Diabetes

Gut geschult

Kinder mit Diabetes können ein fast normales Leben führen

Foto: rkris - Fotolia.com
Von Ines Winterhagen | Diabetes mellitus ist in Deutschland die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kinder- und Jugendalter. Etwa 30.500 Kinder und Jugendliche unter zwanzig Jahren sind an Diabetes-Typ-1 erkrankt. Diese Diagnose bedeutet eine komplette Lebensumstellung: nicht nur für den kleinen Patienten selbst, sondern für die ganze Familie. Im Unterschied zum Erwachsenendiabetes ändert sich die Insulinempfindlichkeit bei Kindern und Jugendlichen ständig, sei es durch Wachstumsschübe und hormonelle Veränderungen oder durch unterschiedliche Tagesabläufe mit teils unregelmäßiger Nahrungsaufnahme und nicht vorhersehbarer körperlicher Aktivität. Zudem erfordern die besonders bei Kleinkindern häufig auftretenden Infekte eine äußerst flexi­ble Behandlung [1].

Schulung als Grundbaustein der Therapie

Regelmäßige Schulungen sind nach wie vor die Basis der komplexen Diabetestherapie. Hierbei müssen die Betroffenen sowie die gesamte Familie und alle Betreuer in die Behandlung einbezogen und entsprechend geschult werden, um das nötige Wissen und praktische Fertigkeiten für die Umsetzung der Therapie im Alltag zu erlernen. Erforderlich sind unterschiedliche Schulungsangebote (Struktur, Inhalte, didaktisches Konzept) für Vorschulkinder, Grundschulkinder, Teenager in der Pubertät und Jugendliche beim Übergang in die erwachsenendiabetologische Betreuung. In spezialisierten Einrichtungen [2] erfolgt bei Erstdiagnose eine ausführliche Schulung durch interdisziplinäre Teams aus Kinderärzten, Kinderkrankenschwestern, Diabetes- und Ernährungsberatern, Sozialarbeitern, Physiotherapeuten und Kinder- und Jugendpsychologen. Situationsbezogen und alltagstauglich werden umfangreiche theoretische und praktische Kenntnisse zur Insulininjektion und Blutzuckermessung vermittelt sowie über richtige Ernährung und mögliche Spätkomplikationen aufgeklärt. Aufgrund der zunehmenden kognitiven Reife der Kinder und Jugendlichen sollten sich in zwei- bis dreijährigen Abständen Folgeschulungen anschließen [3]. Auch neue Lebensabschnitte wie die Einschulung oder neue Therapiekonzepte, z. B. der Beginn einer Insulinpumpentherapie oder der Einsatz einer kontinuierlichen Glucosemessung (CGM), sind durch zusätzliche entsprechende Schulungen zu begleiten (z. B. „Fit für die Schule“: Trainingsprogramm zur Einschulung für fünf- bis siebenjährige Kinder mit Typ-1-Diabetes, entwickelt vom Team des Diabeteszentrums im Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult, Hannover; Schulungsprogramm „SPECTRUM“: Grundlagen und Anwendung einer kontinuierlichen Glucosemessung) [1].

Die Kinder sind je nach Bereitschaft und Entwicklungsstand in die Diabetestherapie miteinzubeziehen. Vor allem Grundschulkinder wollen beteiligt werden und lernen, sich den Blutzucker selbst zu messen und mit dem Insulin-Pen umzugehen. Wegen möglicher Fehler ist aber weiterhin eine Kontrolle durch die Eltern erforderlich. Grundsätzlich gilt es, eine ausgewogene Balance zwischen zu viel Vertrauen und Überbehütung zu finden. Die Kinder und Jugendlichen dürfen aber auch nicht überfordert werden, indem ihnen zu früh die alleinige Verantwortung für die Therapie übertragen wird.

