Pandemie Spezial

Impfung, die dritte?

Vor allem bei niedrigen Antikörpertitern ist eine weitere Boosterung sinnvoll

mab | Vor wenigen Tagen wurde auf der Bundesgesundheitsministerkonferenz eine dritte Impfung für bestimmte Risikogruppen beschlossen. Doch wie sinnvoll ist diese Boosterung überhaupt? Welche neuen Erkenntnisse gibt es zur lang anhaltenden zellulären Immunantwort nach einer doppelten Impfung und welchen Einfluss hat die Delta-Variante auf den Immunschutz? Diesen und weiteren Fragen stellten sich Dr. Christine Dahlke (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf), Dr. Maike Hofmann (Universitätsklinikum Freiburg) und Prof. Dr. Leif Erik Sander (Berliner Charité) bei einer virtuellen Presseveranstaltung.

Um das relativ schnelle Absinken der Antikörpertiter bei Genesenen zu erläutern, verweist Dr. Christine Dahlke auf die Erkenntnisse der MERS (Middle East Respiratory Syndrome)-Pandemie 2012. Auch dort konnte ein Abfall der Antikörpertiter nach Infektion und – ähnlich wie bei SARS-CoV-2 – nach Impfung zunächst ein hoher Titer, der über den Verlauf von sechs Monaten langsam abfiel, gesehen werden. Nach jeder Boosterung stiegen auch damals die Antikörperspiegel und blieben dann aber auch auf höherem Niveau. Ursächlich dafür ist die zeitverzögerte Bildung von Plasmazellen, die für eine dauerhafte Generierung von ­Antikörpern benötigt werden.

Langzeitschutz durch T-Zellen

Auch bei fehlenden Antikörper-Titern ist jedoch nicht gesagt, dass kein Schutz vor einer Infektion besteht. Vielmehr rücken dann die T-Zellen in den Vordergrund. Diese standen auch im Mittelpunkt des Interesses der Arbeitsgruppe um Frau Hofmann, die die zelluläre Immunantwort nach der ersten sowie zweiten Dosis Comirnaty® untersucht hat.* Es zeigte sich, dass bereits zehn bis zwölf Tage nach der ersten Dosis T-Gedächtniszellen gebildet werden. Nach der zweiten Dosis war zwar noch einmal ein leichter Anstieg der T-Zell-Titer erkennbar, die aber im Zeitraum von drei bis vier Monaten nach der zweiten Dosis wieder leicht abfielen. Da der Studien­endpunkt jedoch noch in der dyna­mischen Phase lag, in der sich kein Gleichgewicht der T-Zellen eingestellt hatte, kann aus den Studienergebnissen keine Prognose über den längerfristigen Immunschutz gestellt werden. Sicher ist jedoch, dass nach der zweiten Dosis die Titer der neutralisierenden Antikörper, die schnell Viren abfangen, bevor sie eine Zelle befallen, am höchsten waren.

T-Zell-Tests nicht routinemäßig durchführbar

Zwar kann sich die aktuell kursierende Delta-Variante Antikörpern durch eine Escape-Mutation weitestgehend entziehen. Dagegen erkennen T-Zellen bestimmte Teile der Viren, die auch bei der Delta-Variante vorhanden sind, und dürften somit auch bei einer Infektion mit der Variante einen Schutz bieten. Für eine Bestimmung des Schutzstatus nach einer Impfung oder Infektion ist eine routinemäßige T-Zell-Bestimmung jedoch nicht geeignet. Dies liegt neben dem aufwendigen Verfahren auch an einer bisher fehlenden Standardisierung von T-Zell-Tests. Besser standardisiert sind dagegen Antikörpertests, die zudem deutlich praktikabler sind. Allerdings fehlen auch hier Daten, die eine mögliche Korrelation des Antikörperstatus und dem Schutz vor einer Infektion festmachen. Laut Prof. Dr. Leif Erik Sander sind Antikörpertests jedoch dafür ­geeignet, den Impfschutz bei bestimmten Risikogruppen wie Organtransplantierten oder älteren Personen zu bestimmen, der generell geringer ausfällt als in der Normalbevölkerung. Sollte dieser nur gering bis gar nicht messbar sein, befürwortet auch er in Hinblick auf die kursierenden Varianten eine dritte Impfung der Betroffenen.

Stärkere Nebenwirkungen unwahrscheinlich

Er merkt jedoch an, dass ein Impfschutz von ursprünglich 95% nach der zweiten Dosis, der laut neuesten Daten innerhalb eines halben Jahres auf etwa 80% gesunken ist, sich auch in der Allgemeinbevölkerung in den absoluten Patientenzahlen deutlich bemerkbar machen wird. Bevor also der Impfschutz nachlässt, sollte lieber mit einer dritten Dosis geboostert werden, um so mögliche Durchbruchinfektionen zu verhindern. Ein Risiko für verstärkte Nebenwirkungen sieht er dabei nicht, da zum einen die dritte Dosis frühestens sechs Monate nach der zweiten Impfung empfohlen wird. Zum anderen zeigen erste Daten, dass die dritte Impfung gut verträglich ist – wahrscheinlich auch deshalb, da diese aktuell nur für ältere Menschen, die die Impfung im Allgemeinen gut vertragen, empfohlen wird. Alle drei Experten gehen jedoch davon aus, dass nach einer dritten Dosis die Immunantwort ausreichend hoch genug ist, um nicht alle sechs Monate nachgeimpft werden zu müssen. |
 

Literatur
Dahlke C, Hofmann M, Sander LE. Booster-Impfung und Delta-Variante – Erkenntnisse zur Immunantwort nach SARS-CoV-2-Impfungen im Lichte aktueller Entwicklungen Bestätigung, Virtuelle Presseveranstaltung des Sciencemediacenter am 4. August 2021

 

*Leider ist uns in der Printausgabe ein Fehler unterlaufen, den wir an dieser Stelle online korrigiert haben. Wir bitten unsere Leser um Entschuldigung.

 

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