Angst vor Lieferengpässen

BfArM: Versorgung mit Antibiotika für Kinder „grundsätzlich stabil“

Berlin - 06.11.2023, 15:15 Uhr

Entwicklung der Infektionslage lässt sich nicht abschätzen: Das BfArM in Bonn. (Foto: imago images / Dominik Bund)

Entwicklung der Infektionslage lässt sich nicht abschätzen: Das BfArM in Bonn. (Foto: imago images / Dominik Bund)


Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht Deutschland dieses Jahr mit Blick auf Lieferengpässe „deutlich besser aufgestellt“. Das BfArM teilte an diesem Montag mit, dass die Versorgung mit Antibiotika für Kinder diesen Winter „grundsätzlich stabil“ sei – je nach Entwicklung der Infektionslage könnten aber Probleme auftreten.

Wie schlimm wird es im Herbst und Winter mit den Engpässen bei Arzneimitteln werden? Die Aussagen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind teils widersprüchlich, insgesamt sieht er Deutschland jedoch „deutlich besser aufgestellt“ als noch im vergangenen Jahr.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schätzt die Versorgung von Kindern mit Antibiotika in diesem Winter als „grundsätzlich stabil“ ein, vereinzelt seien aber Probleme möglich. Demnach könne die Entwicklung der anstehenden Infektionssaison nicht abgeschätzt werden, sodass einzelne Engpässe nicht vollständig ausgeschlossen werden könnten, teilte die Behörde in Bonn am Montag mit.

Veröffentlicht wurde eine Liste mit 343 Kinderarzneien, für die es in diesem Herbst und im Winter wegen steigender Infektionszahlen eine erhöhte Nachfrage geben könnte: Antibiotika, Fiebersäfte und -zäpfchen, abschwellende Nasentropfen und -sprays sowie einen bronchienerweiternden Wirkstoff. Aktuell bewerte man die Versorgung mit Antibiotika aufgrund der Produktionsdaten als grundsätzlich stabil, hieß es. Sollte ein auf der Liste aufgeführtes Arzneimittel nicht verfügbar sein, könnten Apotheken es gegen ein wirkstoffgleiches Fertig- oder Rezepturarzneimittel „auch in einer anderen Darreichungsform“ austauschen, hieß es, weswegen das BfArM auch die Pharmazentralnummern (PZN) listet. 

Letzteres wurde auch das kürzlich verabschiedete Pflegestudiumstärkungsgesetz gewährleistet, dem eine entsprechende Regelung angeheftet wurde. Die entsprechenden Regelungen gelten ab dessen Inkrafttreten. Die Liste gelte damit voraussichtlich ab 1. Dezember 2023, erklärt das BfArM. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte in diesem Zusammenhang erklärt, man gebe den Apotheken „viel Verantwortung in die Hände“. Allerdings hatte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die neuen Bestimmungen „absolut unpraktikabel“ seien. Kritik an den Plänen gab es auch von Pharmaindustrie und Opposition.

Bezüglich des Standes der Infektionslage bei Atemwegserkrankungen hatte die Bundesregierung am 11. Oktober erklärt, diese seien auf einem für die Jahreszeit „üblichen niedrigen Niveau“. Infektionswellen von RSV, SARS-CoV-2 oder Influenza seien möglich, aber nicht vorherzusehen.

Vertreterinnen und Vertreter der Apothekerschaft hatten in den vergangenen Wochen und Monaten wiederholt darauf hingewiesen, dass auch in diesem Jahr mit gravierenden Lieferengpässen zu rechnen sei und dies mit erheblichem Arbeitsmehraufwand verbunden sei. So warnte der Hessische Apothekerverband vor einer „beispiellosen Krise“, vom Landesapothekenverband Baden-Württemberg hieß es, die Engpässe seien „nie weg gewesen“.

Welche Arzneimittel stehen auf der Liste?

Antibiotika

  • Amoxicillin – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum BeispielInfectomox®)

•   Amoxicillin plus Clavulansäure – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Augmentan® Kindersaft)

•   Azithromycin – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Azi-Teva® 200 mg / 5 ml Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen)

•   Cefaclor – Granulat/ Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Cefaclor Basics 250 mg TS)

•   Cefadroxil – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Grüncef® 500 mg/5ml Trockensaft)

•   Cefixim – Granulat/ Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Cefixim AL 100 mg/5 ml Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen)

•   Cefpodoxim – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen  (zum Beispiel Cefpodoxim - 1 A Pharma® 40 mg/5 ml Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen

•   Cefuroxim – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Cefurox Basics 125 mg/5 ml Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen)

•   Clarithromycin – Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Klacid Saft)

•   Clindamycin – Granulat zur Herstellung einer Lösung zum Einnehmen (Sobelin® Granulat)

•   Erythromycin – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Infectomycin® 400 Saft)

