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Pandemie Spezial
„Es ist die Dosis!“
Professor Dr. Peter Kremsner zu den enttäuschenden Ergebnissen des Curevac-Impfstoffs
47 Prozent: Diese Zahl saß. In der zulassungsrelevanten Phase IIb/III-Studie blieb der Curevac-Impfstoffkandidat CVnCoV vorläufigen Ergebnissen zufolge deutlich hinter den Erwartungen zurück –und klar unter der Wirksamkeit der beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna (s. a. DAZ 2021, Nr. 25, S. 29). Das erstaunte insofern, weil alle drei Hersteller mit ihren mRNA-Impfstoffen auf das gleiche Prinzip gesetzt haben. Curvac hat jedoch auf natürliche mRNA eingesetzt, die beiden anderen Hersteller auf chemisch modifizierte mRNA. Ist das der Grund für das schlechtere Abschneiden der Curvac-Vakzine? Oder doch die Varianten des SARS-CoV-2-Virus? Und welche Rolle spielt die Dosis? Im DAZ-Gespräch stellte Studienleiter Professor Dr. Peter Kremsner von der Universitätsklinik Tübingen fest: „Die Varianten sind nicht schuld!“
„Nicht mehr als 12 µg!“
Nach Einschätzung des Infektiologen und Tropenmediziners liegt es an der eingesetzten Impfstoffdosis: „Wir konnten nicht höher als 12 µg dosieren – da waren wir, was die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes angeht am Anschlag. Doch sehr wahrscheinlich war diese mRNA-Menge dann letztlich zu wenig immunogen!“ Auch Kremsner hatte bessere Wirksamkeitsdaten erwartet: „Ich hatte mir erhofft, dass das Konzept der natürlichen mRNA-Sequenz, wie Curevac sie nutzt, funktioniert oder eventuell sogar besser wirkt als modifizierte mRNA.“ Doch die Wirksamkeitsdaten seien nun „sehr deutlich“.
Hat also Curevac mit unmodifizierter mRNA auf das falsche Pferd gesetzt? Das will Kremser in dieser „Art und Schärfe“ nicht bestätigen: „Wir haben ja einen Effekt gesehen, der bei etwa 50 Prozent Wirksamkeit liegt und nun nicht ganz schlecht ist“, auch wenn die Wirksamkeit verglichen mit der von Biontech oder Moderna schlechter sei. Doch sieht Kremsner die Wirksamkeit durchaus auf dem Niveau der AstraZeneca-Vakzine Vaxzevria.
UAW-Rate bei 100%
Doch was machte CVnCoV ab 12 µg so unverträglich, dass weitere Dosiseskalationen unmöglich waren? Denn auch 16 bis 20 µg wurden untersucht. Laut Kremsner traten die „üblichen“ Nebenwirkungen auf, die man auch nach anderen COVID-19-Impfungen beobachtet – nichts „Auffälliges“ oder „Besonderes“. Allerdings lag die UAW-Rate bei 100 Prozent. Das heißt: Jeder Geimpfte berichtete über unerwünschte Impfwirkungen, wie lokale Schmerzen an der Injektionsstelle oder systemische Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit. „Gerade bei jüngeren Geimpften waren die unerwünschten Wirkungen sehr ausgeprägt!“
Natürliche mRNA und die Interferon-Frage
Eigentlich hätte man von CVnCoV sogar eine stärkere Immunantwort erwartet: Natürliche mRNA soll immunogener wirken als mit Pseudouridin modifizierte – wobei Kremsner auch dies mittlerweile „bezweifelt“, weil die Ergebnisse der Studien von Biontech und Moderna sehr überzeugend sind. Allerdings kann der Schuss auch nach hinten losgehen, wenn die mRNA bestimmte Signalmoleküle – unter anderem Interferone – stimuliert, die wiederum T-Zellen und die Bildung von neutralisierenden Antikörpern bremsen könnten. Ob diese Hypothese tatsächlich die mäßige Immunogenität von CVnCoV erklärt? „Wahrscheinlich ist das der Grund – wir können es aber noch nicht genau sagen“, räumt Kremsner ein.
