Gesundheitspolitik

Ärztezahl steigt, Apothekenzahl hinkt hinterher

Von Klaus G. Brauer und Uwe Hüsgen

Die Zahl der Vertragsärzte1, die für die ambulante Versorgung zur Verfügung stehen, wächst deutlich schneller als die Zahl der Betriebsstätten der Apotheken (Haupt- sowie Filialapotheken). Versorgten 1994 noch gut 130 Vertragsärzte 100.000 Einwohner, so waren es 2010 schon fast 150; eine Steigerung um 14,0%. Die Zahl der Apothekenbetriebsstätten pro 100.000 Einwohner ist hingegen zwischen 1994 und 2010 nahezu unverändert geblieben. Sie hat sich von knapp 26 nur um 2,3% auf gut 26 verändert.

Der zwischenzeitliche, deutliche Rückgang der Zahl der Apotheken pro 100.000 Einwohner wurde – bis 2010 – im Gefolge der 2004 eingeführten Filialisierungsmöglichkeit kompensiert, mit aktuell wieder abnehmender Tendenz.

Hintergründe in Zahlen und Fakten

Der "Ärztemangel" in der ambulanten Versorgung2 stellt sich vor diesem Hintergrund vorrangig als Verteilungsproblem dar. Das ist verwunderlich, weil die Vertragsärzte in Deutschland nach wie vor einer bundesweiten Bedarfsplanung unterliegen.3

Auch wenn zutrifft, dass immer mehr approbierte Ärzte eine nichtärztliche Tätigkeit anstreben oder ins Ausland abwandern – die Zahl der Vertragsärzte, die für die Versorgung der Bevölkerung, und damit auch der GKV-Versicherten zur Verfügung stehen, ist trotzdem Jahr für Jahr stetig gestiegen. Seit der Wiedervereinigung 1990 wurde in den neuen Bundesländern zunächst ein Vertragsarztdefizit abgebaut. Dieser Prozess war aber Ende 1993 weitgehend abgeschlossen. Seit 1993/1994 liegt bundesweit der prozentuale Zuwachs an Vertragsärzten mit einer Ausnahme4 immer unter 2% pro Jahr.

Zahl der Apotheken und der Vertragsärzte je 100.000 Einwohner, prozentual betrachtet (1994 = 100%)

Bei den Apotheken verlief die Neugründungswelle im Osten noch schneller als bei den Vertragsärzten; hier war dieser Prozess bereits Ende 1991 weitgehend abgeschlossen. Von 1992 bis 1995 verzeichneten die öffentlichen Apotheken bundesweit jährliche Zuwachsraten zwischen 1,5% und 1,0%, in den Folgejahren (bis 2000) sogar nur noch Zuwachsraten unter 1%. Von 2001 an hat die Zahl der Apothekenbetriebsstätten in Deutschland – sogar absolut – abgenommen. Die seit 2004 bestehende Möglichkeit der begrenzten Filialisierung hat diesen Trend gebremst und kurzfristig umgekehrt. Auch bisher unverkäufliche Apotheken, deren Schließung absehbar war, wurden zum Teil als Filialen weiter betrieben. Dabei spielten oft Überlegungen der Standortsicherung eine Rolle – ob sich die Filiale betriebswirtschaftlich rechnet, stand nicht selten im Hintergrund. Nur vereinzelt wurden auch Filialen neu eröffnet. Trotz Filialisierungsmöglichkeit blieben die Zuwachsraten in den Jahren von 2004 bis 2008 gering (zwischen 0,1 und 0,4%). Ab 2009 hat die Zahl der Apothekenbetriebsstätten wieder abgenommen, mit einer deutlichen Beschleunigung in 2011 (von rund 1,0% auf 21.238).

Bedenke: Ein weiterer Krankenkassenmitarbeiter verursacht mit Sicherheit höhere GKV-Ausgaben, ein zusätzlicher Vertragsarzt wohl auch. Eine weitere Apotheke hingegen generiert keine zusätzlichen Leistungsausgaben der GKV; sie ist vielmehr ein weiteres Angebot für Versicherte und Kunden.

Tabelle: Einwohner, Öffentliche Apotheken (1) und Vertragsärzte (2) in Deutschland sowie Zahl der Apotheken und Vertragsärzte je 100.000 Einwohner und auf der Basis 1994 = 100 in den Jahren 1990 bis 2010.



Korrespondenzadresse:
Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de


1 Unter Vertragsärzten sind hier stets Vertragsärzte einschl. Partnerärzte gemeint.
2 Im Krankenhaussektor können nach neuen Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft 5000 Arztstellen nicht besetzt werden. Zusätzlicher Stellenbedarf war entstanden, nachdem der EuGH 2003 entschieden hatte, dass Bereitschaftsdienste voll als Arbeitszeit zu gelten haben. Durch Beschluss des EU-Ministerrates wurde diese Regelung für Ärzte 2008 allerdings teilweise wieder zurückgenommen.
3 Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, zuletzt geändert am 18. August 2011.
4 1997/1998 waren es 2,1%.

Zahlen/Fakten/Hintergründe


Bisher sind erschienen:




AZ 2012, Nr. 16, S. 7

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