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Pandemie Spezial
Corona-Ticker
Neuigkeiten zu SARS-CoV-2 in Kürze
Wir sichten regelmäßig die Informationsflut und haben wichtige Mitteilungen und neue Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengefasst:
Schützen vorangegangene Erkältungen vor COVID-19?
30% der saisonalen Erkältungen lassen sich auf eine Infektion mit Coronaviren zurückführen. Eine Forschergruppe der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik hat jetzt zeigen können, dass auch die T-Zellen von gesunden Menschen SARS-CoV-2 erkennen können. Während der Versuche wurde den Blutproben von COVID-19-Patienten und gesunden Probanden künstlich hergestelltes Spike-Protein von SARS-CoV-2 zugegeben. Bei knapp jedem dritten Gesunden (35%) wurde dabei das Spike-Protein vom Immunsystem erkannt, bei den Infizierten waren es 85%. Während die CD4+-T-Zellen von COVID-19-Patienten auf die komplette Länge des Spike-Proteins reagierten, erkannten die Immunzellen der Gesunden vorwiegend Abschnitte des Spike-Proteins, die den Strukturen anderer typischer Erkältungscoronaviren ähneln. Inwieweit sich diese Kreuzreaktivität tatsächlich auf die körpereigene Bekämpfung von SARS-CoV-2 auswirken kann, soll jetzt in einer Folgestudie geklärt werden [Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin, 29. Juli 2020].
Antitumormittelals Therapieoption
Bei der Suche nach geeigneten Therapieoptionen gegen COVID-19 verkündet der Hersteller Apogenix AG, dass der Wirkstoff Asunercept in einer offenen, randomisierten, kontrollierten Phase-II-Studie in Russland getestet werden soll. Asunercept ist ein humanes Fusionsprotein, das gegen den CD95-Rezeptor wirkt. Dieser spielt bei der Entstehung einer Lymphopenie, dem Zelltod durch Entzündung und Epithelschäden der Lunge bei COVID-19-Patienten eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der Studie sollen etwa 400 Patienten in vier verschiedenen Behandlungsarmen therapiert werden: Drei erhalten Asunercept in unterschiedlichen Dosierungen, die vierte Gruppe erhält als Kontrollgruppe die übliche Standardtherapie. Als primärer Endpunkt der Studie gilt die Zeit bis zu einer klinischen Verbesserung in einer Kategorie über mindestens zwei aufeinanderfolgende Tage, gemessen auf der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Skala. Asunercept hat in der EU und in Amerika den Orphan-Drug-Status zur Behandlung des Glioblastoms und des myelodysplastischen Syndroms inne [Pressemeldung der Apogenix AG, 28. Juli 2020].
Neues aus der Impfstoffentwicklung
Ad26.COV2.S, der COVID-19-Impfstoffkandidat von Janssen Pharmaceutica N. V., Pharmasparte von Johnson & Johnson, wird ab sofort in einer Phase-I/IIa-Studie an gesunden Probanden aus Belgien und den USA getestet. Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen Adenovirus-Impfstoff, der im Gegensatz zu den mRNA-Impfstoffen nur einmal verabreicht werden muss. Ein nicht infektiöses Adenovirus Serotyp 26 wird hier als Vektor genutzt, um nach der Injektion im Muskel die Exprimierung des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 zu induzieren und so eine Immunreaktion auszulösen. Zuvor war Ad26.COV2.S an 52 Rhesusaffen getestet worden und hatte in diesen die Bildung neutralisierender Antikörper ausgelöst. Zwei andere Adenovirus-Impfstoffe aus Großbritannien und China befinden sich bereits in der Phase-I-Prüfung und haben dort bei dem Großteil der Probanden neutralisierende Antikörper und eine T-Zellantwort ausgelöst.
Dagegen befindet sich der mRNA-Impfstoff der Firma Moderna bereits in der Phase III der klinischen Prüfung. Parallel wurde die Immunantwort des Impfstoffs an 24 Rhesusaffen getestet, von denen je acht zwei Injektionen mit 10 µg oder 100 µg Impfstoff bzw. Placebo erhielten. Vier Wochen nach der zweiten Injektion wurde den Affen SARS-CoV-2 in die Nase und Trachea platziert. Erwartungsgemäß erfolgte in der Placebo-Gruppe bei allen Affen eine Infektion. In den beiden Impfstoff-Gruppen konnte bei jeweils einem Affen nach zwei Tagen SARS-CoV-2 in der Lunge nachgewiesen werden. In der höheren Dosierung waren keine Viren in der Nase nachweisbar. Insgesamt konnten auch nur geringe Entzündungen in der Lunge der geimpften Makaken nachgewiesen werden. Ob diese gute Immunantwort des Impfstoffs auch auf den Menschen übertragen werden kann, bleibt abzuwarten [Mercado NB et al. Nature 2020. doi:10.1038/s41586-020-2607, Corbett KS et al. NEJM 2020. doi: 10.1056/NEJMoa2024671].
