Pandemie Spezial

Warnung vor Nanosilber-Masken

Von einer Verwendung wird abgeraten

Im Handel finden sich unterschiedlichste Maskentypen, die vor SARS-CoV-2 schützen sollen. Auch mit Nanosilber ausgerüstete Behelfsmasken wurden und werden in großem Stil angeboten. Ein Hersteller hatte seine Produkte zunächst sogar als FFP2-Masken ausgewiesen, allerdings waren sie nicht zertifiziert [1]. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt [2]. Zwar gebe es Hinweise, dass SARS-CoV-2 durch eine Nanosilberlösung inaktiviert wird, doch sei eine abschließende gesundheitliche Bewertung nicht möglich. Es rät von der Verwendung ab. Prof. Dr. Ralf Stahlmann, ehemaliger Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hat für die DAZ die nachfolgende Bewertung vorgenommen.
Foto: privat

Prof. Dr. Ralf Stahlmann

Die COVID-19-Pandemie ist gekennzeichnet durch ein beispielloses Auf und Ab der Empfehlungen zur Therapie der Erkrankung. Das deutlichste Beispiel ist Chloroquin: Trotz anfänglicher Euphorie über die hohe Aktivität in ­virusinfizierten Zellkulturen brachten alle prospektiven klinischen Studien enttäuschende Ergebnisse. Die In-vitro-Aktivität lässt sich offensichtlich in vivo nicht verifizieren. Die möglichen Risiken stehen jeder prophylaktischen oder therapeutischen Anwendung im Wege. Ähnlich ist die Situation bei etlichen anderen Arzneistoffen.

Angesichts der unbefriedigenden therapeutischen Möglichkeiten ist der Wunsch nach Maßnahmen zum maximalen Schutz vor der Virusinfektion verständlich. Auch hier gab es in den vergangenen Monaten unterschiedliche Empfehlungen. Heute ist zumindest klar: Abstand, Hygiene und Alltagsmasken sind wirksam und damit sinnvoll.

Zurückhaltung ist geboten

Das Fazit aus den bisherigen Erfahrungen lautet: Bevor Nutzen und Risiken einer präventiven oder therapeutischen Maßnahme nicht eindeutig belegt sind, ist Zurückhaltung geboten. Trotzdem werden immer wieder Empfehlungen ausgesprochen, die nicht wissenschaftlich fundiert sind. Die Verwendung von Silber bzw. Nanosilber in Atemschutzmasken ist ein typisches Beispiel.

Fotos: Screenshots, https://www.produktwarnung.eu

Achtung: Dies sind keine FFP2-Masken! Unter www.produktwarnung.eu wird unter der Warnnummer A12 / 00899/20 vor der antimikrobiellen Halbgesichtsmaske FFP2 gemäß EN 149 der Marke Hanvico gewarnt, da es sich um keine zertifizierte FFP2-Maske handelt [1]! Produkt: Biozidpartikelfiltermaske, Name: Antimikrobieller Mund-Nasenschutz, Typ/Nummer des Modells: FFP2 NANOSILBER, Barcode: 4 260614 260160.

„Abstoßendes Aussehen“

Die antimikrobielle Wirkung von Silber ist seit Jahrhunderten bekannt, mögliche schädliche Wirkungen allerdings auch: Bei kontinuierlicher Exposition kann es als Folge von Silber­ablagerungen zu irreversiblen grauschwarzen Verfärbungen der Haut und innerer Organe kommen („Argyrie“). Als Nachteil der Silberexposition wird als Folge möglicher Ablagerungen im Gesicht daher in historischen Quellen das „abstoßende Aussehen“ genannt.

Viele Fragen ...

Bevor die Verwendung von Nanosilbermasken empfohlen wird, wären grundlegende Informationen etwa durch Antworten auf die folgenden Fragen erforderlich: Ab welcher Konzentration von Nanosilber lässt sich in Zellkulturen eine Reduktion der SARS-CoV-2-Vermehrung nachweisen? Können – ähnlich wie Bakterien – auch die Viren silberresistent werden? Wie hoch ist der Gehalt an Silber in den Masken? Geht der Silbergehalt durch den Gebrauch im Laufe der Zeit zurück? Lässt sich in einem direkten Vergleich von regulären Masken mit den silberbeschichteten Varianten ­belegen, dass die Virusverbreitung ­reduziert wird? Schließlich: Ist eine Freisetzung von Silberionen möglich? Bestehen Risiken durch Ablagerung des Metalls in der Haut bei Dauergebrauch?

... warten auf Antwort

Eine Beantwortung dieser Fragen sollte prinzipiell möglich sein und könnte die Skepsis gegenüber solchen Masken reduzieren. Fundierte wissenschaftliche Arbeiten über die spezifische Aktivität von Nanosilber gegen SARS-CoV-2 fehlen jedoch. Am überzeugendsten wäre natürlich der Nachweis, dass die Infektionsrate tatsächlich reduziert wird. Die Erfahrungen bei der Entwicklung von Therapeutika gegen COVID-19 sollten auch im Bereich der Prävention berücksichtigt werden. Suggestive Werbeaussagen, die eine antimikrobielle Wirkung von Silberionen in vitro kritiklos in eine Reduktion der Virusverbreitung beim Tragen einer silberhaltigen Maske transformieren, ignorieren diese Erfahrungen.

Fazit

Solange sogar die grundlegenden Daten fehlen, wird von einer Verwendung abgeraten. Bisher ist eine Bewertung möglicher Schutzwirkungen und gesundheitlicher Risiken nicht möglich, und die Fragen zur Resistenzausbreitung sind offen. |

Das könnte Sie auch interessieren

Eine Stunde bei 70 °C tötet SARS-CoV-2

N95-Masken lassen sich recyceln

Kennzeichnung verkehrsfähiger FFP2-Masken

Alles CE oder was?

Warum der Nachweis von SARS-CoV-2 nicht zwingend mit Infektiosität gleichzusetzen ist

Gefürchtete RNA auf Oberflächen

Vermeintliche Wundermittel gegen COVID-19 auf dem Prüfstand

Was ist geblieben?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.