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Pandemie Spezial
Ergebnisse zu BNT162b2 veröffentlicht
Biontech und Pfizer präsentieren Daten im New England Journal of Medicine
Zusammen mit dem US-Partner Pfizer führt das Mainzer Biotech-Unternehmen Biontech seit Ende Juli seine COVID-19-Studie in Phase II/III in den USA, Brasilien, Argentinien und Europa durch. Sein Impfstoff-Kandidat BNT162b2 enthält 30 μg chemisch-synthetisch modifizierte mRNA, die für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 kodiert. Sie liegt hinsichtlich der Konzentration zwischen den mRNA-Impfstoffen von CureVac (12 µg), dessen Phase-II/III-Studie soeben erst gestartet ist, und dem von Moderna (100 µg), für den in einer Phase-III-Studie schon eine überzeugende Wirksamkeit gezeigt werden konnte.
Die Daten von Biontech und Pfizer zu Sicherheit und Wirksamkeit aus der Phase-III-Zulassungsstudie können nun im New England Journal of Medicine eingesehen werden [1].
95%ige Wirksamkeit und gutes Verträglichkeitsprofil
In der Studie wurden 43.448 Probanden ab 16 Jahren randomisiert getestet. 21.728 erhielten ein Placebo und 21.720 den Impfstoff BNT162b2, der in zwei Impfungen im Abstand von 21 Tagen verabreicht wurde. Innerhalb der Gruppe aus 36.523 Teilnehmern ohne bestehende oder vorangegangene SARS-CoV-2-Infektion traten 170 COVID-19-Fälle frühestens sieben Tage nach der zweiten Dosis auf: Acht COVID-19-Fälle in der BNT162b2-Gruppe, 162 in der Placebo-Gruppe. Dies entspricht einer Gesamtwirksamkeit von 95%. Innerhalb der Gruppe aus Probanden mit und ohne vorheriger SARS-CoV-2-Infektion wurden neun COVID-19-Fälle in der BNT162b2-Gruppe und 169 Fälle in der Placebo-Gruppe beobachtet, was einem Impfschutz von 94,6% entspricht. Dabei traten zehn Fälle von schwerem COVID-19 auf, eine in der BNT162b2-Gruppe, neun in der Placebo-Gruppe.
52%iger Schutz nach erster Impfung
Insgesamt konnte ein 52,4%iger Impfschutz zwischen der ersten und zweiten Dosis festgestellt werden, was auf ein frühes Einsetzen eines schützenden Effektes hinweist. Mit Verabreichung der zweiten Dosis ließ sich der beobachtete maximale Schutz erzielen. Laut Studie zeigte sich insgesamt ein gutes Verträglichkeitsprofil. Die Studienteilnehmer klagten am häufigsten über Schmerzen an der Injektionsstelle (> 80 Prozent), Müdigkeit (> 60 Prozent), Kopfschmerzen (> 50 Prozent), Muskelschmerzen und Schüttelfrost (> 30 Prozent), Gelenkschmerzen (> 20 Prozent), Fieber und Schwellungen an der Injektionsstelle (> 10 Prozent). Die Beschwerden waren in der Regel leicht oder mäßig ausgeprägt und klangen innerhalb weniger Tage nach der Impfung ab. Tendenziell traten bei Älteren weniger Nebenwirkungen auf als bei Jüngeren.
Unter den BNT162b2-Probanden wurden vier schwerwiegende unerwünschte Ereignisse berichtet (Schulterverletzung durch Verabreichung des Impfstoffs, Lymphadenopathie in der rechten Achselhöhle, paroxysmale ventrikuläre Arrhythmie und Parästhesie im rechten Bein). Die Ereignisse klangen innerhalb weniger Tage ab. Die Häufigkeit von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen war in der Impfstoff- und Placebogruppe ähnlich (0,6% bzw. 0,5%).
Zwei Teilnehmer der BNT162b2-Gruppe starben (einer an Arteriosklerose, einer an Herzstillstand), ebenso wie vier Probanden der Placebo-Gruppe (einer an einem hämorrhagischen Schlaganfall, einer an einem Myokardinfarkt, zwei aus unbekannter Ursache). Laut Studie konnten die Prüfärzte die Todesfälle weder mit dem Impfstoff oder Placebo noch mit COVID-19 in Verbindung bringen.
Schutz für alle?
Eine weitere brennende Frage, die sich bei Impfvorhaben stellt: Schützt der Impfstoff die gesamte Weltbevölkerung und wird er von allen gleich gut vertragen?
Hier liefert die Studie aussichtsreiche Erkenntnisse: Ungeachtet des Alters, Geschlechts, Body-Mass-Index sowie der ethnischen Zugehörigkeit erwiesen sich Impfschutz und Verträglichkeit in der gesamten Studienpopulation konsistent. Von den 37.706 Teilnehmern waren 49% weiblich, 35% übergewichtig, 83% kaukasischer Herkunft, 9% schwarz- oder afroamerikanischer Herkunft, 28% hispanischer oder lateinamerikanischer Herkunft, 21% hatten mindestens eine Vorerkrankung. Der Altersdurchschnitt in der Studie lag bei 52 Jahren, wobei 42% der Probanden über 55 Jahre waren.
