Diabetes

Monster-Fun für Sugar-Kids

Apps und Websites für Kinder mit Diabetes

Von Reinhild Berger | Smartphones und Tablets üben auf Kinder und Jugendliche eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Den Umgang mit Apps müssen sie in den seltensten Fällen erlernen, sie kommen in der Regel völlig intuitiv damit klar. Apps speziell für an Diabetes erkrankte Kinder können mit ihren spielerischen Elementen helfen, den Umgang mit dieser ernsten Stoffwechselerkrankung besser zu beherrschen. Die Mitgliedschaft in einer virtuellen Selbsthilfegruppe kann dazu beitragen, das eigene Schicksal anzunehmen und die ­Lebensfreude zu aktivieren.

Die Tagebuch-App „mySugr Junior“ (für iOS und Android verfügbar) möchte spielerisch durch den Alltag kleiner Diabetiker führen, sobald diese in der Lage sind, selbst zu lesen und zu schreiben. Das ganz große Plus: Man braucht für die Einrichtung der App zwei Smartphones. Auf diese Weise ist eine erwachsene Person (Mutter, Vater) immer mit dem Kind verbunden, alle Einträge werden sofort synchronisiert. Das Kind wird also ständig virtuell begleitet. Das schafft Unabhängigkeit für das Kind, aber auch Sicherheit für die Eltern. Eine Anmeldung mit E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer ist notwendig. Die App ist durch ein Passwort geschützt.

Tagebuch-App „mySugr Junior“

Kinderleichte Menüführung

Die Menüführung von mySugr Junior ist im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht und kinderfreundlich: Das Kind kann seinen eigenständig gemessenen Blutzuckerwert eintippen, kann aber auch sein Messgerät fotografieren und das Foto an die erwachsene Bezugsperson schicken. Es kann die Broteinheiten seiner Mahlzeiten aufgrund von Erfahrungswerten selbst schätzen – oder die Mahlzeit fotografieren, das Bild verschicken und sich so Hilfe holen. Die App errechnet die benötigten Insulin-Einheiten. Für jede gelungene Aktion erhält das Kind ein Feedback durch ein freundliches Comic-Monster. Das Ziel ist es, möglichst viele Monster-Belohnungen in Form von Punkten zu sammeln und jeden Tag eine bestimmte Punktzahl zu erreichen. Das Motto dabei heißt: Zähme Dein Diabetes-Monster!

Mühelos können Kinder so den Umgang mit ihrer Krankheit lernen und ihr Wissen über den Zusammenhang von Nahrungszufuhr, Blutzuckerwerten und Insulingaben ausbauen. Das Layout und die Menüführung durch die App sind sehr kindgerecht, fröhlich, ansprechend. Alle Werte lassen sich, in „Reports“ zusammengefasst, für den Arztbesuch dokumentieren. Die Nutzer­bewertungen im Internet sind überwiegend positiv. Die Zeitschrift Focus hat die App getestet und mit der Bewertung „sehr gut“ zum Sieger unter verschiedenen Diabetes-Apps erklärt.

Die kostenlose Version mySugr (in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch verfügbar) lässt sich upgraden in mySugr Pro, die keine Werbung mehr enthält, aber zusätzliche Unterstützungs-Elemente wie automatische Erinnerung an die nächste Blutzuckermessung, übersichtliche Analysen und mehr bietet.

Die ergänzende App mySugr Quiz soll das Wissen über Diabetes und den Umgang mit der Krankheit vertiefen. Die Fragen sind mit „Ja“ oder „Nö“ zu beantworten, was zunächst auf eine kindgerechte Sprache hinweist. Allerdings tauchen eine Menge Fachbegriffe auf (und leider auch Rechtschreibfehler). Man muss zum Beispiel wissen, was Hypoglykämie, Glykogen und ein glykämischer Index sind. Und ob eine Frage nach morgendlichen Erek­tionen bei männlichen Diabetikern für Kinder geeignet ist, mag jeder selbst entscheiden. Auch wiederholen sich die Fragen sehr schnell wieder, sodass die Aufmerksamkeit nur begrenzt gefesselt wird. Ziel des Quiz ist es, möglichst viele Punkte zu sammeln.

Hinter „mySugr“ steht ein Wiener Start-up-Unternehmen, das Mobile-Health-Programme anbietet mit dem Anspruch, die Therapie von Diabetikern zu verbessern. Zwei der vier Firmengründer sind selbst an Diabetes ­erkrankt – daher die Motivation. Per E‑Mail kann man sich an Personen wenden, die sich mit ihrem Vornamen ansprechen lassen, was die Hemmschwelle sinken lässt.