Tagesbetreuung und Schule

Neue Herausforderungen tauchen im Kindergarten, spätestens aber mit Schulbeginn auf. Jetzt müssen auch die Betreuungspersonen in den entsprechenden Einrichtungen über den Diabetes und den Umgang damit aufgeklärt werden. Die Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie hat kleine Broschüren herausgegeben („Kinder mit Diabetes im Kindergarten“, „Kinder mit Diabetes in der Schule“ [4]), die Erziehern und Lehrern zur Verfügung gestellt werden können. Die wichtigste Aufgabe der Lehrer ist es, die Anzeichen einer Hypoglykämie wie Blässe, Schwitzen, Zittern, Sprachstörungen, Unkonzentriertheit, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit oder Verwirrtheit zu erkennen und richtig zu reagieren. Lehrer sollten bei auffälligen Symptomen den Blutzuckerwert des Kindes messen. Als Gegenmaßnahme bei einer Unterzuckerung ist eine rasche Zufuhr von Kohlenhydraten erforderlich (vier Plättchen bzw. acht bis zehn Drops Traubenzucker, 200 ml Fruchtsaft oder normale Cola). Danach soll das Kind lückenlos beaufsichtigt bleiben, das gilt besonders für den Weg von der Schule nach Hause. Mitschüler sind darüber aufzuklären, dass ein Kind mit Diabetes gegebenenfalls auch während des Unterrichts essen darf. Der Lehrer sollte auf regelmäßige Nahrungszufuhr vor allem vor dem Sport und bei Ausflügen achten. Die Eltern haben ihrerseits dafür zu sorgen, dass ihr Kind nötige Dinge wie Messgerät, Insulin, ausreichend Essen, Diabetikerausweis und Telefonnummer der Eltern und des Arztes stets dabei hat. Durch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern kann ein guter Mittelweg zwischen Überbewertung und Bagatellisierung der Erkrankung gefunden und somit eine positive Entwicklung des Kindes gefördert werden.

Sport ja, aber unter Vorsichtsmaßnahmen

Kindern mit Diabetes darf keinesfalls die Möglichkeit des Erfolgserlebnisses in Sport und Spiel genommen werden. Sie sollten daher nicht vom Sportunterricht freigestellt werden, wenn vorbeugende Maßnahmen gegen eine Unterzuckerung getroffen werden. Das Hypoglykämierisiko bei Sport ist deutlich erhöht, da der Blutzucker durch den Energieverbrauch gesenkt wird. Die Gefahr kann vermindert werden, wenn zum Beispiel bei vormittags geplantem Sport zuvor das Basal-Insulin um ca. 20 bis 50% reduziert wird. Gegebenenfalls sollte auch das morgendliche Prandial-Insulin um 30 bis 50% reduziert werden. Bei Ausdauersport von mehr als ein bis zwei Stunden Dauer wird eventuell für die Mahlzeit vor dem Sport nur 20 bis 75% der üblichen Prandialdosis benötigt. Bei Insulinpumpentherapie kann die Basalrate temporär abgesenkt oder die Pumpe während des Sports abgelegt werden. Nach intensiver körperlicher Bewegung sollte zusätzlich eine kohlenhydratreiche Mahlzeit eingenommen werden. Zudem ist vor, während und nach dem Sport der Blutzucker zu kontrollieren [3].

Foto: Conely Jay/SPL/Agentur Focus

Zur Bildung einer korrekten Hautfaltewerden mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger Haut und Unterhautfett­gewebe locker angehoben, ohne den Muskel zu erfassen. Der Griff an der Hautfalte sollte erst gelöst werden, nachdem die Injektionsnadel entfernt wurde. Wird die Hautfalte zu früh losgelassen, so besteht die Gefahr, dass intramuskulär injiziert wird.

