- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 15/2011
- Aussichtsreiche Zukunft
GD-Jahrestagung
Aussichtsreiche Zukunft
Gezielte Therapien beim Melanom
Prof. Dr. Hans Merk, Aachen, wissenschaftlicher Tagungsleiter Die Therapie des malignen Melanoms hat sich nach Einschätzung von Prof. Dr. Claus Garbe, Tübingen, im zurückliegenden Jahr weiter entwickelt als in den 30 Jahren zuvor. Bei den etablierten Therapien des metastasierten Melanoms betragen die Responderraten nur etwa zehn bis 15 Prozent, und es gibt keine Überlebensvorteile.
Im Vergleich dazu sieht Garbe bei Therapien mit neuen zielgerichteten (engl. targeted) Arzneistoffen erstaunliche Fortschritte. Mit Ipilimumab (Yervoy®), einem monoklonalen Antikörper gegen das Protein CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated antigen 4) an der Oberfläche von T-Lymphozyten, sei erstmals ein Überlebensvorteil festgestellt worden. Etwa 20 Prozent der Patienten überleben fünf Jahre. Einzelne Patienten profitieren stark, die Mehrzahl hingegen nicht. Ipilimumab war eine Woche zuvor in den USA zugelassen worden. Eine Behandlung mit vier Injektionen kostet dort etwa 120.000 Dollar.
Gemäß einer australischen Untersuchung ist bei etwa 45 Prozent der Melanom-Patienten der B-RAF-Signalweg aktiviert. Diese Patienten haben eine besonders schlechte Prognose, und nur für sie bietet sich der B-RAF-Inhibitor Vemurafenib an. Durch die Blockierung des Signalweges entwickelt sich der Tumor wie ein B-RAF-negatives Melanom weiter, sodass die Patienten häufig eine schnelle Besserung der Symptome erleben. Eine Heilungschance bietet dieser Ansatz aber nicht.
Daneben werden weitere zielgerichtete Therapien erforscht. Für die Zukunft geht Garbe von Stufentherapien aus, die mit zielgerichteten Arzneistoffen beginnen und später in die klassische Behandlung übergehen. Die noch nicht zugelassenen Arzneistoffe stehen heute bereits in ausgewählten Zentren im Rahmen des compassionate use zur Verfügung, wobei sie von den Herstellern kostenlos geliefert werden.
Gezielt gegen Basalzellkarzinome
Auch bei einem neuen Ansatz zur Therapie von Basalzellkarzinomen wird es auf die biochemische Charakterisierung der Patienten ankommen. Der international renommierte Dermatologe Prof. Dr. David R. Bickers, New York, berichtete über seine Arbeiten zu diesem Thema. Bei etwa 80 Prozent der Patienten ist der Sonic-hedgehog (Shh)-Signalweg aktiviert, der auch eine wichtige Rolle bei der Embryonalentwicklung spielt. Noch größer ist der Anteil bei Patienten mit dem seltenen Gorlin-Syndrom, einer massiven Häufung von Basalzellkarzinomen.
Ein Hemmstoff für Shh ist Cyclopamin, ein Steroidalkaloid im Kalifornischen Germer (Veratrum californicum). Der Zusammenhang wurde entdeckt, weil der Verzehr dieser Pflanze durch trächtige Schafe dazu führt, dass ihre Lämmer eine charakteristische Missbildung aufweisen: nur ein Auge in der Mitte der Stirn (wie bei einem Zyklopen).
Bickers erforscht "kleine" Moleküle, die den Shh-Signalweg auf einer späteren Stufe hemmen. Mit einer oral einsetzbaren Substanz konnten Zahl und Größe der Basalzellkarzinome innerhalb von Monaten deutlich verringert werden. Als unerwünschte Wirkungen traten Geschmacksveränderungen, Muskelkrämpfe, Haarausfall und Gewichtsverlust auf.
Bickers sieht noch viel Optimierungsbedarf und betrachtet die bisherigen Ergebnisse als "proof of principle". Interessant erscheint auch eine topisch applizierbare Substanz, die ebenfalls den Shh-Signalweg hemmt und von Novartis erprobt wird.
Neues über Histamin und den H4-Rezeptor
Prof. Dr. Thomas Werfel, Hannover, stellte die Optionen für den Histamin-4-Rezeptor als pharmakologisches Target dar. Er ist sehr aktiv bei allergischen und inflammatorischen Prozessen, wird neuerdings aber auch im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen betrachtet. Der G‑Protein-gekoppelte Rezeptor findet sich insbesondere auf hämatopoetischen Zellen und Immunzellen. Bei dermatologischen Erkrankungen bietet er einen Ansatz zur Immunmodulation und ganz besonders zur Linderung von Juckreiz.
Der H4-Rezeptor ist besonders hochreguliert bei hohen Konzentrationen an IL-4. Seine Stimulation induziert insbesondere die Bildung von IL-31 und IL-17. Hierin sieht Werfel eine mögliche Verknüpfung zwischen Entzündung und Juckreiz, die sich gegenseitig bedingen. Mit einem H4-Rezeptor-Antagonisten könnte dieser Teufelskreis möglicherweise durchbrochen werden, z. B. bei Patienten mit Psoriasis.
Insgesamt betrachtet Werfel den H4-Rezeptor eher als proinflammatorisch wirksam, doch gibt es auch Hinweise auf eine antiinflammatorische Komponente – und diese Verknüpfung erschwert die Nutzung als Target.
Retinoide und Vitamin D für die gesunde Haut
Auch bei lange bekannten pharmakologischen Konzepten lassen sich immer wieder neue Aspekte finden, wie Prof. Dr. Jens Malte Baron, Aachen, an der topischen und systemischen Applikation von Retinoiden zeigte. Physiologisch werden diese als Retinylester in Keratinozyten gespeichert. Eine übermäßige Speicherung kann zu einem Mangel an physiologischen Retinoiden und als Folge möglicherweise zur Psoriasis führen. Da Retinoide insbesondere durch das Enzym CYP26A1 in ihre Speicherform umgewandelt werden, bieten sich CYP26-Inhibitoren zur Therapie an. Rambazole wird dazu in einer Studie gegen Plaque-Psoriasis getestet. Weitere künftige Möglichkeiten für Therapien, die in den Retinoid-Stoffwechsel eingreifen, sieht Baron bei malignen Melanomen und anderen Tumoren der Haut.
Auch für das altbekannte Vitamin D zeichnen sich neue Anwendungsmöglichkeiten ab, wie Dr. Mario Fabri, Köln, ausführte. Die etablierten Empfehlungen zur Zufuhr von Vitamin D orientieren sich an der Funktion des Vitamins für den Knochenstoffwechsel, doch hat Vitamin D vielfältige weitere Effekte. Fabri deutete an, dass die Zufuhrempfehlungen für Vitamin D daraufhin möglicherweise erhöht werden müssten, gab aber keine eigene quantitative Empfehlung ab. Vitamin D wirkt immunmodulatorisch und antiproliferativ. Daneben werden Einflüsse auf verschiedene Infektionen, Tumoren und kardiovaskuläre Erkrankungen untersucht. Die Effekte werden offenbar über Toll-like-Rezeptoren und T-Zell-Zytokine vermittelt. Als Beispiele aus der Forschung erwähnte Fabri Untersuchungen zur Tuberkulose und Lepra.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.