•   Phenoxymethylpenicillin – Granulat zur Herstellung einer Lösung zum Einnehmen (Infectocillin® 400)

•   Sultamicillin – Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (Unacid PD oral)

•   Trimethoprim/ Sulfamethoxazol – Suspension zum Einnehmen (zum Beispiel Cotrim K-ratiopharm 200 mg/5 ml + 40 mg/5 ml Suspension zum Einnehmen)

Wirkstoffe gegen Schmerzen und Fieber

•   Ibuprofen (Saft und Zäpfchen und Weichkapsel zum Zerbeissen, zum Beispiel Nurofen®)

•   Paracetamol (Saft, Zäpfchen, Sirup und Granulat, zum Beispiel Benuron®)

 

abschwellende Nasentropfen und Nasensprays 

•   Oxymetazolin (Spray und Tropfen, zum Beispiel Nasivin®)

•   Xylometazolin (Spray und Tropfen, zum Beispiel Otriven)

 

zur Bronchodilatation

•   Salbutamol – Druckgasinhalation (Suspension, zum Beispiel Salbuhexal®), Lösung für einen Vernebler (Salbutamol-ratiopharm® Inhalationslösung), Pulver zur Inhalation (zum Beispiel Ventilastin Novolizer), Tropfen zum Einnehmen (Lösung, zum Beispiel Salbubronch® Elixier)


dpa-AFX / DAZ.online
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2 Kommentare

berechtigte Zweifel

von Thomas B am 06.11.2023 um 20:28 Uhr

Ich habe berechtigte Zweifel an der Darstellung des BfArm! Über Aussagen von Herrn Lauterbach oder Frau Piechotta brauchen wir ja schon länger gar nicht mehr nachdenken....

Ist-Situation bei Kinderantibiotika:
Seit mehr als 10 Monaten haben wir keine einzige Lieferung erhalten von Cefuroxim, Cefaclor, Cefixim, Cefadroxil, Sultamicillin, Clarithromycin, Clindamycin, Erythromycin. Stark eingeschränkt bis gar nicht verfügbar waren und sind aktuell Cotrim, Cefpodoxim, Azithromycin, Penicillin. Eingeschränkt lieferbar sind Amoxicillin, Amoxiclav, Azithromycin. Immerhin gibt es irgendwas...

Aktuell überhaupt nicht lieferbar an Erwachsenenantibiotika sind Clindamycin, Cotrim, Penicillin und Metronidazol, stark eingeschränkt Amoxicillin, Sultamicillin, Cefadroxil, Cefixim, Clarithromycin, Ciprofloxacin.....
Da zu Beginn der Erkältungssaison von einer stabilen Lage zu sprechen, entspricht schlicht nicht der Wahrheit und ist auch verantwortungslos und ignorant.
Denken wir weiter an Pantoprazol, Rosuvastatin, Agomelatin, Candesartan, Gentamicin, Fluoxetin, Trulicity, Ozempic usw...... Es stellt sich die Frage, wer hier bei wem die Falschmeldungen abschreibt oder nachplappert....das BMG oder das BfArm.....
Warum wird da von niemandem nachgehakt? Zuletzt bei Markus Lanz: Herr Lauterbach gibt zu, dass Deutschland benachteiligt beliefert wird aufgrund des Geizes. Aber angeblich war es leicht, das zu lösen..... Warum sagen zB. Frau Prof. Holzgrabe oder die Pharmaindustrie hier nicht, wie es wirklich ist? Steht das in den Bedingungen, dass Lauterbach überhaupt kommt? Ich war einfach nur noch sprachlos.....

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Schon kriminell

von ratatosk am 06.11.2023 um 18:41 Uhr

Da diese Einschätzungen nun nichts mehr mit der Realität zu tun haben, wären diese Einschätzungen nun bei einer vernünftigen Gesetzgebung wohl schon strafbar, da diese Probleme ja reale Folgen haben Leider ist hier Karl und sein Ministerium aber offensichtlich in einer undurchdringlichen Blase sicher vor Konsequenzen. Nennt man wohl unantastbar, egal was die machen.
Auch wenn das natürlich nicht die ganz gefährlichen Engpässe sind, aber wenn man - Xylometazolin (Spray und Tropfen, zum Beispiel Otriven) - schon in eine Engpassliste aufnehmen muß, würde in jedem anderen Bereich auch der Dümmste mitkriegen, wie schlimm die Lage ist, nur nicht Karl und das BFARM.

Die glatte Lüge des Bfarm sieht man ja auch an der Aussage zur zukünftigen Infektionslage, wenn schon jetzt Amoxicillin in jeder Form, kaum mehr zu kriegen ist.
Aber jetzt geht es eben immer mehr um Karl gegen die Bevölkerung, was immer auch seine Beweggründe sein mögen.

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