Gegenäußerung zu Bundesrats-Stellungnahme

Bundesregierung bleibt beim erhöhten Kassenabschlag hart

Berlin - 29.09.2022, 13:45 Uhr

Karl Lauterbach schwört die Ampel weiter auf sein Spargesetz ein. (a / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)

Karl Lauterbach schwört die Ampel weiter auf sein Spargesetz ein. (a / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)


Die Bundesregierung lehnt die vom Bundesrat geforderte Streichung der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags ab. Die befristete Maßnahme sei „verhältnismäßig“, heißt es in der gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Gegenäußerung zur Stellungnahme der Länder zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Bei der Neupatientenregelung will die Regierung hingegen „zielgenauere Alternativen“ prüfen.

Mitte September hatte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Regierungsentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgelegt. Auch wenn die Länder im Grundsatz die Absicht begrüßen, die wachsende Finanzierungs­lücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu begrenzen und die Kassen stabil aufzustellen: Die von der Regierung zusammengestellten Sparmaßnahmen lehnen sie weitgehend ab. In ihrer 30-seitigen Stellungnahme legen sie unter anderem ausführlich dar, warum eine Erhöhung des Kassenabschlags nicht angezeigt ist. Die Länder pochen vor allem auf schnelle Strukturreformen und wollen mehr Steuergelder fließen lassen – doch regierungsseitig verweist man auf die Schuldenbremse, die das nicht zulasse. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verspricht zwar weitere Reformen – jedoch erst für das kommende Jahr. 

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Gestern beschloss nun das Bundeskabinett seine Gegenäußerung zur Stellungnahme der Länder. Darin lehnt die Regierung fast alle Empfehlungen der Länder ab – Ausnahmen mit Prüfzusagen bestätigen die Regel. Dass beim Apothekenabschlag nicht viel zu erreichen ist, zeichnete sich bereits ab. Vertreter der Regierungsfraktionen haben sich bislang nicht durch Kritik an dieser speziellen Sparmaßnahme hervorgetan. Und auch bei ihren Prüfbitten an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) blieb die geplante Belastung der Apotheken außen vor. Nun heißt es in der Gegenäußerung klipp und klar: 


Die Bundesregierung lehnt die Streichung der geplanten Erhöhung des Apothekenabschlags ab. Der Gesetzentwurf sieht leistungserbringerübergreifend die Hebung von Effizienzreserven vor. Insbesondere die Apotheken haben durch Leistungserweiterungen und auch pandemiebedingt Mehrumsätze verzeichnet. So lag der Mehrumsatz im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr bei 2,5 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund dieser Mehreinnahmen und dem Umstand, dass die Erhöhung auf zwei Jahre befristet ist, wird die Maßnahme als verhältnismäßig angesehen.“

Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz


Auch zwei weitere für Apotheken interessante Empfehlungen der Länder lehnt die Regierung ab: die Abschaffung der Importquote und die geforderten Änderungen bei der Vergabe von Rabattverträgen. Zur Importquote erläutert die Bundesregierung, dass das BMG im Juni 2022 einen Bericht zur Importförderklausel an den Deutschen Bundestag übermittelt habe (BT-Drs. 20/2700) – erstellt hat diesen der GKV-Spitzenverband. Aufgrund der Pandemie und deren Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung habe keine abschließende Bewertung der Notwendigkeit der Importförderklausel erfolgen können. Dem Bericht zufolge ergäben sich nach Schätzungen der Arzneimittelimport-Industrie durch die Regelung direkte Einsparungen in Höhe von rund 260 Millionen Euro jährlich. Hinzu kämen indirekte finanzielle Effekte für den Markt der patentgeschützten Arzneimittel, die sich jedoch nicht quantifizieren ließen. Kurzum: Auf diese Einsparungen will die Regierung offensichtlich nicht verzichten. Die FDP-Fraktion hat das BMG allerdings gebeten, einmal nachzurechnen, wie hoch der Apothekenabschlag sein müsste, um eine Streichung der Importquote zu refinanzieren. 

