Interview mit FDP-Apothekenexperte Lars Lindemann (Teil 2)

„Neue Aufgaben ohne Vergütung – das geht nicht“

Berlin - 28.03.2023, 07:00 Uhr

Der FDP-Abgeordnete Lars Lindemann übernahm Ende 2022 für seine Partei die Apothekenthemen von Andrew Ullmann. (Foto: IMAGO / Christian Spicker)

Der FDP-Abgeordnete Lars Lindemann übernahm Ende 2022 für seine Partei die Apothekenthemen von Andrew Ullmann. (Foto: IMAGO / Christian Spicker)


Seit Ende 2022 ist Lars Lindemann innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion für die Apothekenthemen zuständig. Was hat der Berufsstand von ihm zu erwarten? Lesen Sie in Teil 2 des DAZ-Interviews, wie er den ABDA-Forderungskatalog bewertet, ob ihn die sinkenden Apothekenzahlen beunruhigen und wie er die Zukunft der EU-Arzneimittelversender sieht.

DAZ: Herr Lindemann, Ende Februar hat der ABDA-Gesamtvorstand einen zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog beschlossen. Wie ist dieser in der Politik aufgenommen worden?

Lindemann: Es ist völlig in Ordnung, dass jeder sagt, wo er steht und was er sich vorstellt. Ich glaube auch, dass das eine deutliche, aber moderate Beschreibung ist. Die Politik wird sicher nicht auf jeden einzelnen Punkt so eingehen können, wie es sich die Apothekerschaft wünscht. Aber der Katalog ist auf jeden Fall erst einmal eine Grundlage für Gespräche.

Wo sehen Sie Möglichkeiten, der Apothekerschaft entgegenzukommen?

Ich kann dem Gesetzgebungsverfahren nicht vorweggreifen. Aber zum Beispiel die Forderung, Retaxationen zurückzufahren, stößt auf große Gegenliebe bei uns. Obwohl es eine Vereinbarung zwischen Kassen und DAV gibt, retaxieren die Kassen immer wieder Kleinigkeiten. Das ist ein typisches Verhalten der Kassen, das ich grundsätzlich nicht gut finde. Deshalb bin ich persönlich für einen weitgehenden Ausschluss von Retaxationen. Und mit dieser Auffassung werde ich auch in die Verhandlungen gehen. Ich weiß, dass mein Kollege Dirk Heidenblut von der SPD das ähnlich sieht. Daher können wir hier ein deutliches Signal an die Apothekerschaft senden, dass ihre Forderung in diesem Punkt sehr berechtigt ist.

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Beunruhigen Sie die rapide sinkenden Apothekenzahlen?

Hinter diesen Sterbezahlen stehen vielerlei Gründe, zum Beispiel Zusammenlegungen. Da bin ich zurückhaltend, das als Signal für einen akuten Handlungsbedarf zu sehen. Meine Kernüberlegung ist, dass wir entbürokratisieren müssen. Zudem müssen wir stärker digitalisieren – das ganze Thema E-Rezept muss man voranbringen.

Wie kann man das Ihrer Meinung nach beschleunigen?

Ich wäre dafür gewesen, dass man das auch per SMS oder E-Mail übertragen kann. Wir schrauben unsere Datenschutzvorstellungen da zu hoch. Wir denken zu viel an mögliche Fehler und verhindern damit am Ende eine effektive und bedarfsangemessene Versorgung. Wir haben noch nicht die richtige Gewichtung zwischen einer verbesserten Versorgung und dem – durchaus berechtigten – Datenschutz gefunden. Man muss die Dinge ausprobieren – das muss auch nicht immer alles einheitlich und flächendeckend sein. Von vornherein die eierlegende Wollmilchsau erfinden zu wollen, die am Ende nie kommt, ist aus meiner Sicht nicht richtig.