Kritische Phase: Pubertät

Besonders viele Jugendliche mit Diabetes haben während der Pubertät Schwierigkeiten, angemessen mit ihrer Krankheit zurechtzukommen. Sie streben nach Unabhängigkeit, wollen ungezügelt leben und nicht durch strenge Regeln eingeschränkt sein. Um nicht aufzufallen, werden Insulin-­Injektionen bewusst ausgelassen und hohe Blutzuckerspiegel einfach ignoriert. Teenager zeigen meist sehr wenig Interesse an der Verhinderung von Spätfolgen, weshalb sich eine exakte Einhaltung der Diabetestherapie dann äußerst schwierig gestaltet. In dieser Zeit bedarf es sehr viel Einfühlungsvermögen vonseiten der Familie und des behandelnden Arztes. Gemeinsam mit dem Jugendlichen und der Familie sollen individuelle Therapieziele formuliert werden (HbA1c-Wert, Blutzuckerzielbereiche, Verhaltensänderungen bei risikofördernder Lebensweise u. a.). Jetzt können spezielle Therapieangebote Jugendliche zu einem selbstständigen Umgang mit dem Diabetes anleiten. Schulungen mit anderen gleichaltrigen Betroffenen sind sinnvoll, damit die Erkrankung leichter akzeptiert wird. In der Pubertät ist die Ablösung von den Eltern ganz wichtig. Der Jugendliche sollte aber jemanden im Umfeld informieren, der ihm in Notfallsituationen zur Seite stehen kann. Ganz wichtig ist die Information, dass Alkohol zu massiven Schwankungen des Blutzuckerspiegels mit nächtlichen Hypoglykämien führen kann. Mädchen sollten über Risiken einer Schwangerschaft bei schlecht eingestelltem Diabetes, Jungen über mögliche Erektionsprobleme aufgeklärt sein.

Intensivierte Insulin-Therapie

Kinder und Jugendliche mit Diabetes benötigen eine individuelle und altersgerechte Behandlung und werden daher fast alle mit einer intensivierten Insulin-Therapie (ICT) behandelt, die eine große Flexibilität im Alltag ermöglicht und generell das Hypoglykämierisiko vermindert. Oft müssen die Eltern in den ersten Jahren die Injektion mit Insulin-Pens übernehmen, alternativ kann eine Insulin-Pumpe eingesetzt werden. Mit beiden Therapieformen ist eine gute Stoffwechseleinstellung möglich. Die Entscheidung, ob ein Kind bei Manifestation mit einer Insulin-Pumpe oder einem Insulin-Pen beginnt, hängt vor allem vom Alter ab. Bei sehr kleinen Kindern, besonders Neugeborenen, Säuglingen und Vorschulkindern setzt sich zunehmend die Insulin-Pumpen-Therapie als Starttherapie durch. 2013 wurden 86% aller Diabetespatienten im Alter unter fünf Jahre damit behandelt [3]. Ab dem Schulalter werden hingegen oft Insulin-Pens für die Insulin-Therapie eingesetzt und erst beim Auftreten von Problemen (z. B. ausgeprägtem Blutzuckeranstieg in den frühen Morgenstunden) auf eine Pumpe umgestellt. Meist kommen zwei bis drei verschiedene Pens und damit Insuline zum Einsatz, die bedarfsgerecht verwendet werden können. Tabelle 1 zeigt eine Auswahl von Pens für Kinder.

