DAZ aktuell

„Leuchtturm-Dienstleistungen“ soll es nicht geben

Interview mit BAK-Präsidentschaftskandidat Thomas Benkert

eda | Am 26. November 2020 wird die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) über die Nachfolge von Dr. Andreas Kiefer entscheiden. Ein Anwärter hat bereits seinen Hut in den Ring geworfen: Thomas Benkert, Präsident der Landesapothekerkammer Bayern, gab während der BAK-Vorstandssitzung Ende August bekannt, für das Amt des BAK-Präsidenten kandidieren zu wollen. Seit 2013 ist er Vizepräsident. Wir haben mit Thomas Benkert anlässlich seiner Kandidatur im Rahmen eines Interviews gesprochen.
Fotos: ABDA

Sie kandidieren für die Spitze der Bundesapothekerkammer (BAK): Thomas Benkert, Präsident Bayerischen Landesapothekerkammer, und Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen.

Ende des Jahres wird es an der ABDA-Spitze grundlegende, personelle Veränderungen geben. Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, eröffnete der Berufsöffentlichkeit Anfang März, dass sie als ABDA-Präsidentin kandidieren will. Der amtie­rende Präsident Friedemann Schmidt hatte seinen Rückzug bereits zum Jahreswechsel bekannt gegeben. Auch Fritz Becker will sich zukünftig nicht mehr auf der standespolitischen Bundesbühne engagieren. Als nachfolgender Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) hat sich Thomas Dittrich aus Sachsen positioniert. Dr. Hans-Peter Hubmann vom Bayerischen Apothekerverband teilte mit, als stellvertretender Vorsitzender weiterhin für den DAV aktiv sein zu wollen.

Auch an der Spitze der Bundesapothekerkammer (BAK) wurde spätestens im August deutlich: Der schwer erkrankte und vergangene Woche verstorbene Dr. Andreas Kiefer schloss eine weitere Amtszeit für sich aus. Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, hat seitdem seinen Hut in den Ring geworfen. Ursula Funke, Kammerpräsidentin aus Hessen, hat Ambitionen auf die Vizepräsidentschaft.

Zum Geschäftsführenden Vorstand der BAK zählen neben Thomas Benkert derzeit zudem die Beisitzer Ursula Funke, Dr. Georg Engel, Präsident der Apo­thekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, und Hannes Müller, Vorstandsmitglied der Kammer Westfalen-Lippe.

In den nächsten Jahren wird es viele, fundamental wichtige Themen für den Berufsstand geben, die in den Zuständigkeitsbereich der BAK fallen. Dazu gehören die Etablierung pharmazeu­tischer Dienstleistungen, die Novellierung der Approbationsordnung, die Einführung des E-Rezeptes und anderer digitaler Services. Auch die Apotheker auf Station und die Pilotprojekte für die Grippeschutzimpfungen in den Apotheken sind zukunftsweisende Vorhaben, die politisch forciert und gefördert werden. Wie stellt sich Thomas Benkert konkret seine Arbeit an der BAK-Spitze vor, sollte die Mitgliederversammlung ihn Ende November zu ihrem Präsidenten wählen? Im Rahmen eines Interviews haben wir mit ihm darüber gesprochen.

DAZ: Herr Benkert, Sie kandidieren für die Wahl zum nächsten Präsidenten der Bundesapothekerkammer. Erklären Sie uns bitte kurz, wie es zu der Entscheidung kam.

Benkert: Seit acht Jahren konnte ich als Vizepräsident viel Erfahrung sammeln, mich bei etlichen Projekten einbringen mit dem Ziel, unseren Berufsstand zukunftsfähig zu machen und erfolgreich weiterzuentwickeln. Als Dr. Andreas Kiefer im August seinen Rückzug aus der Standespolitik auf Bundesebene bekannt gab, stand meine Entscheidung fest: An der Spitze der BAK möchte ich in den nächsten Jahren an den zahlreichen Heraus­forderungen wie der Umsetzung des E-Rezepts, der Etablierung honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen, der Novellierung der Approbations­ordnung und dem Abbau überbordender Bürokratie im Apothekenbereich mitwirken.

DAZ: Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) soll der historische Schritt hin zu den vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen gelingen. Das würde für die BAK bedeuten, dass über die konkreten Tätigkeiten öffentlich gesprochen und mit den Krankenkassen verhandelt werden muss. Wie sieht denn der konkrete Fahrplan aus? Wann können wir damit rechnen, dass ein entsprechender Katalog endlich den politischen Entscheidern vorgelegt wird?

