Digitalisierung des Gesundheitswesens

Telematikinfrastruktur bricht zum E-Rezept-Rollout zusammen

Berlin - 04.07.2023, 17:50 Uhr

Am Sonntag ging gar nichts mehr in der Telematikinfrastruktur. (Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich)

Am Sonntag ging gar nichts mehr in der Telematikinfrastruktur. (Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich)


Für den Samstag wurde angekündigt, dass E-Rezepte nun auch über die elektronische Gesundheitskarte abgerufen werden können – und am Sonntagmorgen fiel die gesamte Telematikinfrastruktur aus. Grund waren Störungen beim Dienstleister Arvato Systems, wie die Gematik mitteilte. Die DAZ fragte nach, wieviel die Panne kostete und wie verhindert werden soll, dass so etwas in Zukunft wieder passiert.

„Alle Dienste der TI sind erreichbar“, klärt das Fachportal der Gematik am Dienstagnachmittag auf. Das ist gut, denn Ende Juni wurde der sofortige bundesweite Rollout des E-Rezepts beschlossen – seit diesem Samstag auch per Abruf über die elektronische Gesundheitskarte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich am Freitag noch zuversichtlich, dass die Sache trotz einiger Anlaufschwierigkeiten ein Erfolg wird.

Bezüglich der Schwierigkeiten hatte der Minister wohl vor allem im Sinn, dass sich die Arztpraxen an den neuen Einlöseweg gewöhnen müssen, und nicht, dass die gesamte Telematikinfrastruktur (TI) zusammenbricht – genau das ist aber am Sonntag geschehen. Am Morgen um 8 Uhr hieß es noch relativ unschuldig in einer Meldung des Fachportals zum TI-Status, „einige VSDM Dienste“ seien „gestört“. Grund sei der Ausfall „Zentraler Komponenten in der TI“. VSDM steht für Versichertenstammdatenmanagement, es ist eines der wichtigsten Anwendungen der TI. Es geht dabei um die Daten auf der eGK, und dass diese immer auf dem neuesten Stand sind. Für Apotheken spielte dies bislang keine Rolle, für Arztpraxen und Kliniken ist das VSDM umso bedeutsamer.

Auch zwei Stunden später war das Problem nicht behoben, im Gegenteil. Die Gematik informierte, dass es wegen Störungen im Routing des zentralen TI-Dienstleisters Arvato zu „Ausfällen großer Teile der TI-Dienste“ komme, Arvato Systems aber bereits daran arbeite. Das lief so gut, dass um 11.30 Uhr die Meldung kam, dass gar nichts mehr geht: „Alle TI-Anwendungen (elektronische Patientenakte, das E-Rezept, Kommunikation im Medizinwesen, das Versichertenstammdatenmanagement und der VPN-Zugangsdienst) können momentan nicht genutzt werden.“ Um kurz vor 13 Uhr kam dann die Nachricht, dass die Ursachen entdeckt und behoben seien und geprüft werde, ob wieder alle TI-Dienste funktionsfähig seien. Kurz nach 14 Uhr gab es Entwarnung: Alles läuft, wie es soll.

Kosten sind bei dem Systemausfall aus Sicht der Gematik allerdings keine entstanden, da „im Nachgang die Systeme wieder erreichbar waren und weitere Dienstleister nicht eingebunden werden mussten“, wie es auf Anfrage der DAZ am Dienstag hieß. Ganz klar scheint das aber bislang noch nicht zu sein, denn die Gematik schiebt hinterher: „Sollte es dennoch zu Kostenverursachungen gekommen sein, so sind diese durch den Verursacher – hier die Arvato Systems – zu tragen.“

Wie also soll in Zukunft verhindert werden, dass es wieder zu solchen Ausfällen kommt? Laut Gematik wird der Vorfall durch Arvato Systems „analysiert und entsprechende Maßnahmen abgeleitet, um so zukünftige Vorfälle zu vermeiden“. 

Arvato äußerte sich in der gesetzten Frist nicht zu der Frage, was es nun heißt, dass es zu „Störungen im Routing“ gekommen sei und wie dies in Zukunft verhindert werden soll. Das Unternehmen gehört zum Bertelsmann-Konzern und wurde im Jahr 2013 von der Gematik mit dem Aufbau und Betrieb der TI für die Erprobung der eGK beauftragt. In einer Pressemitteilung von Arvato Systems vom 2. Juli 2019, die darüber informiert, dass die Zusammenarbeit um weitere acht Jahre verlängert wurde, heißt es: „Der Ausschreibungsgegenstand umfasst die Aktualisierung und den Betrieb der Telematikinfrastruktur im Sinne einer Ende-zu-Ende Verantwortung beim Datenaustausch über alle Sektoren des Gesundheitswesens. Arvato Systems übernimmt nun weiterhin mindestens bis Juni 2027 den Ausbau und Betrieb der zentralen Infrastruktur und betreibt alle dafür notwendigen Komponenten und Produkte in seinen Rechenzentren in Deutschland.“

