Pfizer und Valneva

Hoffnung auf Borreliose-Impfstoff ab 2025?

Stuttgart - 15.08.2022, 17:50 Uhr

Bislang kann man nur die Zecke so schnell wie möglich entdecken (und entfernen) und im Fall der Fälle die Borreliose mit Antibiotika (Doxycyclin) bekämpfen. Eine Impfung gibt es noch nicht. (s / Foto: andriano_cz / AdobeStock)

Bislang kann man nur die Zecke so schnell wie möglich entdecken (und entfernen) und im Fall der Fälle die Borreliose mit Antibiotika (Doxycyclin) bekämpfen. Eine Impfung gibt es noch nicht. (s / Foto: andriano_cz / AdobeStock)


Die beiden Pharmaunternehmen Pfizer und Valneva machen derzeit Hoffnung auf die Zulassung eines Impfstoffs gegen die durch Zecken häufig übertragene Borreliose – im Jahr 2025. Das klingt noch lange hin, obwohl der Impfstoff – anscheinend aktuell der einzige gegen Borreliose in der klinischen Entwicklung – auf ein Konzept setzt, das bereits seit vielen Jahren erforscht wird. 

Es ist eine Pressemitteilung, die Hoffnung macht: Pfizer und Valneva beginnen mit einer Phase-III-Studie eines Impfstoffs gegen die Lyme-Borreliose. Dafür sollen rund 6.000 Proband:innen ab fünf Jahren in Europa und den USA in die Studie („Vaccine Against Lyme for Outdoor Recreationists“ = VALOR, NCT05477524) aufgenommen werden – darunter Finnland, Deutschland, die Niederlande, Polen und Schweden. Die Proband:innen sollen zur Grundimmunisierung drei Dosen des Impfstoffkandidaten VLA15 zu je 180 µg oder als Placebo eine Kochsalzlösung erhalten. Dann folgt noch eine Auffrischimpfung mit VLA15 oder Placebo.

Daten aus den vorausgegangenen Phase-II-Studien sollen bereits eine starke Immunogenität bei akzeptablem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil zeigen. Allerdings rechnet Pfizer erst im Jahr 2025 damit, einen Zulassungsantrag einreichen zu können. VLA15 soll der einzige Borreliose-Impfstoff sein, der sich derzeit in der klinischen Entwicklung befindet.

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Die Frage Wann kommt der Impfstoff gegen die Borreliose?“ wird nicht zum ersten Mal gestellt. Denn bekanntermaßen kann man gegen diese durch Zecken übertragene Erkrankung – anders als gegen die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) – bis heute nicht impfen. Ein Impfstoff wäre jedoch Gold wert, ist die Borreliose doch die am häufigsten durch Zecken übertragene Erkrankung. Während in Deutschland pro Jahr zwischen 300 und 700 FSME-Fälle gemeldet werden, wurde Borreliose 2019 bei mehr als 300.000 Patient:innen diagnostiziert. Bislang kann man die Zecke nur so schnell wie möglich entdecken (und entfernen) und im Fall der Fälle die Borreliose mit Antibiotika (Doxycyclin) bekämpfen. 

Es gab schon einmal einen Borreliose-Impfstoff in den USA

In den USA war immerhin für wenige Jahre ein wirksamer rekombinanter Impfstoff auf der Basis des Oberflächenproteins OspA (outer surface protein) zugelassen gewesen. Dieser ist jedoch vom Hersteller wieder vom Markt genommen worden. Aus kommerziellen Gründen, wie es hieß. Aus einer Präsentation des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) von 2003 geht jedoch auch hervor, dass es nach solchen Impfungen zu Autoimmunreaktionen kommen konnte, weil OspA einem körpereigenen Antigen sehr ähnlich ist. Es gab also offenbar zudem Sicherheitsbedenken.