Benkert: Der für mich wichtigste Punkt im VOASG ist zunächst einmal die Umsetzung der Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Und das nicht nur in der GKV, sondern ganz entscheidend auch in der PKV und für Selbstzahler. Hier müssen wir alle das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten. Natürlich ist auch im Sinne der Weiterentwicklung des Berufsstands die Einführung honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen entscheidend. Nun sollen ja auch die vergüteten Botendienste aus der Corona-Krise verstetigt werden. Allerdings muss es uns hier ganz klar gelingen, dass die neue Botendiensthonorierung nicht die für Dienstleistungen vorgesehenen Mittel mindert!

DAZ: Werden wir noch vor Ihrer möglichen Amtszeit über konkrete pharmazeutische Dienstleistungen sprechen können?

Benkert: Der von der BAK erstellte Katalog mit für eine Honorierung geeigneten pharmazeutischen Dienstleistungen wird voraussichtlich Ende Oktober im ABDA-Gesamtvorstand diskutiert. Oberstes Gebot ist, dass diese Dienstleistungen für möglichst viele Apotheken auch umsetzbar sein müssen. Es soll keine „Leuchtturm-Dienstleistungen“ geben, die nur sehr wenige Apotheken schultern können.

DAZ: Mitte Juni 2020 gab die BAK Leitlinien und ein Muster-Curriculum zu den Modellprojekten zur Grippeimpfung heraus. In den einzelnen Ländern mussten daraufhin die Regelungen selbst umgesetzt und mit den Kassen ausgehandelt werden. Ist das ein Vorbild für die pharmazeutischen Dienstleistungen oder strebt man eher bundesweit einheitliche Verträge und Vergütungen an?

Benkert: Die Ausarbeitung des Angebots, die angemessene Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen und die Verteilung der hierfür bereitstehenden Mittel sind zunächst eine Angelegenheit, die innerhalb des DAV beraten werden müssen. Die Umsetzung der Verhandlungen mit den Krankenkassen obliegt dann ebenfalls dem DAV und seinen Landesverbänden.

DAZ: Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Thema, mit dem Sie sich in den nächsten Jahren beschäftigen werden: der Novellierung der Approbationsordnung. Anfang des Jahres skizzierten Sie uns im Gespräch den Fahrplan der nächsten Monate (DAZ 2020, Nr. 6, S. 20). So sollte es mehrere runde Tische geben, bei denen man sich mit den unterschiedlichsten Interessengruppierungen austauscht und auf Eckpfeiler einigt. Was konnte davon – trotz Corona – umgesetzt werden?

Benkert: Erste Gespräche haben tatsächlich bereits auf BAK-Ebene stattgefunden. Ein großer runder Tisch jedoch nicht, weil dafür die persön­liche Kontaktmöglichkeit gefehlt hat. Aktuell geht es darum, dass in den einzelnen Bundesländern mit den Ministerien über die Finanzierung gesprochen wird. Sollten einzelne Länder die Novellierung kostenneutral gestalten wollen, würde das bei einer Ausdehnung der Regelstudienzeit zwangsläufig zu einer Reduktion der Studierendenanzahl führen. Das wollen wir mit allen Mitteln natürlich verhindern. Ich gehe davon aus, dass wir in ungefähr einem Jahr einen gemeinsamen Nenner mit allen Interessenvertretern gefunden haben und dann in die konkrete Umsetzung mit dem Ministerium eintreten können.

DAZ: Was könnte bis dahin denn Ihrer Meinung nach der größte Knackpunkt sein bei den Verhandlungen?

Benkert:

Ganz klar die Finanzierungsfrage. Wie viel Geld den Hochschulen bereitsteht, um Personal und Sach­mittel aufzustocken. Das war ja schon ein Thema bei der letzten Novellierung und wir wissen, dass das an den Standorten sehr unterschiedlich umgesetzt und gehandhabt wird. Ein leider nicht sehr gutes Beispiel hierfür ist die flächendeckende Einrichtung von Lehrstühlen für die Klinische Pharmazie.