Digitalisierung muss auch mit dem Ziel vorangetrieben werden, die Kernkompetenzen von Apothekern zu stärken und in den Versorgungsprozess zu bringen – nämlich die Beurteilung von Arzneimittelwechselwirkungen. Da sehe ich auch die wesentliche Zukunftsaufgabe der Apotheken. Wechselwirkungen sind einer der großen Kostentreiber im System. Um hier effektiv zu arbeiten, braucht es auch die Informationen der elektronischen Patientenakte und digitale Kommunikationswege zwischen Apotheker, Arzt und Patient.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der EU-Arzneimittelversender?

Ich glaube, dass die Versender ein Akteur sind, der seine Berechtigung hat, aber nicht, dass sie die Dimensionen erreichen werden, die oft befürchtet werden. Ich hole meine Medikamente jedenfalls noch immer in der Apotheke vor Ort – ich will mit Menschen reden. Und ich glaube, so ist es für die meisten, dieser Versorgungsweg wird immer die dominierende Rolle spielen. Damit erübrigen sich einige hysterische Debatten über Versender aus den Niederlanden.

Angeblich plant die Ampelkoalition ein zweites VOASG. Was gehört da aus Ihrer Sicht rein?

Das müssen wir noch sehen. Erstmal beschäftigen wir uns mit dem Engpassgesetz. Da stecken ja auch schon Regelungen drin, die was damit zu tun haben. Wie genau wir uns die Funktionalitäten der Vor-Ort-Apotheke vorstellen, ist in dieser Koalition noch nicht ausreichend besprochen. Für mich persönlich ist es wie gesagt wichtig, dass wir eine leistungsfähige Apothekenstruktur haben. Und Inhaber müssen einen Anreiz haben, das nicht nur heute zu tun, sondern auch noch in zehn Jahren. Neue Aufgaben ohne Vergütung – das geht nicht. Leistungen, die wir haben wollen, müssen auch angemessen vergütet werden.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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4 Kommentare

"keine neuen Aufgaben ohne Vergütung"

von Thomas B am 28.03.2023 um 16:03 Uhr

Und im vorgestellten Entwurf ist schon die erste
Lauterbach´sche Forderung enthalten:
Lagerhaltung für Onkologika und Antibiotika für 3 Monate statt wie bisher 1 Woche.
Was ist diese neue Aufgabe wert? Darüber steht in dem Entwurf leider nichts.....

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AW: "keine neuen Aufgaben ohne Vergü

von Thomas B am 28.03.2023 um 18:41 Uhr

Sorry, Fehler vom Amt: 3-monatige Lagerhaltung für Rabattartikel, nicht Onkologika und Antibiotika....

.

von Anita Peter am 28.03.2023 um 8:47 Uhr

Danke für dieses Interview, zeigt es doch einmal mehr als deutlich dass wir endlich allen Vertragswerken raus müssen. Alles andere ist Flickschusterei und führt nur zu weiterer Frustration.

Dass sich die "hysterischen Debatten über Versender aus den Niederlanden" damit erübrigen, dass Herr Lindemann seine Medikamete vor Ort holt, zeigt welch Geistes Kind der ist. Er macht also Politik rein danach wie er seine eigene Welt sieht. Weitblick geht anders. Die ungleichen Spiesse hat er anscheinend auch vergessen.

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Ahnungslos

von Torben Schreiner am 28.03.2023 um 8:29 Uhr

Dieses Interview bestätigt mir, in Berlin hat keiner Ahnung von Apothekenthemen.
Außerdem ist es widersprüchlich, denn Apotheken haben mittlwerweile durch die Bekämpfung der Engpässe enorme Mehrarbeit und Zusatzaufgaben, welche Tag für Tag mehr als erfüllt werden.
Also hätten wir laut Lindemanns Definiton durchaus Anspruch auf eine höhere Vergütung, oder?!
Wieso bekommen die Kinderärzte mehr, wir haben mind. genauso die Last zu tragen und das nicht nur bei Kinder-AM...
Merck stellt die Produktionen von Herzglykosiden, Decortin H, etc. ein und entlässt aktuell viele Mitarbeiter, auch wir müssen bei diesen zusätzlichen Dauerbelastungen unsere Leistungen kürzen, sonst sehe ich keinen Weg mehr.

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