Tab. 1: Wiederbefüllbare Insulin-Pens für Kinder und Jugendliche [5, 6, 7, 8]
Produktname
Hersteller
Zubehör
Anmerkungen
JuniorStar®
in blau, rot und silber
Sanofi-Aventis Deutschland GmbH
BD Micro-Fine UltraTM
0,25 × 4 mm
0,25 × 5 mm
0,25 × 8 mm
mylife® Clickfine 4 mm
mylife® Clickfine 6 mm
mylife® Optifine 6 mm
1 bis 30 Einheiten in 0,5er Schritten; einfache Dosiskorrektur, großes Display, geringes Gewicht; drei verschiedene Farben zur leichten Unterscheidbarkeit verschiedener Insuline; Kurzbedienungsanleitung auch in Englisch, Russisch und Türkisch verfügbar
BerliPen® junior
in grün und orange
Berlin-Chemie AG
BerliFine® micro Kanülen 0,25 × 5 mm
0,25 × 8 mm
1 bis 25 Einheiten, 0,5 IE; Injektion mit geringem Kraftaufwand; exaktes, hörbares Einrasten nach Insulininjektion; einfache Dosiskorrektur durch Zurückdrehen des Dosierknopfes; altersgerechtes Layout; kindergerechte Kurzanleitung
BerliPen® Precision
in weiß und schwarz
Berlin-Chemie AG
BerliFine® micro Kanülen 0,25 × 5 mm
0,25 × 8 mm
1 bis 25 Einheiten, 0,5 IE; deutliches Klicken nach Dosisabgabe; Injektion mit geringem Kraftaufwand; einfache Dosiskorrektur durch Zurückdrehen des Dosierknopfes
HumaPen® Luxura HD
dschungelgrün
Lilly Deutschland GmbH
BD Micro-Fine UltraTM
0,25 × 4 mm
0,25 × 5 mm
0,25 × 8 mm
0,5 bis 30 Einheiten; 0,5 IE; bereits ab der ersten halben Einheit dosierbar; robust; einfache Dosiskorrektur durch Zurückdrehen des Dosierknopfes;
Kurzanleitung auch in Russisch und Türkisch verfügbar;
unterschiedliche wieder ablösbare Klebefolien mit verschiedenen Mustern zur individuellen Verzierung, Aktionen und unterstützende Materialien auf der Internetseite
NovoPen® Echo
in blau und rot
Novo Nordisk Pharma GmbH
NovoFine® 6 mm
NovoFine® 8 mm
BD Micro-Fine UltraTM
0,25 × 4 mm
0,25 × 5 mm
0,25 × 8 mm
0,5 bis 30 Einheiten; 0,5 IE; einfache Memory-Funktion: speichert Dosis und Zeitpunkt der letzten Injektion; deutliches Klicken nach Dosisabgabe
pendiq®
momentan nicht verfügbar;
Nachfolgeprodukt soll in der ersten Jahreshälfte 2016 vorgestellt werden
Pendiq GmbH
pendiq® comfort plus
4 mm
5 mm
6 mm
8 mm
enthält neue Nadeln plus extra Entsorgungskammer für gebrauchte Nadeln
0,1 IE; kleinste Zwischenschritte sind sonst nur mit der Insulinpumpe möglich; empfohlene Mindestdosis 0,5 IE; speichert Datum, Uhrzeit und injizierte Einheiten; variable oder feste Dosierungen sind programmierbar; über USB wiederaufladbarer Akku; motorbetriebene Injektion auf Knopfdruck; kompatibel mit den gängigen Insulin-Patronen

Insulin-Pens für Kinder

Pens mit kleinen Dosierschritten ermöglichen die Abgabe von Insulin in Halbeinheiten. In den Kurzanleitungen der Firmen wird die Durchführung der Insulininjektion leider nur selten kindergerecht erklärt. Diese erfolgt in mehreren Schritten:

  • 1. Patrone einsetzen, dazu Kappe vom Pen abziehen und Patronenhülse vom Gehäuse abdrehen, Gewindestange vollständig in die Ausgangssituation zurückdrehen, neue Patrone einsetzen, Patronenhülse wieder fest an das Gehäuse schrauben.
  • 2. Nadel gerade aufsetzen (je nach Nadeltyp aufschrauben oder -stecken).
  • 3. Sicherheitstest durchführen, um Luftblasen zu entfernen und die ordnungsgemäße Funktion von Pen und Nadel zu testen: durch Drehen des Dosierrings zwei Einheiten einstellen, Nadelschutzkappe abnehmen, Pen mit der Nadel nach oben halten und Dosierknopf drücken, prüfen, ob an der Nadelspitze Insulin austritt.
  • 4. Dosis einstellen: nach dem Sicherheitstest darauf achten, dass im Dosierfenster „0“ angezeigt wird, am Dosierknopf drehen und gewünschte Dosis einstellen.
  • 5. Dosis injizieren: Nadel in die Haut einstechen, Injektionsknopf langsam vollständig eindrücken und eingestellte Dosis injizieren, Injektionsknopf vollständig eingedrückt halten, langsam bis zehn zählen, dann erst Nadel aus der Haut ziehen.
  • 6. Nadel entfernen: auf ebener Fläche Nadel in die äußere Nadelschutzkappe einführen; Nadelschutzkappe vom Pen drehen oder abziehen und in einem durchstichsicheren Behälter entsorgen; Penkappe wieder auf den Pen auf­setzen.