Zulassung doch noch möglich?
Hat CVnCoV noch eine Chance auf Zulassung? Diese Möglichkeit besteht nach Einschätzung von Kremsner durchaus. Wie genau die endgültige Punktschätzung für CVnCoV sein wird, wenn bis in drei Wochen das letzte Drittel der Fälle noch ausgewertet sei, ist seiner Ansicht nach „mehr oder weniger belanglos“. Im besten Fall geht Kremsner von etwa 60 Prozent aus, im schlechtesten Falle von 30 Prozent – und selbst dann sei CVnCoV „zulassbar“. „Das entscheiden einzig und allein EMA und EU.“ Ob die EMA diesen Schritt so gehe, wisse man derzeit nicht, doch ist Kremsner optimistisch: „Ich nehme an – eher schon.“ Auch bestehe die Option, dass einzelne Länder nationale Zulassungen anstrebten, wie Ungarn es bereits bei Sputnik V getan hatte, obwohl Kremsner diese nationalen Alleingänge nicht gut heißt.
„AstraZeneca würde ich nicht mehr empfehlen!“
Kritisch steht Kremsner mittlerweile dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca gegenüber. Von Anfang an sei Vaxzevria „ganz klar der am schlechtesten wirksame Impfstoff“ gewesen: 60 Prozent gegen 95 Prozent bei den mRNA-Impfstoffen, erinnert Kremsner. Solange man jedoch keine großen Alternativen gehabt habe, hielt er den Einsatz für gerechtfertigt. Mittlerweile verfüge man jedoch weltweit über 14 zugelassene Impfstoffe, und allein in Europa könne man auf drei andere zurückgreifen, die auch ausreichend produziert würden. Daher rät Kremsner von der AstraZeneca-Vakzine ab: „Vaxzevria ist zu schlecht wirksam und bei den Varianten noch schlechter wirksam, während Biontech/Pfizer und Moderna hier standhalten und auch der J&J Impfstoff gut ist.“ Auch seien Verträglichkeit und Sicherheit „relativ schlecht“. Obwohl das Risiko nach einer Impfung zu versterben kaum viel größer sei als 1 zu 1.000.000, sei es bei den anderen Impfstoffen einfach noch niedriger.
Als „guten Ansatz“ bewertet Kremsner Vektorimpfstoffe, wenn sie im Rahmen von heterologen Impfserien mit einem mRNA-Impfstoff kombiniert werden. „Die heterologe Impfung funktioniert hinsichtlich der Immunogenität besser!“ Bei der Wirksamkeit gebe es zwar noch keine ausreichenden Daten, doch geht er auch hier von einer verbesserten Impfeffektivität aus. Vor allem Johnson & Johnson kann sich Kremsner hier als guten Partner für mRNA-Impfungen im Rahmen gemischter Impfserien vorstellen. Warum Johnson & Johnson und nicht AstraZeneca? „Die Wirksamkeit liegt nach einmaliger Johnson & Johnson-Impfung bereits bei 67 Prozent und damit höher als bei AstraZeneca, zudem treten thromboembolische Ereignisse unter der Janssen-Vakzine noch seltener auf als unter Vaxzevria.“
Novavax: „Exzellent!“
Kurz und eindeutig fällt auch die Bewertung der noch nicht zugelassenen Novavax-Vakzine aus: „Exzellent“, so die Einschätzung von Kremsner, und das „in jeder Hinsicht“. Novavax hatte etwa zeitgleich mit Curevac Phase-III-Daten veröffentlicht und proklamiert für seinen Impfstoff eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent. Nach Angaben von Novavax sollen auch die Varianten sehr gut adressiert werden. Novavax verfolgt ein anderes Prinzip als mRNA oder Vektor: Novavax enthält ein in Baculoviren und Insektenzelllinien rekombinant hergestelltes SARS-CoV-2-Spikeprotein, dessen immunstimulierende Wirkung durch ein Adjuvans auf Saponinbasis verstärkt wird (s. a. DAZ 2021, Nr. 25, S. 30). |
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