Engpässe bei Kinderarzneimitteln

Lauterbach: „Geben viel Verantwortung in Hände der Apotheken“

Berlin - 14.09.2023, 13:45 Uhr

Karl Lauterbach stellte heute den 5-Punkte-Plan zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln vor. (Foto: imago images / Future Images)

Karl Lauterbach stellte heute den 5-Punkte-Plan zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln vor. (Foto: imago images / Future Images)


Den Apothekerinnen und Apothekern wird „sehr viel Verantwortung in die Hände“ gegeben. Das sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Apotheker- und Ärzteschaft sowie der Pharmaindustrie zu seinem 5-Punkte-Plan zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln in diesem Herbst und Winter. Dieser sieht unter anderem vor, dass Austauschregeln weiter flexibilisiert und Retaxationen bei der Herstellung von Rezepturen für Kinderarzneimittel ausgeschlossen werden.

Die Pressekonferenz an diesem Donnerstag begann mit fast einer halben Stunde Verspätung und dann funkte auch noch der bundesweite Warntag dazwischen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzte eben an, um nach Gesprächen mit den maßgeblichen Akteuren den 5-Punkte-Plan zur Sicherstellung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln im Herbst und Winter dieses Jahres vorzustellen, da schrillten im Raum die Handys. Lauterbach schaute auf seins und erklärte: „Bei mir ist der Alarm noch nicht angekommen“.

Bezüglich der drohenden Engpässe scheint dies aber der Fall zu sein. Nach der kurzen Unterbrechung erklärte der Minister, dass die Arzneimittelversorgung in diesem Jahr „deutlich besser aufgestellt“ sei als im vergangenen. Dies verdanke man insbesondere auch der „Bereitschaft der Industrie, mehr zu produzieren“. Man bewege sich allerdings an der „technischen Obergrenze dessen, was leistbar ist.“

„Bitte keine Hamsterkäufe“

Besonders betonte Lauterbach: „Bitte keine Hamsterkäufe.“ Horten sei „nicht sinnvoll“, appellierte der Minister an die Eltern. Das betonten auch die anderen Redner im Anschluss an den Minister. Lauterbach bemühte dabei einen Vergleich mit der „Gas-Krise“ im vergangenen Winter. Da habe es auch eine Mangellage gegeben, aber alle hätten vernünftig und maßvoll gehandelt. „Was uns in der Gas-Krise gelungen ist, können wir auch jetzt leisten.“

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Lauterbach bedankte sich ausdrücklich für die „hervorragenden Leistungen in den Apotheken“ im vergangenen Jahr. Der Minister sieht mit seinem 5-Punkte-Plan vor allem auch eine gesteigerte Bedeutung der Apothekerschaft vor. So wird der Austausch von Kinderarzneimitteln der Dringlichkeitsliste weiter ausgeweitet und auch erleichtert. Eine Rücksprache mit dem Kinderarzt oder ein neues Rezept solle nicht mehr nötig sein. „Wir geben sehr viel Verantwortung in die Hände der Apotheken“, so Lauterbach. Zudem ist vorgesehen, dass für die Herstellung von Rezepturen und für den Austausch der Darreichungsform bei diesen Arzneimitteln eine Retaxation ausgeschlossen wird. Die dazu nötigen Gesetzesänderungen würden im Rahmen des Pflegestudiumstärkungsgesetzes verhandelt, das bereits in der Berichterstattung sei und in den Bundestag gebracht werden könne.

Overwiening fordert zeitnahe Umsetzung

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sprach von einem „wichtigen Austausch“. Es sei „konstruktiv und intensiv diskutiert“ worden. Sie erinnerte noch einmal daran, dass alle 18 Stunden eine Apotheke in Deutschland schließe und die Teams vor Ort „an ihre Belastungsgrenze“ gingen. Sie versprach, dass die Apotheken jede Hilfe vor Ort leisten würden, die möglich sei. Sie bat allerdings auch bei den betroffenen Eltern um Verständnis, wenn es manchmal etwas länger mit dem Arzneimittel dauere. Nun sei es wichtig, dass die Ankündigungen des Ministers bezüglich des größeren Spielraums für die Apotheken zeitnah umgesetzt werden.