Die richtige Kanülenlänge

Für Kinder und Jugendliche eignen sich vor allem Kanülen mit einer Länge von 4 mm, 5 mm oder 6 mm. Grundsätzlich hängt die Länge nicht nur von der Hautdicke, sondern auch von der Spritztechnik ab – mit oder ohne Hautfalte; senkrechter oder schräger Einstich (siehe Tabelle 2) [9]. Zur Entsorgung von Kanülen können den Betroffenen spezielle Kanülen-Sammelbehälter angeboten werden (z. B. Medibox®, BD Sharps® Container). Einige Firmen liefern zugehörige Entsorgungsboxen bei einer Bestellung der Kanülen kostenlos mit (z. B. Klinion®). Eine Besonderheit ist die Kanülenbox pendiq® comfort plus. Sie enthält neue Nadeln und Entsorgungskammer für gebrauchte Nadeln in einem Behälter [8].

Patientenalter
empfohlene Nadellänge ohne Hautfalte mit senkrechtem Einstich
empfohlene Nadellänge mit Hautfalte und schrägem oder senkrechtem Einstich
Kinder unter zwölf Jahren, Jugendliche mit BMI unter 19
4 mm
6 mm
Jugendliche (zwölf bis 18 Jahren), BMI 19 bis 25
6 mm
8 mm

Messgeräte für verschiedene Bedürfnisse

Zur Blutzuckerbestimmung sind zahlreiche Messgeräte mit den unterschiedlichsten Ausstattungsmerkmalen auf dem Markt [9, 11]. Viele von ihnen ermöglichen, die Daten auf einen Computer herunterzuladen und somit ein Diabetestagebuch elektronisch zu führen. Für Kinder eignen sich vor allem robuste, vollautomatische Geräte ohne Schalterbetätigung und mit geringem Blutbedarf (0,3 bis 1 µl). Für Jugendliche steht darüber hinaus eine Vielzahl an Geräten mit besonderen Eigenschaften zur Verfügung: mit i-Phone- oder i-Pad-Anschluss (z. B. IBG® Star [Fa. Sanofi], GlucoDock®, [Fa. Medisana]), mit Insulinvorschlag (FreeStyle® InsuLinx), mit Bluetooth-Funktion (GlucoTel®, [Fa. BodyTel]), mit möglicher Eingabe von Insulin und Kohlenhydraten in das elek­tronische Tagebuch (Contour® Next USB) oder mit Übertragung der Messergebnisse per Funk an Insulinpumpen von Medtronic (Contour® Link).

Blutzuckermessung, aber richtig

Bei der Blutzuckermessung sind wichtige Schritte zu beachten: Vor der Messung sollten die Hände gewaschen werden. Dann wird die Lanzette in die Stechhilfe gesetzt, die Stechtiefe eingestellt und der Teststreifen ins Messgerät eingeführt. Die Stechhilfe sollte seitlich an einer Fingerkuppe angesetzt und danach der Auslöser betätigt werden. Der Blutstropfen ist vorsichtig an den ins Gerät eingelegten Teststreifen zu halten. Abschließend sollte das angezeigte Ergebnis im Blutzuckertagebuch oder per App dokumentiert werden. Um Fehler bei der Blutzuckermessung zu vermeiden, ist das Verfalldatum der Teststreifen zu überprüfen und der Behälter unbedingt verschlossen zu halten, damit die Streifen keine Feuchtigkeit ziehen. Bei der Messung darf der Finger nicht gequetscht werden, sonst gelangt Gewebsflüssigkeit in das Blut mit einem falsch niedrigen Ergebnis. Der Blutzuckerwert fällt ebenfalls zu niedrig aus bei nicht abgetrocknetem Desinfektionsmittel. Hingegen können ungewaschene Hände einen zu hohen Messwert liefern.

