Pandemie Spezial

Wenn SARS-CoV-2 das Herz attackiert

Langfristige kardiovaskuläre Folgen sind auch bei leichtem COVID-19-Verlauf möglich

Einer Untersuchung der Universitätsklinik Frankfurt zufolge lassen sich nach längst überstandener SARS-CoV-2-Infektion bei 60% der Betroffenen Anzeichen einer myokardialen Entzündung nachweisen. Die Folgen dieser Entzündung sind derzeit noch nicht einzuschätzen, geben aber Anlass zur Sorge.

Die Liste potenzieller Spätfolgen einer überstandenen COVID-19-Infektion wird immer länger: Nach dem Bekanntwerden von Schäden an der Lunge, neurologischen Auswirkungen und metabolischen Komplikationen wurden nun auch kardiale Spätschäden festgestellt. Dies geht unter anderem aus einer prospektiven Beobachtungsstudie der Universität Frankfurt hervor. An ihr nahmen 100 Patienten teil, die zwischen April und Juni 2020 an einer diagnostisch bestätigten COVID-19-Infektion erkrankt und zwischenzeitlich wieder genesen waren. Von diesen Patienten lagen demografische Daten, Laborparameter und Aufnahmen einer nichtinvasiven Herzbildgebung (kardiovaskuläre Magnetresonanztomografie; MRT) vor und diese wurden mit den entsprechenden Daten einer Kontrollgruppe (gesunde Probanden und Probanden mit Risikofaktoren) verglichen. Die genesenen COVID-19-Patienten waren zwischen 45 und 53 Jahre alt; die Zeit zwischen der Diagnose und der MRT-Aufnahme lag zwischen 64 und 92 Tagen. Zwei Drittel der Patienten wurden ambulant, ein Drittel wurde stationär behandelt. Zum Zeitpunkt der bildgebenden Dia­gnostik waren die high-sensitiv Troponin-T-Werte (Marker für Herzmuskelschaden) bei 76% der Erkrankten höher als in den Vergleichsgruppen (davon bei 5% signifikant erhöht). Im Vergleich mit der Kontrollgruppe hatten die an COVID-19 Erkrankten eine geringere linksventrikuläre Ejektionsfraktion und ein höheres linksventrikuläres Volumen sowie Anzeichen einer Herzmuskelentzündung. 78 Patienten wiesen im kardiovaskulären MRT Auffälligkeiten am Herzen auf, bei 60 von ihnen waren noch Zeichen einer bestehenden Herzmuskelentzündung nachweisbar (erfasst mithilfe von T1- und T2-Mapping, das früh­zeitig gefährliche Umbauprozesse im Herzen erkennt). Bei einem Teil der Patienten wurde nach Gabe des Kontrastmittels Gadolinium bereits vernarbtes Herzmuskelgewebe festgestellt. Die Herzveränderungen traten unabhängig vom Schweregrad und dem Verlauf der COVID-19-Erkrankung sowie unabhängig vom Zeitpunkt der Diagnose und von den Vorerkrankungen der Patienten auf.

Foto: abhijith3747 – stock.adobe.com

EIne SARS-CoV-2-Infektion kann das Herz dauerhaft schädigen, die Pandemie, so die Befürchtung, könnte zu einer Zunahme von Herzerkrankungen führen.

Mögliche Konsequenzen

Die langfristigen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Betroffenen können derzeit noch nicht eingeschätzt werden, so die Studienautoren. Da bei einem großen Teil der Patienten noch Wochen nach der Genesung eine anhaltende Entzündung des Herzmuskels nachweisbar ist, könnte dies zu bleibenden Schäden führen. Diese Befürchtung wird auch von einem Kommentator der Studie hervorgehoben. Die Tatsache, dass noch Monate nach der Diagnose eine linksventrikuläre Dysfunktion sowie eine anhaltende Entzündung nachweisbar sind, könnte auf die Entwicklung einer Herzinsuffizienz und auf weitere kardiovaskuläre Komplikationen hinweisen. Um dies zu bestätigen oder zu entkräften, seien die Sammlung und Prüfung weiterer Daten erforderlich. Sollten sich die beängstigenden Hinweise auf eine linksventrikuläre Dysfunktion und die hohe Rate an Entzündungen bewahrheiten, wird die COVID-19-Pandemie die Häufigkeit eines Herzversagens und chronischer kardiovaskulärer Komplikationen erhöhen, so der Kommentator. |

Literatur

Puntmann V et al. Outcomes of Cardiovascular Magnetic Resonance Imaging in Patients Recently Recovered From Coronavirus Disease 2019 (COVID-19). JAMA Cardiol. Published online July 27, 2020. doi:10.1001/jamacardio.2020.3557

Yancy CW et al. Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) and the Heart – Is Heart Failure the Next Chapter? JAMA Cardiol. Published online July 27, 2020. doi:10.1001/jamacardio.2020.3575.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
 

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