Lieferengpässe bei Paracetamol und Ibuprofen

Entspannt sich die Lage im Herbst?

Stuttgart - 13.07.2022, 17:50 Uhr

Ibuprofen- und Paracetamol-Kindersäfte sind in Apotheken Mangelware. (a / Foto: Schelbert)

Ibuprofen- und Paracetamol-Kindersäfte sind in Apotheken Mangelware. (a / Foto: Schelbert)


Fiebersäfte für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen sind aktuell Mangelware. Als Ursache gilt der Marktrückzug eines Zulassungsinhabers. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hält die Lieferengpässe derzeit für nicht kritisch. Die verbleibenden Marktteilnehmer haben gegenüber dem BfArM erklärt, im Herbst die Marktanteile des ausgeschiedenen Zulassungsinhabers vollständig kompensieren zu können.

Einen infektfreien Sommer erleben derzeit nur wenige Familien mit Kindern. Das Robert Koch-Institut (RKI) registriert für diese Jahreszeit mehr akute Atemwegserkrankungen als in den Jahren vor der Corona-Pandemie. In der ersten Juliwoche wurden dem RKI 1,2 Millionen Arztbesuche gemeldet. Insgesamt geht man von 4,5 Millionen Krankheitsfällen aus. Während bei Erwachsenen hauptsächlich das Corona-Virus ursächlich sein soll, stecken hingegen bei Kindern vor allem Atemwegserreger wie Parainfluenza-, Rhino- und zum Teil auch Influenzaviren dahinter – so das Ergebnis stichprobenartiger virologischer Untersuchungen.

Um die Symptomatik wie Fieber und Gliederschmerzen zu behandeln, verordnen Kinderärzte Suspensionen und Suppositorien mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen. Diese Präparate sind aktuell jedoch Mangelware. Aus vielen Apotheken werden Lieferengpässe gemeldet. Als Ursache gilt der Marktrückzug eines Unternehmens. Wie das „Arznei-Telegramm“ bereits Mitte April 2022 berichtete, stellte 1A-Pharma aufgrund gestiegener Rohstoffpreise die Produktion ihres Paracetamol-Saftes ein. Gleichzeitig erklärte Ratiopharm in einem Schreiben, ab Mai 2022 wieder liefern zu können. Der Branchenverband Pro Generika bestätigte, dass mit dem Marktrückgang von 1A-Pharma nur noch Ratiopharm als einziger Hersteller „die Hauptlast der Versorgung“ stemme. Allein in den letzten zwölf Monaten sei, laut Branchenverbrand, der Wirkstoff Paracetamol um 70 Prozent teurer geworden.

Die Apotheken und Praxen konnten die angespannte Situation bislang dadurch lösen, dass Kinder alternativ mit Paracetamol-Suppositorien oder Ibuprofen-Suspensionen versorgt wurden. Daneben existiert noch der Paracetamol-haltige Ben-u-ron-Saft von Bene Arzneimittel, dessen Preis allerdings mit 5,25 Euro deutlich über dem Festbetrag liegt und zu Mehrkosten für die Patienten führt. Darüber hinaus wäre es Apotheken möglich, NRF-Rezepturen herzustellen. Dabei wird Paracetamol als fein gepulverte Rezeptursubstanz oder Fertigarzneimittel-Tabletten (für Erwachsene) in eine Suspensionsgrundlage eingearbeitet.

BfArM: Kontingente ungleichmäßig verteilt

Die Lieferengpässe im Bereich der Paracetamol-haltigen Kinderarzneimittel sind jedoch nach wie vor existent und haben sich auf Ibuprofen-Präparate ausgeweitet. Viele Apotheken fühlen sich nicht mehr in der Lage, die Nachfrage adäquat erfüllen zu können. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist bekannt, dass es vor allem bei der Versorgung mit Paracetamol-Fiebersäften zurzeit zu einer eingeschränkten Verfügbarkeit kommen kann, erklärt ein Sprecher gegenüber der DAZ. Im Monat Juni stellte die Behörde ebenfalls eine leichte Unterversorgung mit Ibuprofen-haltigen Fiebersäften fest. Diese soll aber zwischenzeitlich, nach Kenntnisstand des BfArM, weitestgehend aufgelöst worden sein. Dass Apotheken nach wie vor über Lieferengpässe klagen, führt man auf die ungleichmäßige Verteilung der bestehenden Kontingente zurück, sodass es lokal zu einzelnen Nichtverfügbarkeiten kommen kann. Auch weitere Lieferengpässe für verschiedene Schmerzmittel (wie Morphin-Derivate oder Paracetamol-Tabletten) sind dem BfArM gemeldet worden, „von denen jedoch keiner als kritisch eingestuft wird“.

Die Ursache für die Engpässe bei den pädiatrischen Darreichungsformen mit dem Wirkstoff Paracetamol liegt im Marktrückzug eines Zulassungsinhabers. Die betroffenen Marktanteile konnten nicht kurzfristig von den weiteren Marktteilnehmern übernommen werden, wodurch es zu einer Unterversorgung des Marktes mit den in Rede stehenden Produkten kam. So lautet die Erklärung des Bundesinstituts. In der Folge wurden als Alternativpräparate pädiatrische Formulierungen mit dem Wirkstoff Ibuprofen verstärkt nachgefragt. Der entstehende Effekt führte bei diesen Produkten ebenfalls zu Engpässen, welche inzwischen weitestgehend behoben werden konnten.

