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Schwerpunkt Verblistern
Im Showroom
Interview mit Heike Gnekow, Inhaberin der Adler Apotheke Hamburg
Im Hamburger Stadtteil Wandsbek betreiben Holger Gnekow und seine Tochter Heike Gnekow die Adler Apotheke mit langer Familientradition gemeinsam als OHG. Die Apotheke ist mit der Techniker Krankenkasse an einem Pilotprojekt für das eRezept beteiligt. Sie hat jeden Tag von 8 bis 24 Uhr geöffnet und ist auch durch ihr Büchergeld für Pharmaziestudierende bekannt. Der „Pharmaservice“ am Filialstandort in Hamburg-Borgfelde bietet ein breites Leistungsspektrum mit Rezeptur, Heimversorgung und Verblisterung. Die Wochenblister werden unter industriellen Bedingungen bei der Multidos GmbH hergestellt, an der Holger Gnekow und weitere Apotheker beteiligt sind. Die Multidos Hamburg und die Multidos Rhein-Main produzieren an ihren beiden Standorten in Seevetal und Bad Camberg Blister für über 20.000 Patienten, die von mehr als 100 Apotheken versorgt werden. Nach eigener Aussage ist die Multidos in Deutschland Marktführer beim Verblistern. Doch um den Patienten das Verblistern nahezubringen, gibt es auch in der Offizin der Adler Apotheke in Hamburg einen Blisterautomaten hinter Glas. Dort können sich Kunden zum Kennenlernen kleine Mengen von Arzneimitteln verblistern lassen, wie Heike Gnekow im Interview erläutert.
DAZ: Wie lange bietet Ihre Adler Apotheke schon Verblisterungen und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Gnekow: In der Heimversorgung bieten wir seit 2008 maschinell erstellte Schlauchblister an. Vorher haben wir in den Apothekenräumen Kartenblister hergestellt. Der Aufwand war enorm. Änderungen sind im laufenden Blister nicht gut abzubilden. Die Umstellung auf Schlauchblister bietet viele Vorteile: erhöhte Sicherheit und flexible Einnahmeschemata statt nur vier Einnahmezeitpunkten. Außerdem sind Ergänzungsblister möglich, wenn in der laufenden Woche Änderungen nötig sind. Schlauchblister sind sehr praktisch, da man einzelne Tütchen abreißen kann. Sie sind sehr sicher und hygienisch, und die Arzneimittel können dezent eingenommen werden. Seit 2009 lassen wir bei der Multidos Hamburg verblistern, sind beeindruckt vom hohen Qualitätsstandard und haben sehr viel Vertrauen in das Produkt.
DAZ: Sie haben vor 2009 selbst schon viel verblistert. Was sprach dafür, eine noch größere Organisation zu nutzen?
Gnekow: Die Verblisterung im Herstellungsbetrieb erfüllt deutlich höhere Qualitätsstandards als in der Apotheke. Mein Vater hat damals gemeinsam mit anderen Kollegen, die auch Pflegeheime versorgen, die Multidos gegründet. Uns ist wichtig, den Pflegeheimen ein sicheres und innovatives Produkt zu liefern.
DAZ: Sie haben dazu auch eine eigene Software entwickelt. Worum geht es dabei?
Gnekow: Wenn man verblistert, stellt sich immer die Frage nach dem korrekten, aktuellen Medikationsplan. Im deutschen Gesundheitswesen wird leider noch unheimlich viel gefaxt, und es gibt so ein Bermuda-Dreieck zwischen Heim, Arzt und Apotheke, in dem irgendwelche Faxe und Informationen verschwinden. Hinterher heißt es dann, die Apotheke habe „falsch“ verblistert, dabei waren nur die Informationen nicht aktuell. Daher haben wir eine gesicherte Onlineplattform entwickelt. Im CareConnector wird der Medikationsplan der Bewohner abgebildet und ist für alle gleichzeitig sichtbar. So sind alle Beteiligten auf demselben Stand – und der Blister ist korrekt.
DAZ: Gegen das Verblistern wird argumentiert, das Pflegepersonal verliere den Bezug zu den Arzneimitteln. Was entgegnen Sie darauf?
Gnekow: Ich bezweifle, dass der Bezug zum Arzneimittel nur dann besteht, wenn man sagen kann, welches Arzneimittel von welcher Firma welche Farbe und Form hat. Viel wichtiger ist es doch beispielsweise zu wissen, ob es nüchtern eingenommen werden soll oder gemörsert werden darf. Dafür bietet die Verblisterung große Vorteile, da solche Infos auf die Blisterbeutel gedruckt werden können. Die Pflegekräfte haben außerdem mehr Zeit, sich um die Bewohner zu kümmern, weil sie nicht stundenlang Tabletten stellen. Ich habe auch übrigens noch keine Pflegekraft erlebt, die sich nach Einführung der Verblisterung wieder zurück ins Kämmerlein wünscht und lieber selber stellen würde.