Auf die Technik kommt es an

Das Insulin muss ins Unterhautfettgewebe gespritzt werden. Injektionen in die darunter liegende Muskulatur sind nicht nur schmerzhaft, auch die Wirkung des Insulins ist nicht zu kontrollieren. Darum darf die Pen-Nadel nicht zu lang und nicht zu kurz sein. Ob man mit der freien Hand eine Hautfalte bildet oder nicht, hängt von der Dicke des Fettgewebes an der Einstichstelle ab. Die Oberhaut ist nur 1,5 mm bis 2 mm dick, direkt darunter trifft man schon ins Unterhautfett, wenn senkrecht eingestochen wird. Bei zu langen Nadeln besteht schnell die Gefahr, die darunter liegende Muskulatur zu treffen, wenn keine hinreichende Hautfalte gebildet wird. In der Regel wird in diese Hautfalte etwa senkrecht eingestochen, bis die Nadel völlig verschwunden ist. Wichtig ist, die Einstichstellen konsequent zu wechseln und großzügig Abstand zur letzten Spritzstelle zu halten. So kann verhindert werden, dass sich Gewebsveränderungen (Lipohyper­trophien) bilden.

Wo, wann und wie oft messen?

Die klassischen Messstellen sind die Fingerkuppen oder das Ohrläppchen. Mit einigen Messgeräten (z. B. Microlet® 2, mylife® Softlance, beurer® Stechhilfe) kann der Blutzucker aber auch an alternativen Stellen wie Hand- und Daumenballen, Ober- und Unterarm, Oberschenkel, Wade oder Bauch gemessen werden. Bis auf den Handballen sind diese Stellen allerdings schlechter durchblutet, sodass veränderte Blutzuckerspiegel erst mit einer zeitlichen Verzögerung von ca. einer halben Stunde angezeigt werden. Daher eignen sich alternative Messstellen nicht bei raschen Änderungen des Glucose-Spiegels nach dem Essen, beim Sport oder bei Unterzuckerungen [9].

Die Blutzuckerwerte und die Insulin-Tagesdosis können bei Kindern und Jugendlichen stark schwanken und müssen daher regelmäßig kontrolliert werden. Die Anzahl der am Tag erforderlichen Messungen hängt von der Stoffwechselsituation und den Lebensumständen ab. Gemessen werden sollte in folgenden Situationen:

  • präprandial immer, postprandial zur Therapieanpassung
  • vor, eventuell während und nach intensiver körperlicher Bewegung zur Vermeidung von Hypoglykämien,
  • nach einer Hypoglykämie,
  • während einer Krankheit oder während einer ungewohnten Situation [3].

Bei Infekten wie Fieber, Durchfall, Erbrechen kann der Blutzucker entgleisen, hier sind häufigere Messungen notwendig.

Im Mittel wurden laut Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation im Behandlungsjahr 2014 fünf Messungen bei Kindern und Jugendlichen pro Tag vorgenommen. Bei jungen Kindern (Alter unter fünf Jahre) wurde der Blutzucker mit durchschnittlich 6,5 Messungen pro Tag am häufigsten gemessen, bei Jugendlichen dagegen nur 4,1-mal pro Tag [1]. Wie viele Teststreifen der Arzt verordnet, liegt in seinem eigenen Ermessen. Gemäß Aussage der kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe gibt es keine Obergrenze für die Verordnung von Blutzuckerteststreifen zur Behandlung von insulinpflichtigen Diabetes-Patienten [12].

Wer übernimmt die Kosten?

Seit dem 1. Oktober 2010 gelten besondere Bestimmungen, die die Abgabe von Blutzuckerteststreifen zu Lasten der Ersatzkassen regeln. Grundsätzlich dürfen vom Arzt namentlich verordnete Teststreifen aus der Preisgruppe A („Marktführer“) weiterhin abgegeben werden, seit 1. April 2015 sollten Apotheken jedoch 45% aller abgegebenen Teststreifen aus der Preisgruppe B (preisgünstige Blut­zuckerteststreifen, „generische Anbieter“) beliefern. Der Patient muss dann eventuell auf ein anderes Blutzuckermessgerät umgestellt und geschult werden. Bei Nicht-Erreichen der Quote pro Kalenderhalbjahr droht der Apotheke ein Malus [13].