Limitationen der Studie
Die Aussagekraft der Studie ist begrenzt. So wurden die Teilnehmer bislang nur durchschnittlich 2 Monate nach der zweiten Impfstoffdosis beobachtet. Die Studie ist demnach noch nicht groß genug, um weniger häufige unerwünschte Ereignisse zuverlässig zu entdecken. Bisher gab es nur eine kleine Untergruppe mit einer maximalen Nachbeobachtungszeit von 14 Wochen.
Auch müssen umfassendere Informationen über die Dauer des Schutzes noch ermittelt werden. Die Studie war so konzipiert, dass die Teilnehmer über zwei Jahre nach der zweiten Dosis beobachtet werden sollten. Dennoch wird man der Placebogruppe aus ethischen Gründen nicht die Möglichkeit einer Impfung über einen Zeitraum von zwei Jahren verwehren können, wenn ein Impfstoff zugelassen und verfügbar ist.
Zudem gibt es noch keine Daten zur Häufigkeit von asymptomatischen Erkrankungen. Somit ist nicht klar, ob geimpfte Personen das Virus weiterübertragen können. Hier werden noch Daten erhoben, indem man die Serokonversion gegen ein anderes virales Protein misst als das vom Impfstoff kodierte Spike-Protein.
Insgesamt beschreiben die Autoren die Ergebnisse als beeindruckend. Bezüglich der Wirksamkeit hatten zwar frühe klinische Studien bereits gezeigt, dass der Impfstoff sowohl eine humorale als auch eine zelluläre Immunität induzieren kann. Allerdings war unklar, ob diese Reaktionen ausreichen, um vor einer symptomatischen Infektion zu schützen. Die Analyse kann dies nun bestätigen. Zudem wurden weitere Daten veröffentlicht, die interessante Einblicke in die Immunantwort bieten.
Einblick in die Immunantwort
Für eine ausgewogene Immunantwort wünscht man sich zum einen die Bildung neutralisierender Antikörper, die direkt an die Viruspartikel binden, in diesem Fall an die Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins von SARS-CoV-2. So werden die Viruspartikel daran gehindert, eine Zelle effektiv zu infizieren. Zusätzlich soll auch die Bindung weiterer Antikörper ermöglicht werden, die auch außerhalb der RBD binden. Bindende Antikörper, die das Antigen nicht direkt neutralisieren, wirken auf das zelluläre Immunsystem ein.
Biontech und Pfizer haben dazu Daten aus ihrer parallel in Deutschland durchgeführten Phase-I/II-Studie zur Immunität veröffentlicht [2]. Demnach zeigten alle geimpften Teilnehmer neutralisierende Antikörper- sowie T-Zell-Antworten. Diese richteten sich gegen verschiedene Regionen des Spike-Proteins, einschließlich der RBD, was auf eine Erkennung mehrerer unabhängiger Epitope hinweist.
Auch über einen längeren Zeitraum von 85 Tagen blieben die Titer an neutralisierenden Antikörpern vergleichbar oder höher als die in der Kohorte der Rekonvaleszenz-Seren. Zudem konnten Seren von BNT162b2-Probanden 19 verschiedene Pseudo-Viren, die 19 verschiedene SARS-CoV-2-Varianten repräsentieren, neutralisieren. Dies deutet auf einen umfangreichen Schutz von BNT162b2 vor bekannten SARS-CoV-2-Mutationen hin.
Alle 37 Probanden, die mit BNT162b2 geimpft wurden, wiesen Spike-Protein-spezifische Antworten der CD4+-T-Helfer-Zellen (Th) auf: Die hohen Level an den Zytokinen IFNγ und IL-2 und geringe Level an IL-4 weisen auf ein Th1-Profil hin. Auch eine starke Ausbreitung der CD8+-Gedächtnis-T-Zellen des frühen Effektor-Gedächtnis-Phänotyps konnten bei 92% der Probanden nachgewiesen werden.
CHMP will am 21. Dezember über EU-Zulassung entscheiden
Die Zulassungsbehörden mehrerer Länder, einschließlich des Vereinigten Königreichs, Kanada und Bahrain, haben bereits eine bedingte Notfallgenehmigung für BNT162b2 gegen COVID-19 erteilt. Auf Basis der wissenschaftlichen Daten aus Phase III haben Biontech und Pfizer am 11. Dezember 2020 auch von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) die Notfallzulassung erhalten. Mit den Impfungen wurde dort inzwischen begonnen.
In der EU haben Pfizer und Biontech einen Antrag auf bedingte Zulassung im Rahmen des Rolling-Review-Verfahrens bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gestellt. Die EMA teilte am 15. Dezember mit, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP sich am 21. Dezember zu einer außerplanmäßigen Sitzung treffen und über diesen Antrag entscheiden wird. Damit könnte die EU den Impfstoff noch vor Weihnachten zulassen. |
Literatur
[1] Polack FP, Thomas SJ, Kitchin N, et al. Safety and efficacy of the BNT162b2 Covid-19 vaccine. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2034577.
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