Verteidigung der Rabattverträge

Was die Rabattverträge betrifft, so forderten Länder bereits zum wiederholten Male, bei der Vergabe von Rabattverträgen „europäische Produktionsstandorte und die Vielfalt der Anbieter durch Mehrfachvergabe zu berücksichtigen, um die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten zu gewährleisten“. Und erneut lehnt die Regierung dies mit dem Hinweis ab, dass es aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, in Europa hergestellte Arzneimittel dezidiert zu bevorzugen. Was die Mehrfachvergabe betrifft, ist sie genauso ablehnend. Von Lieferengpässen durch Exklusivverträge will sie nichts wissen: „Die Abrechnungsdaten der GKV für das Jahr 2021 belegen, dass die dokumentierten Lieferdefekte im rabattvertraglich abgesicherten Marktsegment bei nur 1,2 Prozent lagen, im patentfreien ‚Nichtvertragsmarkt‘ hingegen mit 4 Prozent mehr als dreimal so hoch waren“. Allerdings betont die Regierung auch, dass ihr die angemessene Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln „ein wichtiges Anliegen“ sei. Neben Anreizen für den Erhalt und den Ausbau von Wirkstoffherstellungsstätten in der EU halte sie insbesondere Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten für geeignet, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. „Entsprechende Maßnahmen, die zur Verbesserung der Versorgungssicherheit und der Stärkung des EU Pharma-Standortes beitragen können, werden derzeit geprüft“.

Mehr Gehör fand offenbar der Protest der Ärzteschaft gegen die geplante Streichung der Neupatientenregelung. Hier will die Regierung zumindest „prüfen, ob zielgenauere Alternativen gefunden werden können“. Sie betont aber auch, dass es angesichts der derzeit angespannten finanziellen Situation nötig, sei, Lasten fair zu verteilen und nicht allein den Beitragszahler:innen aufzuerlegen. „Insofern kann keine zusätzliche Vergütung für Leistungen gewährt werden, die dem ursprünglichen Ziel, den Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung zu verbessern und zu fördern und Wartezeiten zu verringern, nicht in einem signifikanten Umfang dienlich sind“. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass valide Erkenntnisse zur Versorgungsverbesserung durch die Neupatientenregelung nicht vorlägen – auf die „Alternativen“ kann man daher gespannt sein.

Prüfen will die Bundesregierung überdies „geeignete gesetzgeberi­sche Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Medizinischen Versorgungszentren.“

Pharmastandort soll gestärkt werden – Einsparungen dennoch nötig

Was die von den Ländern aus Standort-Sorgen ebenfalls heftig kritisierten Sparmaßnahmen zulasten der Pharmaindustrie betrifft, verweist die Regierung unter anderem auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP. Auf dessen Grundlage würden weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und Stärkung der Produktionsstandorte Deutschland und EU geprüft. Dazu führe man auch Gespräche mit den betroffenen Unternehmen und Verbänden. Man wolle Zulassungs- und regulatorische Prozesse prüfen – mit dem Ziel, die Verfahren zu verbessern und zu beschleunigen. In den nächsten Monaten werde man weiter „mit allen beteiligten Ebenen beraten“.

Auch die AMNOG-Reform will die Regierung nicht aufschieben. Selbst in konjunkturell und pandemisch schwierigen Zeiten entwickelten sich die pharmazeutischen Unternehmen wirtschaftlich sehr dynamisch, konstatiert sie. Die „prognostizierte Finanzwirkung der AMNOG-Reform“ sei daher angemessen. Sie müsse spätestens Ende des Jahres 2022 in Kraft treten, da ihre Effekte einige Zeit bis zur vollen finanziellen Wirksamkeit benötigten.

Nach der gestrigen Anhörung im Gesundheitsausschuss liegen den Ampel-Abgeordneten nun vielfältige Argumente aus allen Richtungen vor. Sie müssen nun entscheiden, welche Änderungen am Gesetzentwurf noch vorgenommen werden sollen. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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7 Kommentare

Diversivizierung

von Erwin Nell am 30.09.2022 um 16:41 Uhr

Die Arguemtation erscheint mir nachvollziehbar. Was den Pharmastandorrt betrifft, so ist das löblich, wird aber ohne weiteres nicht gehen. Eine Diversifizierung der Lieferketten wäre schon ein Fortschritt, um die Abhängigkeit von den Produktinsstandorten China und Indien zu verringern.

