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Verdacht verpflichtet!

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Die Erfassung von Nebenwirkungen ist ein unverzichtbares Element zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit. Gebetsmühlenartig fordern die Arzneimittelkommissionen der Ärzte und der Apotheker daher dazu auf, Verdachtsfälle zu melden. Leider nicht mit durchschlagendem Erfolg.

Das wollten drei junge Unternehmer ändern und haben dazu das Online-Portal „Nebenwirkungen.de“ gegründet. Ruft man die Startseite auf, so liest man, dass es sich um Deutschlands größtes Online-Meldeportal handelt, das einfach, schnell und zuverlässig Arzneimittel sicherer macht. Zu Beginn richtete sich das Unternehmen gezielt an Patienten, inzwischen sind jedoch auch Ärzte und Apotheker ins Marketingvisier gerückt.

So erhielten wir im Juli eine Pressemitteilung mit einem gelben Herzen aus Pillen und dem Titel „Online-Plattform erleichtert Apothekern die Meldung von Nebenwirkungen“. Es folgen dramatische Zahlen über Menschen, die an unerwünschten Arzneimittelwirkungen sterben. Dann die erschütternde Botschaft, dass weniger als 1% aller Nebenwirkungen tatsächlich erfasst wird, weil viel zu wenige Ärzte und Apotheker melden. „Nebenwirkungen.de“ weiß auch, warum das so ist: „Der behördliche Meldeprozess ist zu lang und zu umständlich!“ Deshalb die frohe Botschaft der Pressemitteilung: Apotheker werden jetzt in den Meldeprozess von „Nebenwirkungen.de“ eingebunden.

Nun ist in der Tat alles begrüßenswert, was dazu geeignet ist, die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. ­Unbestritten lässt die Meldebereitschaft unter den Heilberuflern stark zu wünschen übrig. Aber ist das privatwirtschaftlich agierende Online-Portal tatsächlich der Problemlöser und unser behördliches Pharmakovigilanzsystem der alte, in die Jahre gekommene träge Dinosaurier?

Das wollten wir von den Pharmakovigilanz-Experten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wissen und haben sie gebeten, uns zu erläutern, wie das behördliche System zur Erfassung und zum Umgang mit Nebenwirkungsverdachtsmeldungen aufgestellt ist. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart: So antiquiert wie postuliert kommt das System keinesfalls daher (s. S. 44).

Und wie stehen die an dem öffentlichen Meldesystem beteiligten Institutionen zu der privatwirtschaftlichen Konkurrenz? Besonders scharfe Kritik kommt von den Arzneimittelkommissionen der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und der Deutschen Apotheker (AMK) (s. S. 45). So macht die AMK in aller Klarheit deutlich, dass Apotheker aufgrund der Berufsordnung verpflichtet sind, jeden Verdacht auf Nebenwirkungen an die AMK zu melden. Eine Meldung an Dritte entbindet sie nicht von dieser Pflicht. Wer also als Apotheker sich mit seiner Verdachtsmeldung an „Nebenwirkungen.de“ wendet, muss auch und in jedem Fall noch an die AMK melden. Das vereinfacht den Meldeprozess nicht, es macht ihn schlicht komplizierter. Zudem muss das privatwirtschaftliche Portal auch noch Geld verdienen, und das mit hochsensiblen Gesundheits­daten. Das kann einfach nicht der Weg sein, der zu mehr Arzneimittelsicherheit führen soll.

Direkt melden unter Umgehung privater Anbieter ist damit das Gebot der Stunde. Und so umständlich, wie die Macher von „Nebenwirkungen.de“ suggerieren, ist der Weg über die AMK nun auch wieder nicht (s. S. 50). Auch hier kann der Bogen online ausgefüllt werden, mit dem Vorteil, dass die Meldung schnell und ohne fehlerträchtige Umwege bearbeitet werden kann.

Doris Uhl

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