere Frühgeborene, Säuglinge und Kleinkinder immer wieder lebens­bedrohlich erkranken und auch sterben (s. S. 30).

Aber nicht nur, weil ihr Immunsystem damit nicht umgehen kann. Auch – und das hätte man sich vor Jahren nicht vorstellen können – weil Kinderkliniken und deren Intensivstationen hoffnungslos überlastet sind. Es fehlen schlicht Betten und Beatmungsplätze. Dabei reichen die Betten nicht nur deshalb nicht, weil so viele Erkrankungsfälle auf die Kliniken zurollen oder die Angestellten selbst erkrankt sind. Sie sind vor allem deshalb rar, weil generell Personal fehlt. Bis zu 40% mehr Betten könnten auf Kinderstationen bereitgestellt werden, wenn ausreichend Pflegekräfte und Ärzte zur Verfügung stehen würden (s. S. 32).

Nun fehlt Personal an allen Ecken und Enden – die Apotheken können ein Lied davon singen. Wie in den Apotheken stimmen im gesamten Gesundheits­wesen einfach die Bedingungen nicht mehr. Lukrativere und weniger belastende Arbeitsplatzangebote lassen Notfallrettung, Kliniken, Arztpraxen wie Apotheken ausbluten.

Darüber hinaus legt der Corona-Herbst 2022 jetzt mit aller Härte den Finger in eine Wunde, die schon seit Jahren immer größer wird: die Liefer- und Versorgungsengpässe. Da sind plötzlich lebenswichtige Antibiotika wie Amoxicillin nicht lieferbar, und das nicht nur lokal, sondern europaweit und in vielen weiteren Ländern (s. S. 22). Fiebersäfte und -zäpfchen für Säuglinge und Kleinkinder fehlen (s. S. 22). Eltern sind verzweifelt und horten verständlicherweise solche Medikamente, so sie diese denn irgendwo ergattern können.

Doch was kann jetzt kurzfristig helfen, wie können unsere Kinder vor schweren Atemwegsinfektionen geschützt werden? Wieder einmal scheint der Retter in der Not nur die Maske sein zu können. Sie soll jetzt vor allem von Erwachsenen ­getragen werden, um die Kleinsten vor Schlimmerem zu bewahren – mit allen bekannten Kollateralschäden für das Immunsystem der Kinder. Ein wahrer Teufelskreis, dem zu Entrinnen es endlich einer tragfähigen Strategie bedarf – und das auf allen Ebenen.

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