Panne auch am Montag

Auch am Montag gab es Schwierigkeiten. „Aktuell kann es zu Beeinträchtigungen bei der Nutzung des E-Rezeptes kommen. Die festgestellte Beeinträchtigung betrifft das Einstellen von E-Rezepten“, hieß es um 9.45 Uhr morgens. Die Ursache der Störung war allerdings bereits identifiziert und die Gematik konnte 45 Minuten später melden, dass die Anwendung wieder „in vollem Umfang zur Verfügung steht“. Wie die Gematik der DAZ mitteilte, war das „Einlösen von E-Rezepten – auch mit eGK“ zu „keiner Zeit gestört“. Grund für die Probleme sei hier die Umstellung einiger Praxisverwaltungssysteme gewesen.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Alles auf ein Pferd setzen...

von Rainer W. am 11.07.2023 um 10:08 Uhr

... das sich schon vor Beginn des Rennens als lahmer Gaul rausstellt, und dann die Apotheken per Gesetz dazu zwingen, die Wette mitzutragen.

Ich sehe nicht, was da das Problem sein könnte. Das BMG wohl auch nicht.

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E-Rezept funktioniert nicht

von Linda F. am 05.07.2023 um 10:30 Uhr

Das E-Rezept funktioniert nicht - vor allem nicht zuverlässig. Ein vom Start weg so marodes System flächendeckend als Standard in der Arzneimittelversorgung zu machen wird sich als fataler Fehler erweisen. Das E-Rezept ist bereits unzählige Male zusammengebrochen und das ganz ohne Hackerangriffe, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch kommen werden und obwohl nur ein Bruchteil der Rezepte als E-Rezept ausgestellt werden.
Mein Vertrauen in das E-Rezept geht gehen Null und die Vorkommnisse der letzten Tage bestätigen diese Einschätzung mal wieder.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: IT-Infrastruktur

von Holger am 06.07.2023 um 10:49 Uhr

Aus meiner Sicht ist der Fehler, die Digitalisierung in Deutschland gleich mit einem der kritischsten Felder anfangen zu wollen, nämlich im Gesundheitswesen. Wie wäre es denn, wenn erstmal "der Staat" seine eigene Infrastruktur digitalisiert? Auch heute noch muss ich doch im Prinzip zu fast jedem Verwaltungsakt "aufs Amt"?! Da sind die baltischen Staaten - ja, man kann EU-Gelder auch sinnvoll ausgeben - deutlich weiter. Und wenn wir DAS vernünftig und funktionierend organisiert haben, kann man sich auch auf die Dinge stürzen, die eben nicht allein von Behörden organisiert werden können, sondern wo man zum Beispiel auch Partner der Selbstverwaltung braucht.

AW: E-Rezept funktioniert nicht

von Walter Wolf am 06.07.2023 um 16:58 Uhr

Es ist schon sehr verwunderlich, dass die Digitalisierung, der Verordnungen in Deutschland über so einen Wust an anfälliger Elektronik stattfinden soll, obwohl doch alle Daten bereits durch die Rechenzentrum in digitalisierter Form vorliegen. Digitalisiert für die Abrechnung Bezahlt von den Apotheken. Diese Daten könnten auch durch variierte Aufbereitung zur offensichtlich erwünschten Ärztekontrolle herangezogen werden.
Die ePA kann dennoch auf die Versichertenkarte dort ist sie am Patienten in Sicherheit. Alle Abrechnungen finden mit den Krankenkassen statt. Diese muss die Daten korrekt aufbereiten und verknüpfen dann kann man sich das eRezept ohne Informationseinbusse sparen.
Das Gesundheitsministerium wird hier nicht richtig beraten.

in Luft aufgelöst

von Thomas B am 04.07.2023 um 18:31 Uhr

kurz vor dem Zusammenbruch ein eRezept abgerufen, kurz danach Rückgabe, weil Nichtlagerartikel. Nix ging mehr.
Auch nach Wiederherstellung des Systems war die Verordnung weder bei uns noch auf dem Server aufrufbar. Schlicht und einfach fort. Was ist mit Hochpreisern, die so (aus der Abrechnung) verloren gehen? Wer haftet? Wie kann der Nachweis laufen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: in Luft aufgelöst

von JB am 05.07.2023 um 9:16 Uhr

Willkommen auf der "Titan" - mit dem E Rezept machen wir doch gerne den Beta Tester - ohne Redudanz und Handbuch....

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