„Sugarpoint Kids“: nur fürs iPhone

Belohnung motiviert

„Sugarpoint Kids“ bezeichnet sich als „die erste Diabetes App für Kinder (und Junggebliebene) mit Diabetes“. Diese in den Sprachen Deutsch, Englisch, Russisch und Portugiesisch verfügbare App will Eltern und Kindern beim täglichen Diabetes-Management helfen. Auch hier lassen sich alle Daten zwischen zwei Smartphones austauschen und abgleichen. Nachteil: Die kostenpflichtige App (3,99 Euro) ist nur fürs iPhone verfügbar, nicht für Android.

Im Sugarpoint Kids Wunderland warten dann wieder lustige Monster, die das Kind für regelmäßige Einträge belohnen. Mit Zugriff auf die Kamerafunktion lassen sich die Mahlzeiten ­fotografieren. Man kann sich an die Blutzuckermessung und die Insulin­gabe erinnern lassen, Broteinheiten ausrechnen, sportliche Aktivitäten dokumentieren, alle Messwerte in Auswertungs- und Vergleichsgrafiken umsetzen. Liebevoll gezeichnete Monsterbilder lassen das Kinderherz hochschlagen und laden zur Nutzung der App ein. App-Entwickler ist ein Frankfurter Software-Unternehmen.

Die Computerzeitschrift Chip hat 2015 verschiedene Diabetes-Apps getestet und dabei „Sugarpoint Kids“ einen Spitzenplatz zugewiesen.

„Broteinheiten“: Lebensmittel von A bis Z

Eine einfache und zudem kostenlose App, die keinerlei persönliche Daten erfordert, ist „Broteinheiten“. Sie versteht sich als mobile Hilfe für die Einschätzung des Kohlenhydratgehalts von Nahrungsmitteln und enthält umfangreiche Lebensmittellisten vieler Hersteller und Anbieter, angefangen bei Agrarfrost und Aldi bis hin zu Wagner-Pizza und Zott. Auch Kinder finden hier, mit etwas Übung, Mengenangaben und Broteinheiten, können Kohlenhydratgehalte in Broteinheiten umrechnen und erhalten so Anhaltspunkte für die Insulinzufuhr. Die ­Suche erfolgt über die Suchfenster „Hersteller“, „Kategorie“ und „Produktnamen“. Außerdem gibt es einen News-Button, der zu Informationen der Web­site www.diabetes-kids.de führt.

Austausch und Expertenrat

Eine virtuelle Selbsthilfegruppe betreibt die Website www.diabetes-kids.de. Es handelt sich um eine private Initiative der Familie Bertsch aus dem hessischen Dreieich, deren Tochter bereits im Alter von 1,5 Jahren an Diabetes erkrankte. Hier teilen betroffene Eltern ihre Sorgen mit anderen Eltern – wobei die Kinder im Mittelpunkt stehen. Es gibt ein Informationsforum und getrennt davon ein Elternblog. Auf einer interaktiven Landkarte lassen sich Kliniken, Kinderdiabetologen, Schulungsstätten, regionale Selbsthilfegruppen und auf Diabetes spezialisierte Babysitter ausfindig machen. Außerdem werden Paten vermittelt, die selbst Diabetes haben und ihr Wissen jungen Diabetikern zur Verfügung stellen möchten. Korrekterweise wird auf der Website immer wieder deutlich sichtbar darauf hingewiesen, dass die Informationen keinen Ersatz für eine professionelle Beratung durch Gesundheitsexperten und eine ärztliche Behandlung darstellen.

Bei www.diabetes-kids.de gibt es einen Mitgliederbereich, auf dem man sich mit vollständigen und persönlichen Daten, die manuell überprüft werden, anmelden muss. Anonymität ist hier nicht möglich. Die registrierten Mitglieder können sich austauschen, Expertenrat erhalten und ein persön­liches Tagebuch sowie ein Fotoalbum führen – alles geschützt vor Such­maschinen und der Öffentlichkeit.

Laut eigenen Angaben hat die Website im Monat 21.000 Besucher, eine beträchtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland ca. 30.000 Diabetiker unter 19 Jahren gibt.

Grundsätzlich sollten Eltern, deren Kinder eine Gesundheits-App nutzen, wissen, dass sie zum Beispiel über Tagebucheinträge immer persönliche Daten ans Netz liefern. Eine Datenschutzerklärung des Anbieters ist von Vorteil. Auch sollte man nach einem Hinweis suchen, ob der App-Anbieter die Nutzerdaten möglicherweise zu Marktforschungszwecken weiterverkauft.

Bei kostenlosen Apps sollte man darauf achten, dass möglicherweise App-intern kostenpflichtige Dienste ablaufen können, zum Beispiel SMS-Versand, Anrufe, In-App-Käufe. Sowohl im App-Store als auch bei Google Play kann man Hinweise auf den App-Anbieter finden, dessen Website aufrufen und sich über die Herkunft der App informieren. |


Autorin

Reinhild Berger, Apothekerin und Fachjournalistin

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