- DAZ.online
- News
- Politik
- Bundesregierung bleibt ...
Gegenäußerung zu Bundesrats-Stellungnahme
Bundesregierung bleibt beim erhöhten Kassenabschlag hart
Die Bundesregierung lehnt die vom Bundesrat geforderte Streichung der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags ab. Die befristete Maßnahme sei „verhältnismäßig“, heißt es in der gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Gegenäußerung zur Stellungnahme der Länder zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Bei der Neupatientenregelung will die Regierung hingegen „zielgenauere Alternativen“ prüfen.
Mitte September hatte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Regierungsentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgelegt. Auch wenn die Länder im Grundsatz die Absicht begrüßen, die wachsende Finanzierungslücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu begrenzen und die Kassen stabil aufzustellen: Die von der Regierung zusammengestellten Sparmaßnahmen lehnen sie weitgehend ab. In ihrer 30-seitigen Stellungnahme legen sie unter anderem ausführlich dar, warum eine Erhöhung des Kassenabschlags nicht angezeigt ist. Die Länder pochen vor allem auf schnelle Strukturreformen und wollen mehr Steuergelder fließen lassen – doch regierungsseitig verweist man auf die Schuldenbremse, die das nicht zulasse. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verspricht zwar weitere Reformen – jedoch erst für das kommende Jahr.
Mehr zum Thema
Bundesratsplenum
Länder fordern Verzicht auf höheren Kassenabschlag
GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
Kann der Bundesrat das Spargesetz stoppen?
Prüfbitten zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
BMG soll gedeckelte Marge und Nullretaxationen prüfen
Gestern beschloss nun das Bundeskabinett seine Gegenäußerung zur Stellungnahme der Länder. Darin lehnt die Regierung fast alle Empfehlungen der Länder ab – Ausnahmen mit Prüfzusagen bestätigen die Regel. Dass beim Apothekenabschlag nicht viel zu erreichen ist, zeichnete sich bereits ab. Vertreter der Regierungsfraktionen haben sich bislang nicht durch Kritik an dieser speziellen Sparmaßnahme hervorgetan. Und auch bei ihren Prüfbitten an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) blieb die geplante Belastung der Apotheken außen vor. Nun heißt es in der Gegenäußerung klipp und klar:
Die Bundesregierung lehnt die Streichung der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags ab. Der Gesetzentwurf sieht leistungserbringerübergreifend die Hebung von Effizienzreserven vor. Insbesondere die Apotheken haben durch Leistungserweiterungen und auch pandemiebedingt Mehrumsätze verzeichnet. So lag der Mehrumsatz im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr bei 2,5 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund dieser Mehreinnahmen und dem Umstand, dass die Erhöhung auf zwei Jahre befristet ist, wird die Maßnahme als verhältnismäßig angesehen.“
Auch zwei weitere für Apotheken interessante Empfehlungen der Länder lehnt die Regierung ab: die Abschaffung der Importquote und die geforderten Änderungen bei der Vergabe von Rabattverträgen. Zur Importquote erläutert die Bundesregierung, dass das BMG im Juni 2022 einen Bericht zur Importförderklausel an den Deutschen Bundestag übermittelt habe (BT-Drs. 20/2700) – erstellt hat diesen der GKV-Spitzenverband. Aufgrund der Pandemie und deren Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung habe keine abschließende Bewertung der Notwendigkeit der Importförderklausel erfolgen können. Dem Bericht zufolge ergäben sich nach Schätzungen der Arzneimittelimport-Industrie durch die Regelung direkte Einsparungen in Höhe von rund 260 Millionen Euro jährlich. Hinzu kämen indirekte finanzielle Effekte für den Markt der patentgeschützten Arzneimittel, die sich jedoch nicht quantifizieren ließen. Kurzum: Auf diese Einsparungen will die Regierung offensichtlich nicht verzichten. Die FDP-Fraktion hat das BMG allerdings gebeten, einmal nachzurechnen, wie hoch der Apothekenabschlag sein müsste, um eine Streichung der Importquote zu refinanzieren.