Hersteller wollen Produktion steigern

Gegenüber dem BfArM haben die verbleibenden Marktteilnehmer für Paracetamol-haltige Säfte erklärt, dass sie bestrebt sind, die offenen Marktanteile abzufangen. Hierfür steigern sie ihre Produktionen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Nach Aussagen eines der betroffenen Unternehmen soll im Herbst mit der vollständigen Kompensation der Marktanteile des ausgeschiedenen Zulassungsinhabers gerechnet werden können.

Die Zulassungsbehörde rechnet also offenbar damit, dass die Hersteller der Fertigarzneimittel bald wieder die Nachfrage flächendeckend bedienen können. Ob weitergehende Maßnahmen, wie Erleichterungen bei Rezeptur und Import, erforderlich werden, dazu will sich das BfArM derzeit nicht äußern. „Wir bitten um Verständnis, dass das BfArM keine Therapieempfehlungen ausspricht und sich als Bundesoberbehörde auch nicht an öffentlichen Diskussionen zu möglichen weiteren Maßnahmen beteiligen kann.“ Weitere Maßnahmen würden erst im Beirat erörtert und nachfolgend festgelegt sowie auf der Internetseite veröffentlicht.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

das Ergebnis der Globalisierung?

von Susanne Wagner-Schröer am 21.07.2022 um 6:55 Uhr

Natürlich ist das alles nicht "kritisch" - das meinen die Bürokraten in ihrem Glaskasten. Aber das ist ja nur EIN Teil der Geschichte. Es gibt weiter kein: Elotrans, kein Oralpädon, kein Kamillan (hat die DDR mal in Massen produziert), kein Digitoxin, kein Rosuvastatin, kein Nasenspray 0,05%. Antibiotische Augensalben/tropfen gehen zur Neige und Foster gibts derzeit auch nur in einer Dosierung. Die Liste ist endlos! Alles nur Verschwörung? Als das GMG eingeführt wurde (unter einem SPD Kanzler...) habe ich das Szenario voraus gesagt. Wenn es ans Insulin geht, dann wird es wirklich kritisch.

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Nicht kritisch? WTF?

von Gabriele Demuth-Eberle am 18.07.2022 um 15:21 Uhr

Ich hatte am Samstag Notdienst in meiner kleinen Winzig-Bude auf dem Dorf. Ein Vater hat alle Apotheken im Umkreis von 50 km abgefahren, um 1 Flasche Ibu-Saft und 1 Flasche Paracetamol-Saft fürs kranke Baby zu bekommen. Aber nee, das BfArM sieht noch keine kritische Lage. Auf welchem Planeten leben die denn?

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AW: Nicht kritisch? WTF

von Petra Fischer am 19.07.2022 um 11:49 Uhr

Wenn es so weiter geht ist die Zeit ja bald reif für die segensreiche Homöopathie...

Lieferengpass Fiebersäfte

von Andreas Kronsbein am 14.07.2022 um 11:06 Uhr

Wäre nie so weit gekommen, wenn man bereit wäre, für diese Produkte halbwegs angemessen Preise zu zahlen. Hustensaft (egal welche Sorte) kostet knapp unter 10,- , kein Problem. Ich wäre auch nicht bereit, für 3,- einen Paracetamol-Saft herzustellen.

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Unkritisch?

von Birgit Möllenkamp am 13.07.2022 um 20:21 Uhr

In Bereich meines "Buden-Kartells" kann keiner meiner GH zur Zeit ein einzelnes Fläschchen Ibu- o. Paracetamol-Saft liefern, auch die Kinderzäpfchen sind weitestgehend Mangelware. Wie schlimm soll oder besser kann es denn noch werden, bis das BfArm das als kritisch betrachtet? Für solche Sinn entleerten Stellungnahmen werden auch noch Leute teuer bezahlt, diese Posten kann man getrost einsparen. Wer den aktuellen Zustand der Nicht-Verfügbarkeit als "leichte Unterversorgung" des Marktes deklariert, leidet selbst an einer gravierenden Sauerstoffunterversorgung seines Denkapparates.

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Fiebersäfte Engpass

von Stefanie Haas am 13.07.2022 um 19:33 Uhr

Ich bin sprachlos! Nicht kritisch? Ich muss nächste Woche zwei Notdienste stemmen und bekomme schon lange keine Ware! Auch die eigene Herstellung ist mit Hürden in der Organisation von Hilfsmittel/ Packmittel einhergehend. Nach dem Artikel habe ich das Gefühl , dass ich in einer Parallel Welt lebe. Nicht zu glauben das das ernst gemeint ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Fiebersäfte-Engpass

von Roland Mückschel am 13.07.2022 um 18:12 Uhr

Die Beamten halten die Lage für nicht kritisch?
Hat euch jemand ins Hirn geschi..en?

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