High-Level-Gruppe zum „Gefechtsstand“

Eine weitere Neuerung mit Blick auf die Sicherung der Versorgung ist die Etablierung einer sogenannten High-Level-Gruppe. In dieser sollen sich die Akteure – also unter anderem Industrie, Ärzte und Apothekerschaft – wöchentlich austauschen und persönlich dann an den Minister berichten, wie der „Gefechtsstand“ sei. Auch Maßnahmen würden geprüft, beispielsweise eventuelle Importe, wenn bestimmte Mittel knapp würden.

Die Vertreterinnen und Vertreter von Ärzteschaft und Pharmaindustrie betonten, dass die Pläne des Ministeriums nur der Anfang sein könnten, um die Versorgungslage längerfristig zu stabilisieren. Andreas Burckhardt, General Manager von Teva Deutschland und Österreich und auch Vorstandsvorsitzender von Pro Generika, erklärte, man bewege sich bei den Produktionssteigerungen am „technischen Maximum“ bei fast allen betroffenen Mitteln gebe es eine Steigerung um mindestens 50 Prozent, bei einigen auch um 100. Die wirtschaftliche Lage spreche eigentlich nicht dafür, die Herstellung auf diese Weise auszuweiten, es seien „nachhaltige Verbesserungen“ nötig. So habe die Aussetzung der Festpreise nur etwa die Inflation kompensiert.

Ärztinnen und Ärzte bleiben kritisch

Die Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft zeigten sich insgesamt weiterhin kritisch. Die Gespräche seien zwar „sehr konstruktiv“ gelaufen, man sei allerdings „nicht glücklich mit der Versorgungssituation“ erklärte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzte, Thomas Fischbach. Sein Amtskollege von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Kötsch, sagte, die Lage sei zwar „günstiger“ als noch im vergangenen Jahr, die bereits ergriffenen und auch die geplanten Maßnahmen könnten aber nur ein „Zwischenschritt“ sein. Die erste stellvertretende Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, betonte, sie sehe sich in einer „ähnlichen Situation wie vergangenes Jahr“. Man hätte sich weitere Maßnahmen gewünscht. Auf Nachfrage sagte sie, dass sie dabei insbesondere an die versprochene Entbudgetisierung denke.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Einfache Aussage von Karli

von ratatosk am 15.09.2023 um 9:18 Uhr

Mehr Arbeit, Risiko, Bürokratie aber kein Geld, sollen sie halt verrecken, ein paar Werdens schon überleben und das mit dem kiosk wollte ich eh schon lange mal ausprobieren.

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Entwürdigung, Demütigung, totaler System-Zusammenbruch

von Sandra Hofmann am 15.09.2023 um 9:12 Uhr

WEnn hier nicht bald ein mehrtägiger Protest der Apotheken mit Apotheken-Schließungen durch die ABDA oder den DAV organisiert / koordiniert wird, brauchen sich diese Standesorganisationen nicht zu wundern, wenn sich Apotheken in einem neuen Apothekerverband selber organisieren und wirtschaftspolitisch vertreten lassen. Das Recht auf Menschenwürde aller Apotheker*innen in diesem Lande wurde von Lauterbach grob verletzt. KL weiß vielleicht nicht, dass seine verlogene Demütigung und Entwürdigung unseres Berufsstandes, welcher größtenteils vor der Existenzfrage steht, enorme Kampfeslust und Kraft in den überlebenswilligen Apotheken-Inhabern mit ihren Mitarbeitern generiert....KL ist mit seinem Latein am Ende! Solche unfairen Attacken gegen Apotheken stellen doch nur seine eigene Unfähigkeit und Ratlosigkeit betreffs derjenigen Probleme zu Schau, die er übrigens selber erschaffen hat . Damals mit Ulla Schmidt zusammen in der rot-schwarzen Regierungskoalition läutete er das Sparzwang-Thema im Gesundheitswesen ein. Festbeträge, Zwangsrabatte der Pharmahersteller und Apotheken an die Kranken Kassen....OMG! Und jetzt kommt der Scherbenhaufen?