Verteidigung der Rabattverträge
Was die Rabattverträge betrifft, so forderten Länder bereits zum wiederholten Male, bei der Vergabe von Rabattverträgen „europäische Produktionsstandorte und die Vielfalt der Anbieter durch Mehrfachvergabe zu berücksichtigen, um die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten zu gewährleisten“. Und erneut lehnt die Regierung dies mit dem Hinweis ab, dass es aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, in Europa hergestellte Arzneimittel dezidiert zu bevorzugen. Was die Mehrfachvergabe betrifft, ist sie genauso ablehnend. Von Lieferengpässen durch Exklusivverträge will sie nichts wissen: „Die Abrechnungsdaten der GKV für das Jahr 2021 belegen, dass die dokumentierten Lieferdefekte im rabattvertraglich abgesicherten Marktsegment bei nur 1,2 Prozent lagen, im patentfreien ‚Nichtvertragsmarkt‘ hingegen mit 4 Prozent mehr als dreimal so hoch waren“. Allerdings betont die Regierung auch, dass ihr die angemessene Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln „ein wichtiges Anliegen“ sei. Neben Anreizen für den Erhalt und den Ausbau von Wirkstoffherstellungsstätten in der EU halte sie insbesondere Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten für geeignet, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. „Entsprechende Maßnahmen, die zur Verbesserung der Versorgungssicherheit und der Stärkung des EU Pharma-Standortes beitragen können, werden derzeit geprüft“.
Mehr Gehör fand offenbar der Protest der Ärzteschaft gegen die geplante Streichung der Neupatientenregelung. Hier will die Regierung zumindest „prüfen, ob zielgenauere Alternativen gefunden werden können“. Sie betont aber auch, dass es angesichts der derzeit angespannten finanziellen Situation nötig, sei, Lasten fair zu verteilen und nicht allein den Beitragszahler:innen aufzuerlegen. „Insofern kann keine zusätzliche Vergütung für Leistungen gewährt werden, die dem ursprünglichen Ziel, den Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung zu verbessern und zu fördern und Wartezeiten zu verringern, nicht in einem signifikanten Umfang dienlich sind“. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass valide Erkenntnisse zur Versorgungsverbesserung durch die Neupatientenregelung nicht vorlägen – auf die „Alternativen“ kann man daher gespannt sein.
Prüfen will die Bundesregierung überdies „geeignete gesetzgeberische Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Medizinischen Versorgungszentren.“
Pharmastandort soll gestärkt werden – Einsparungen dennoch nötig
Was die von den Ländern aus Standort-Sorgen ebenfalls heftig kritisierten Sparmaßnahmen zulasten der Pharmaindustrie betrifft, verweist die Regierung unter anderem auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP. Auf dessen Grundlage würden weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und Stärkung der Produktionsstandorte Deutschland und EU geprüft. Dazu führe man auch Gespräche mit den betroffenen Unternehmen und Verbänden. Man wolle Zulassungs- und regulatorische Prozesse prüfen – mit dem Ziel, die Verfahren zu verbessern und zu beschleunigen. In den nächsten Monaten werde man weiter „mit allen beteiligten Ebenen beraten“.
Auch die AMNOG-Reform will die Regierung nicht aufschieben. Selbst in konjunkturell und pandemisch schwierigen Zeiten entwickelten sich die pharmazeutischen Unternehmen wirtschaftlich sehr dynamisch, konstatiert sie. Die „prognostizierte Finanzwirkung der AMNOG-Reform“ sei daher angemessen. Sie müsse spätestens Ende des Jahres 2022 in Kraft treten, da ihre Effekte einige Zeit bis zur vollen finanziellen Wirksamkeit benötigten.
Nach der gestrigen Anhörung im Gesundheitsausschuss liegen den Ampel-Abgeordneten nun vielfältige Argumente aus allen Richtungen vor. Sie müssen nun entscheiden, welche Änderungen am Gesetzentwurf noch vorgenommen werden sollen.
7 Kommentare
Diversivizierung
von Erwin Nell am 30.09.2022 um 16:41 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Jetzt ist es amtlich
von ratatosk am 29.09.2022 um 18:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Nächste mal ohne uns!
von Thomas Eper am 29.09.2022 um 15:13 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Fragen an den Minister und seine Gesundheitsexperten
von Thomas Eper am 29.09.2022 um 15:04 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Völlig haltlose Argumentierung
von Karl Friedrich Müller am 29.09.2022 um 14:38 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Völlig haltlose Argumentierung
von Karl Friedrich Müller am 29.09.2022 um 15:01 Uhr
AW: Völlig haltlose Argumentierung
von Karl Friedrich Müller am 29.09.2022 um 15:07 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.