DAZ: Rechnet sich das Verblistern wirtschaftlich? Oder anders gefragt: Hängt dies von der Zahl der Patienten ab und wie viele Patienten braucht man für eine wirtschaftlich tragfähige Arbeitsweise?
Gnekow: Optimierte Arbeitsabläufe sind in der Heimversorgung enorm wichtig, sonst verzettelt man sich. Ich denke, dass auch eine kleine Heimversorgung mit Verblisterung Spaß macht, wenn man sich entsprechend organisiert. Das Problem ist, dass die Programme der Softwarehäuser häufig teuer sind und sich die Anschaffung deshalb erst ab einer größeren Patientenzahl rechnet. Die Verblisterung ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal für Apotheken, deshalb wäre es toll, wenn es für kleine Heimversorgungen oder Blister für Offizinkunden „kleine“ Programmversionen gäbe.
DAZ: Sie zeigen seit etwa einem Jahr in Ihrer Offizin einen Blisterautomaten hinter einer Glaswand. Damit möchten Sie Patienten außerhalb von Pflegeheimen für das Verblistern unter dem Stichwort „Pill-Pack“ gewinnen. Welche Vorteile sehen Sie für diese Patienten?
Gnekow: Wenn ein Blister gut ist für Bewohner im Pflegeheim, die betreut sind, dann muss er auch eine Erleichterung für Menschen sein, die zu Hause leben und Medikamente einnehmen. Diese Auffassung vertreten wir schon lange, und seit Jahren versuchen wir, unsere Offizinkunden für den Blister zu begeistern. Aber viele können sich noch nicht so richtig etwas darunter vorstellen. In die Hauptapotheke in Wandsbek haben wir deshalb unsere Blisterie gebaut. Sie ist gewissermaßen unser „Showroom“ für die Verblisterung. Offizinkunden können sich dort ihre Medikamente verblistern lassen und dabei zuschauen, wie der Blister hergestellt wird. Die Verblisterung soll somit für die Offizinkunden erlebbar werden. Sie können den PillPack testen, und wenn sie daran Gefallen finden, läuft die dauerhafte Verblisterung über die Multidos. Das macht das Angebot niederschwellig.
DAZ: Gibt es typische Patientengruppen außerhalb von Pflegeheimen, für die sich das Verblistern anbietet? Wen sprechen Sie an und wer geht auf das „Pill-Pack“ ein?
Gnekow: In der Offizin sind interessanterweise nicht unbedingt die älteren Patienten am PillPack interessiert. Es sind vielmehr die mittelalten Chroniker, die keine Lust mehr haben, sich die Medikamente selbst zu sortieren. Sie empfinden den PillPack als praktisch, sicher, dezent und sehr flexibel. Sie reißen sich häufig morgens den Beutel für abends gleich mit ab und haben ihn dabei, falls sich spontan die Abendplanung ändert. Auch pflegende Angehörige empfinden den PillPack als große Erleichterung. Die älteren Offizinkunden springen noch nicht so sehr darauf an. Sie haben häufig das Gefühl, man würde ihnen etwas wegnehmen wollen. „So alt bin ich noch nicht“, hört man dann.
DAZ: Die Offizinkunden müssen für die Verblisterung 5 Euro für zwei Wochen zahlen. Ist das oft ein Hindernis oder wird das eher problemlos akzeptiert?
Gnekow: Für einen Coffee to go zahlen die Kunden ohne zu zucken 3,75 €. Der Preis ist in den wenigsten Fällen ein Hinderungsgrund.
DAZ: Welche Vorteile sehen Sie für Ihre Apotheke in diesem Angebot?
Gnekow: Wir möchten mehr Zusatzleistungen in der Apotheke anbieten und zwar unabhängig von der Abgabe einer kleinen eckigen Packung. Die Verblisterung bietet so viele Vorteile für den Patienten. Sie ist eine sehr sichere Art der Arzneimitteleinnahme, state of the art sozusagen. Wir benötigen für die Verblisterung einen Medikationsplan und haben damit direkt den Einstieg ins Medikationsmanagement. PillPack ist ein super Service für unsere Kunden, und wir sehen die Verblisterung als echtes Alleinstellungsmerkmal der öffentlichen Apotheke.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch. |
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