Mehr als 50% der beatmeten Patienten verstirbt
Mittels Daten von 10.021 AOK-Versicherten, die im Zeitraum Februar 2020 bis April 2020 aufgrund von COVID-19 in einem Krankenhaus behandelt worden sind, konnte festgestellt werden, dass etwa jeder fünfte (22%) hospitalisierte COVID-19-Patient verstirbt. 17% der Patienten mussten beatmet werden, und das im Schnitt über 13,5 Tage. Dabei waren Männer doppelt so häufig (22%) betroffen wie Frauen (12%). Von den nichtbeatmeten Patienten überlebten 16% die Infektion nicht, in der künstlich beatmeten Gruppe waren es sogar mehr als die Hälfte (53%). Insgesamt mussten 6% aller Patienten im Verlauf der Krankheit an die Dialyse. Besonders hoch war das Risiko zu versterben, wenn der Patient neben der Dialyse auch noch künstlich beatmet werden musste (73%) [Karagiannidis C et al. The Lancet 2020. Doi:10.1016/S2213-2600(20)30316-7].
Schützende Zytokin-Hemmer?
Die Anwendung von Arzneimitteln, die in das komplexe Geschehen des Immunsystems eingreifen, birgt immer auch ein erhöhtes Infektionsrisiko. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen mit entzündlichen Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn, Psoriasis und rheumatoider Arthritis in Zeiten von Corona sehr verunsichert sind. Zugleich ist bekannt, dass verschiedene Zytokine, die als Targets in der Therapie solcher Erkrankungen dienen, auch eine Rolle bei schweren COVID-19-Verläufen in Form von Zytokin-Stürmen spielen. In einer Studie des Deutschen Zentrums für Immuntherapie wurde nun an mehr als 2000 Probanden untersucht, inwieweit ein Zusammenhang zwischen der Therapie mit TNF-alpha-, Interleukin-6- und Interleukin-17-Inhibitoren und COVID-19 gesehen werden kann. Für die Analyse wurden die IgG-Titer gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 in vier Gruppen betrachtet: Zwei Gruppen hatten chronisch-entzündliche Erkrankungen, von denen eine Gruppe mit Zytokin-Inhibitoren behandelt wurde, die andere nicht. Außerdem wurden zum Vergleich die Antikörper-Titer von Personen des Gesundheitssystems, die an der Behandlung dieser Patienten beteiligt waren, und von gesunden Personen aus dem gleichen Bezirk herangezogen. Erwartungsgemäß hatte die Gruppe der im Gesundheitswesen Beschäftigten mit 3,09% die höchste Antikörper-Prävalenz. Während ähnlich viele Patienten ohne Zytokin-Therapie Antikörper gegen das virale Spike-Protein im Blut aufwiesen wie die gesunde Kontrollgruppe, wurden nur bei vier Personen (0,75%) aus der Patientengruppe, die Zytokin-Inhibitoren erhalten, SARS-CoV-2-Antikörper nachgewiesen. Da die übrigen Faktoren alle ähnlich waren, schlussfolgern die Wissenschaftler daraus, dass die Anwendung von Zytokin-Inhibitoren möglicherweise einen protektiven Effekt hat. Um diesen Zusammenhang jedoch sicher klären zu können, müssen weitere Studien durchgeführt werden [Simon D et al. Nature 2020. doi:10.1038/s41467-020-17703-6].
Tocilizumab enttäuscht
Die aktuelle Pressemitteilung des Herstellers Roche verkündet leider keine guten Nachrichten: Tocilizumab (Roactemra®) bringt in der Phase-III-Studie keinen Nutzen für schwer erkrankte COVID-19-Patienten. Der Interleukin-6-Inhibitor war vor dem Hintergrund getestet worden, dass er möglicherweise einen Zytokin-Sturm, bei dem Interleukin-6 eine wichtige Rolle spielt, verhindern oder mildern kann. In der randomisierten, doppelblinden Studie hatten 450 Patienten die Standardtherapie zusammen mit Tocilizumab oder Placebo erhalten. Nach 14 Tagen wurde der Zustand der Patienten in sieben Kriterien bewertet. Hier war keine statistisch signifikante Verbesserung des Zustands in der Verum-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe erkenntlich. Auch im sekundären Endpunkt, der Senkung der Mortalitätsrate, konnte kein Benefit durch die Tocilizumab-Gabe gesehen werden: So starben in der Verum-Gruppe mit 19,7% annähernd so viele Patienten wie in der Vergleichsgruppe (19,4%). Lediglich die Zeit bis zur Krankenhausentlassung war mit 20 Tagen acht Tage kürzer als in der Placebo-Gruppe [Pressemitteilung von Roche, 29. Juli 2020]. |
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