Continuous Glucose Monitoring (CGM)

Geräte zur kontinuierlichen Glucosemessung (z. B. DexCom® G4, FreeStyle® Navigator, iPRO2® System, MiniMed® Paradigm Veo System) messen mit einer unter die Haut geschobenen Sonde permanent den Glucose-Gehalt in der Gewebeflüssigkeit des Unterhautfettgewebes. Die Systeme haben den Vorteil, einen 24-Stunden-Überblick über den täglichen Blutzuckerverlauf zu bieten und somit Hypoglykämien besser zu vermeiden. Eine kontinuierliche Glucosemessung ist zu empfehlen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes zur Senkung der Hypoglykämierate, bei rezidivierenden nächtlichen Hypoglykämien oder bei fehlender Hypoglyk­ämiewahrnehmung bzw. bereits öfter aufgetretenen schweren Hypoglykämien. Momentan besteht nur in Ausnahmefällen ein Anspruch auf Versorgung mit einem CGM-System. Die Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses wird jedoch für 2016 erwartet. Bis dahin gehören zur Genehmigung eines CGM-Geräts neben einem Kostenvoranschlag des Herstellers ein diabetologisches Gutachten, ausführliche Blutzucker-Protokolle und eine sorgfältige Begründung, warum Zuckerschwankungen mit punktuellen Messungen nicht in den Griff zu bekommen sind [3, 9, 14]. |

Literatur

[1] Deutscher Gesundheitsbericht 2016, Herausgeber: diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Kirchheim Verlag, Mainz, www.diabetesde.org

[2] Zertifizierte Arztpraxen/Kliniken für Kinder und Jugendliche mit ­Diabetes, www. deutsche-diabetes-gesellschaft.de

[3] Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter, S3-Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Diabetologie (AGPD), AWMF-Registernummer 057–016, Aktualisierung 2015

[4] Schulungsmaterialien www.diabetes-kinder.de

[5] Kurzbedienungsanleitung JuniorStar®, Sanofi Diabetes, www.diabetologieportal.de

[6] Kurzanleitung BerliPen® Precision bzw. BerliPen® junior, www.berlin-chemie.de

[7] Kurzanleitung Luxura® HD, www.lilly-diabetes.de

[8] Informationen der pendiq GmbH, www.pendiq.com

[9] Baum A. Diabetes-Beratung in der Apotheke. Wort & Bild Verlag, Baierbrunn 2013

[10] Schmeisl GW, Drobinski E. Diabetes, Stoffwechsel und Herz, Band 18, 4/2009

[11] Poster Blutzuckermessgeräte & Zubehör, Arbeitshilfe, Stand 12/2015, www.deutschesapothekenportal.de

[13] Blutzuckerteststreifen: Keine Verordnungsobergrenze bei insulinpflichtigem Diabetes. diabetes-forum, www.diabetes-forum.de/news/details/821/Blutzuckerteststreifen-Keine-Verordnungsobergrenze-bei-insulinpflichtigem-Diabetes

[14] Arbeitshilfe 27: Neuregelung zur Versorgung mit Blutzuckerteststreifen, Stand 06/2015, www.deutschesapothekenportal.de

[15] Leitfaden zur Beantragung von CGM Systemen, Verein Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M), www.menschen-mit-diabetes.de/leitfaden-zur-beantragung-von-cgm-systemen

Autorin

Ines Winterhagen hat in Marburg Pharmazie studiert und ist seit der Approbation 2003 in der öffentlichen Apotheke tätig. Sie ist Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde. In der Reihe „Beratungspraxis“, die im Deutschen Apotheker Verlag erscheint, schrieb sie die Bücher „Neurodermitis“ und „Psoriasis“. Sie ist Referentin und Mitglied im Weiter­bildungsausschuss der LAK Baden-Württemberg.

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