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Lauterbach

von Akbari am 14.09.2023 um 22:34 Uhr

Dieser Lügenminister ist nicht mehr tragbar, er täuscht am helligsten Tage die Bürger dieses Landes indem er Unwahrheit verbreitet und die Apothekerschaft als Lügner bezeichnet. Dieser Minister ist in jeder Hinsicht unwürdig für seine Position.
Bin auf die Reaktion der Standesvertretung sehr gespannt, obwohl mir ehrlich gesagt nicht viel versprechen kann.

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Lauterbach

von Ariane Maaß am 14.09.2023 um 18:43 Uhr

Über die Äußerungen heute morgen bin ich entsetzt. Mein Vorschlag an LAK und LAV ist es zu prüfen, ob rechtliche Schritte bzgl. übler Nachrede eingeleitet werden können.

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Verantwortung

von Rainalf Böse am 14.09.2023 um 16:46 Uhr

"Wir geben sehr viel Verantwortung ähm in die Hände der ähm Apotheken, ähm aber natürlich bezahlen wir dafür wie ähm schon ähm gesagt nichts, weil wir ähm ja auch ohne Bezahlung ähm hervorragende Leistungen bekommen, also warum ähm sollten wir auch..."

So müsste der Satz ehrlich lauten. Und genau DA muss sich Lauterbach jetzt täuschen. Warum nicht mal wirklich nur ein- oder zwei Wochen absolut Dienst nach Vorschrift?
Hatte ja Friedemann Schmidt einst schon mal angedroht (und dann nicht umgesetzt). In der derzeitigen Situation wäre das mal eine echte Drohung..

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Mehr Arbeit und mehr Verantwortung...

von Rainer W. am 14.09.2023 um 14:50 Uhr

... muss sich auch in besserer Honorierung wiederspiegeln.

Wir sollen zum wiederholten male die Kohlen aus dem Feuer holen, als Dank dafür, dass wir eine Honorarkürzung bekommen haben.

Und obwohl WIR die Mehrarbeit und das Risiko bei den Lieferengpässen haben bekommen die Ärzte dafür mehr Geld. Fast 2 Milliarden.

Für die Apotheken ist im GKV Topf aber nichts, das sollen wir verstehen.

Ich verstehe nur, dass wir nach Strich und Faden verarscht worden sind. Den Ärzten wird ohne Widerstand mehr Geld gewährt, die Apotheker "verdienen aber eh schon gut". Ein Arzt verdient im Schnitt das Doppelte eines Apothekers, ist nicht mit dem Privatvermögen haftbar, MWSt- befreit und auch sonst deutlich weniger reguliert.

Es ist Zeit, dass die Kompetenz der Apotheken und deren Einsatz endlich auch monetär honoriert wird und Karl nicht mehr nur kriminelle ausländische Logistikkonzerne hofiert.

Nicht umsonst sitzen alle Arzneimittelversender in ausländischen Steueroasen und werden von keinerlei Behörde kontrolliert und keiner weiß, wieviel Steuern die eigentlich wo entrichten oder ob sie sich an GDP und andere Gesetze halten. Hauptsache den deutschen Mittelstand ruinieren, das passt zu Karl Lauterbach, seiner Partei und seiner Regierung.

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Lauterbach

von Rita Längert am 14.09.2023 um 14:47 Uhr

Wer nach dem Interview heute im Morgenmagazin bzgl. der Lieferengpässe und den Aussagen von Thomas Preis " Panikmache der Apotheker weil sie mehr Geld wollen, sie waren ja auch schon in weißen Kitteln ähm vorm Haus (meinte das BMG in Berlin), das kann nicht sein, das sie Mütter und deren Kinder verunsichern nur weil sie mehr Geld wollen, eine Berufsgruppe die sowieso schon sehr gut verdient" sich noch hinstellt und Fieber- oder Antibiotikasäfte herstellt, hat den Schuss nicht gehört. Streik jetzt und möglichst über mehrere Tage!!!
Dieser Lügenminister ist unerträglich.

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