Die Seite 3

Blanko unterschrieben

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Die Trägheit der Masse hält das geplante „Apothekenstärkungsgesetz“ in Bewegung und niemand vermag ihm seinen gefährlichen Drall zu nehmen. Aus Spahns Referenten­entwurf ist ein Kabinettsentwurf entstanden. Nun ist der Bundesrat am Zug und muss über das Reformvorhaben abstimmen. Die ABDA nutzt den Etappenwechsel und veröffentlicht eine neue Stellungnahme (S. 15). Doch das allein dürfte nicht ausreichen, weil noch vieles im Argen liegt.

Es ist offensichtlich, dass die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium alles andere als eine wirkungsgleiche Alternative zum Rx-Versandverbot darstellen. Beim „Apothekenstärkungsgesetz“ handelt es sich vielmehr um ein brodelndes Gebräu, dessen Mixtur immer unklarer wird – genauso wie die Frage, wer schon wie oft darin gerührt hat und wer am Ende am meisten davon löffeln wird.

So mancher sieht bereits, wie sich die einzelnen Bestandteile zu einer gefährlichen Kettenreaktion zusammenfügen: Arzneimittelautomaten plus elektronische Verordnungen plus Wiederholungsrezepte plus ­fehlendes Makelverbot für Dritte – fertig ist das Tonikum für die Versandhandels­branche.

Gerade im Hinblick auf die vorgesehenen Regelungen zu automatisierten Ausgabestationen für Arzneimittel lässt sich eigentlich nur zweierlei folgern: Entweder haben die Juristen des Ministeriums die „Hüffenhardt-Urteile“ höchst stümperhaft in den Gesetzestext gefasst. Oder dieser dubiosen Distributionsform wird hier mit voller Absicht Tür und Tor geöffnet. Demnach sollen sich die Automaten der Versandhändler auch außerhalb ihrer Betriebsräume befinden dürfen. Der Rechtsbruch von einst wird somit zum Vorbild für die Gesetzgebung von morgen – unfassbar!

Doch die Kritik der ABDA schießt an dieser Stelle über das Ziel hinaus. Verboten werden sollen ihrer Auffassung nach nicht nur automatisierte Ausgabestationen à la Hüffenhardt, sondern generell alle Formen von Abholstationen, also auch diejenigen, die durch Vor-Ort-Apotheken betrieben werden könnten. Man darf stark bezweifeln, dass diese Haltung von den meisten Apothekern mitgetragen wird. Lieferengpässe, besondere Kundenwünsche und ein allgemein verändertes Konsumverhalten verlangen auch ein Umdenken in der pharmazeutischen Versorgung. Weshalb werden die damit zusammenhängenden Chancen und Gefahren nicht mal auf offener Bühne diskutiert?

Ohne sich im Detail verlieren zu müssen, reicht eine nüchterne ökonomische Betrachtung des „Apothekenstärkungsgesetzes“ aus, um zu erfassen, welche Perspektiven sich dem Berufsstand damit wirklich eröffnen (S. 18): Das Boni-Verbot im Sozialrecht steht auf wackeligen Beinen und rabattierbare Privatverordnungen werden zunehmend in den EU-Versandhandel wandern. Dem Gesamtvolumen von heute noch rund sieben Milliarden Euro Rx-Ertrag – übrigens aktuell schon nicht mehr ausreichend, um die Apothekenstruktur zu finanzieren – steht die Aussicht auf rund 50 Millionen Euro Honorarverbesserung und 150 Millionen Euro für Dienstleistungen gegenüber. Mit dem Zurückstellen der Forderung nach einem Rx-Versandverbot hat sich die Standesvertretung auf dieses Missverhältnis eingelassen und die weitere Entwicklung gewissermaßen blanko unterschrieben.

Armin Edalat

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