Gurte, ABS, Airbags für die Arzneimitteltherapiesicherheit

Ursula Funke, die für die Position als Vizepräsidentin der BAK kandidiert, erklärte gegenüber der DAZ: „Sehr gerne würde ich als Stellvertreterin von Thomas Benkert die Bundesapothekerkammer durch die nächsten Jahre führen.“ Im Fokus ihrer Arbeit sieht sie den Patienten: „Die Zahl der Verkehrstoten ist in den letzten Jahrzehnten durch zahlreiche präventive Maßnahmen wie Gurte, ABS oder Airbags massiv gesunken. Das muss dringend auch bei der Zahl an Patienten geschehen, die jährlich durch arzneimittelbezogene Probleme versterben – und das kann nur durch uns Apotheker erfolgen. Die präventiven Werkzeuge haben wir in der Arzneimitteltherapie – aber natürlich müssen Medikationsanalyse und Medikationsmanagement entsprechend honoriert werden, hierbei zeigt sich, wie wichtig die Zusammenarbeit von BAK und DAV unter dem Dach der ABDA ist“. Zum Thema Digitalisierung merkt sie an: „In Deutschland sind wir auf diesem Gebiet nicht die ersten, daher müssen wir uns hierauf nun konzentrieren und selber die Zukunft gestalten.“ Bei der Novellierung der Approbationsordnung liegt Funke vor allem die interdisziplinäre Ausbildung mit den Medizinern am Herzen: „Mir ist eine gute Kooperation mit anderen Heilberuflern sehr wichtig. Ich finde, wir sollten uns nicht durch alte Vorbehalte steuern lassen. Vielmehr wäre es wichtig, wenn werdende Apotheker und Ärzte schon früh im Studium lernen, gegenseitig voneinander zu profitieren, dies in Fort- und Weiter­bildung fortsetzen, um dann im Alltag gemeinsam die Patienten optimal zu versorgen.“ Hier könnte man für die öffentliche Apotheke sicher auch von den Kollegen im Krankenhaus lernen. Im Gebiet der Krankenhauspharmazie zeige das Projekt „Apotheker auf Station“, wie wichtig die Einbindung des Apothekers in die Arzneimitteltherapie ist.

Foto: Kzenon – stock.adobe.com

DAZ: Nächstes und sehr aktuelles Thema für die BAK sind sicher, die Erfahrungen aus der Corona-Krise in die Regelversorgung in den Apotheken zu transferieren. Welche Forderungen stellen Sie hierbei auf?

Benkert: Die Herstellung von Desinfektionsmitteln muss unkompliziert und unbürokratisch in den Apotheken stattfinden können – und zwar jederzeit und ohne Ausnahmegenehmigungen. Das heißt, die Desinfektionsmittel müssen raus aus der Biozid-Verordnung und wieder dem Arzneimittelbereich zugeordnet werden. Weiterhin brauchen wir für die Versorgung der Patienten mit Fertigarzneimitteln freie Hand. Auch hier müssen die Erleichterungen beim Austausch von nicht verfügbaren Rabattarzneimitteln verstetigt werden. Über das Botendiensthonorar haben wir ja bereits vorhin gesprochen.

DAZ: Stichwort: E-Rezept – welche Baustellen sind hier noch offen?

Benkert: Ganz klar die technische Absicherung des Makelverbots! Wir fordern unmissverständlich, dass ein Geschäftemachen mit der Weiter­leitung von E-Rezepten technisch unmöglich gemacht werden muss.

DAZ: Kommen wir zum Schluss nochmal zu den Wahlen an der ABDA-Spitze: Die einzelnen Personalfragen scheinen sich ja nun zu lichten. Thomas Dittrich aus Sachsen bewirbt sich als Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Damit wäre eine bayerische Doppel-Spitze mit Ihnen als BAK-Präsident und Dr. Hans-Peter Hubmann als DAV-Vorsitzender verhindert. Wie bewerten Sie die Verteilung der Ämter?

Benkert: Nach meinem Dafürhalten hätte überhaupt nichts dagegen gesprochen, wenn zwei Personen aus einem Bundesland auch auf Bundesebene Verantwortung übernehmen. Das hat es schon in der Vergangenheit gegeben. Erinnern wir uns nur an die gemeinsame Amtszeit von Heinz-Günter Wolf als ABDA-Präsident und Magdalene Linz als BAK-Präsidentin.

DAZ: Was sagen Sie zu allen nun bekannt gewordenen Kandidaturen?

Benkert: Zum Glück leben wir in einem Land mit demokratischen und freien Wahlen. Warten wir doch einfach ab und lassen Sie uns die, die in die Verantwortung geschickt werden, am Erfolg ihrer Arbeit messen.

DAZ: Ursula Funke aus Hessen hat bekannt gegeben, als BAK-Vizepräsidentin zu kandidieren.

Benkert: Ich kenne Frau Funke bereits recht lange, schätze ihr Engagement und ihre Arbeit nicht nur auf Landesebene, sondern auch im BAK-Vorstand sehr und würde mich wirklich außerordentlich freuen, wenn wir auch künftig zum Wohl des Berufsstands zusammenarbeiten würden.

DAZ: Herr Benkert, vielen Dank für das Gespräch. |

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