Die Antigene OspA und OspC

Bei OspA handelt es sich um ein Oberflächen-Lipoprotein, das im Mitteldarm der Zecke von den Borrelien exprimiert wird. Durch Kontakt mit Blut in der Speicheldrüse wird dann auf OspC umgestellt – dieses Oberflächen-Lipoprotein ist also ein weiterer Ansatz für die Impfstoffentwicklung. Mit einer Impfung gegen OspA beabsichtigt man jedoch, dass die Zecke Blut mit OspA-Antikörpern aufnimmt, und die Borrelien so bereits vor der Transmission noch in der Zecke absterben. So soll also die Infektion des Menschen komplett verhindert werden. Sowohl OspA als auch OspC bringen zahlreiche Vor- und Nachteile mit sich, sodass 2003 das Fazit des PEI lautete: „Es wird leider noch einige Zeit dauern, bis ein adäquater Impfstoff gegen die Lyme-Borreliose in Europa zur Verfügung steht.“

Doch am Antigen OspA hat man offenbar festgehalten. Denn auch 2015 hieß es in der DAZ „In einer klinischen Phase-I/II-Studie wurde ein neuer, multivalenter, rekombinant hergestellter OspA-Impfstoff bei 300 erwachsenen Probanden untersucht.“ Bei gutem Sicherheitsprofil sei erstmals auch gegen die in Europa vorherrschenden Stämme ein effektiver Schutz gezeigt worden. Seitdem hat man aber lange nichts mehr dazu gehört. Wegen der Heterogenität der Stämme gilt die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes für Europa als schwierig: Es gibt mindestens sieben OspA-Serotypen. Da scheint jetzt angesichts der sich im Aufwind befindenden mRNA-Technologie die Idee nicht weit, auch gegen die Borreliose mit mRNA-Impfstoffen ankämpfen zu wollen. Ende 2021 berichtete die DAZ über entsprechende Versuche bei Meerschweinchen. Die darin enthaltenen mRNAs sollten für gleich 19 Speichelproteine (19ISP) der nordamerikanischen Zecke Ixodes scapularis (I. scapularis) kodieren.

VLA15 ein Proteinimpfstoff gegen OspA

Angesichts dieser Vorgeschichte, mit nicht allzu großen Meilensteinen, macht die Pressemitteilung von Valneva und Pfizer jetzt also Hoffnung. Denn der Impfstoffkandidat VLA15 ist ein Protein-Impfstoff (Untereinheitenimpfstoff), der sich erneut gegen das Oberflächenprotein OspA richtet. Und zwar gegen sechs der häufigsten OspA-Serotypen, der in Nordamerika und Europa verbreiteten Gruppe Borrelia burgdorferi sensu lato.

Wie sich die Impfung dann schließlich in der Praxis bewährt, bleibt dennoch spannend. Denn offenbar ist die große Menge an benötigten OspA-Antigenen vermutlich hinsichtlich Nebenwirkungen von Nachteil. Außerdem führt im Falle einer OspA-Impfung der natürliche Kontakt mit Borrelien nicht zu einer Booster-Reaktion, ein Booster ist jedoch den Angaben zufolge nach zwölf Monaten nötig. Zudem werden Borrelien, die bereits in der Speicheldrüse der Zecke sitzen, nicht erfasst. Bei einem OspC-Impfstoff wäre das anders. Allerdings entwickeln laut PEI nach Impfung mit einem OspC-Impfstoff nach einer dritten Immunisierung 3-10 Prozent der Probanden ein Erythema von > 100 cm². „Wenn der Mechanismus, der diese Erythema auslöst, nicht erkannt und reduziert werden kann, wird dies das Ende der Entwicklung eines OspC-Impfstoffes sein“, so das Fazit des PEI im Jahre 2003. Und auch ein OspC-Impfstoff würde 14 Serotypen benötigen, also noch mehr als ein OspA-Impfstoff. 

Man darf also gespannt sein, ob Pfizer und Valneva für ihren OspA-Impfstoff 2025 tatsächlich einen Zulassungsantrag einreichen werden. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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