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Jetzt ist es amtlich

von ratatosk am 29.09.2022 um 18:58 Uhr

Karl ist jetzt völlig durchgedreht.
Frühere Mehrleistungen die nur mit hohem Aufwand erbracht werden konnten, werden hiermit nachträglich wieder eingezogen (nur wer gerade in Rente gegangen ist oder gestorben hat was übrig davon, wir wollen ja anders als Karl ehrlich und faktisch richtig bleiben. )
Alle irgend möglichen Gruppen sollen zu Recht unterstützt werden, aber Karl mag uns halt nicht. In D reicht dafür schon ein duschgeknallter Minister, so isses halt. 10 % Inflation, wie gerade vermeldet und Kürzungen durch Karl sind der Tod für die meisten Apotheken. Am besten schnell zusperren, dann kann man die schlimmsten Verluste begrenzen. Pharmazie in D ist tot, Möglichst auch sofort mit der Ausbildung von Fachkräften aufhören, die müssen sonst in Kürze auch noch umschulen. Man sollte ja in D auch keine Minenarbeiter mehr ausbilden. Der Rest erledigt sich dann über die in Kürze einsetzende Flut von Insolvenzen bei den Apotheken, das dort freiwerdende Personal verteilt sich dann auf die letzten Reste .

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Nächste mal ohne uns!

von Thomas Eper am 29.09.2022 um 15:13 Uhr

"Insbesondere die Apotheken haben durch ... pandemiebedingt Mehrumsätze verzeichnet."

Die pandemiebedingte Umsätze sind uns nicht in den Schoß gefallen. Dafür wurde hart gearbeitet, incl. Überstunden.
Das wird jetzt wieder einkassiert? Also haben wir die Mehrleistung für lau erbracht?
Dann könnte es leicht sein, dass die Politik bei der nächsten Pandemie ohne die Zusatzleistung Apotheken auskommen
muss. Kein Bock mehr.

Übrigens nur zur Info: Mehrumsatz ist nicht gleich Mehrertrag. (Unterschied Umsatz-Ertrag bitte beachten).

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Fragen an den Minister und seine Gesundheitsexperten

von Thomas Eper am 29.09.2022 um 15:04 Uhr

Wenn es den Kassen finanziell so schlecht geht und gespart werden muss, wieso gibt es zahlreiche Arzneimittel, bei denen der Patient keine Zuzahlung leisten muss?
Es gab mal die Praxisgebühr. Warum kann man diese nicht wieder einführen?

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Völlig haltlose Argumentierung

von Karl Friedrich Müller am 29.09.2022 um 14:38 Uhr

Liebe Politiker, lieber Herr Lauterbach,
Sie haben doch letztes Jahr schon eine Diätenerhöhung bekommen, dann kürzen wir dieses Jahr Ihre Bezüge um 10%? Dazu verrechnen wir Ihre Nebeneinkünfte, so ähnlich wie bei Hartz4? Was bleibt dann noch?
Es ist schlicht unverschämt, wie Sie auf Biegen und Brechen Argumente suchen, um bei Apotheken zu kürzen. Für das "Mehr" letztes Jahr haben wir auch sehr viel mehr geleistet. Im Gegensatz zu einigen Politikern, die einfach so Maskengeld abkassiert haben und das auch noch behalten dürfen, weil es keinen Paragraphen (Korruption) dafür gibt.
Schämen Sie sich!
Ich halte es für Verfassungswidrig, diesen Beitrag zu erhaben von einer kleinen Gruppe der Leistungserbringer, den Apotheken, für eine Sache, die Aufgabe des Staates, der Allgemeinheit ist.
Wo bleibt die Klage?

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AW: Völlig haltlose Argumentierung

von Karl Friedrich Müller am 29.09.2022 um 15:01 Uhr

PS: Was ist mit Inflation, hohen Energiepreisen und steigenden Personalkosten? Wie sollen wir das stemmen mit KÜRZUNGEN?
Viele Betriebe schließen deswegen, nicht nur der Bäcker, auch große Firmen bekommen Probleme. Wir werden mit Absicht in den Ruin getrieben.
Das ist nicht die Aufgabe des Gesundheitsministers. Sondern der Erhalt.
Die Politik hat das schon verinnerlicht. Das Vernichten. Bahn, Infrastruktur, Schulen, Bildung, Bunderswehr. Ich frage mich, wo das viele Geld bleibt.

AW: Völlig haltlose Argumentierung

von Karl Friedrich Müller am 29.09.2022 um 15:07 Uhr

Ich habe es mal gegoogelt. Wenn die Zahlen stimmen, haben sich die Diäten seit 2004 (=100) um 40% erhöht. das Honorar der Apotheken um 3%, dazwischen schon mal ein völlig unnötiges AMNOG Gesetz.
Das ist einfach eine scheinheilge Sauerei.

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