- DAZ.online
- News
- Politik
- Hersteller warnen: ...
Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes
Hersteller warnen: Spargesetz gefährdet Arzneimittelversorgung
Seit heute liegt ein erster Referentenentwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes auf dem Tisch. Die Apotheken sollen demnach für die Dauer von zwei Jahren einen von 1,77 Euro auf 2 Euro erhöhten Kassenabschlag entrichten. Und auch die Pharmaindustrie wird kräftig zur Kasse gebeten – aus der Sicht von BAH und BPI gefährdet das die Versorgung der Menschen hierzulande mit Arzneimitteln. Denn auch bei den Herstellern seien die Effizienzreserven ausgereizt.
Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) reagiert geschockt auf den jüngst bekannt gewordenen Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes. „Die im Spargesetz vorgesehenen Einsparungen im Arzneimittelbereich gefährden die Arzneimittelversorgung und fügen dem Pharmastandort Deutschland weiteren Schaden zu“, kommentiert BAH-Chef Hubertus Cranz den heute bekannt gewordenen Entwurf. „Schon jetzt erbringen die Hersteller beträchtliche jährliche Abschläge zugunsten der GKV, die im Jahr 2021 mit knapp 6,5 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht haben.“
Mehr zum Thema
Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes
Kassenabschlag soll auf 2 Euro steigen
GKV-Finanzreform
Lauterbach will an die „Effizienzreserven“ der Apotheken
Um die Finanzierungslücke der Gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen, ist dem Entwurf zufolge eine Stabilisierung im Arzneimittelbereich erforderlich. Dafür soll neben der Erhöhung des Apothekenabschlags das Preismoratorium über den 31. Dezember 2022 hinaus um weitere vier Jahre verlängert werden. Für die Jahre 2023 und 2024 ist eine Solidaritätsabgabe pharmazeutischer Unternehmer geplant. Wie diese festgesetzt und abgewickelt wird, soll ein neuer § 130f SGB V regeln. Demnach setzt der GKV-Spitzenverband die Solidaritätsabgabe des einzelnen pharmazeutischen Unternehmers auf Grundlage seines Anteils am tatsächlichen GKV-Ausgabevolumen für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen und Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens im vorangegangenen Kalenderjahr fest und fordert ihn auch zur Leistung der anteiligen Solidaritätsabgabe auf. Darüber hinaus sind Anpassungen am Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) geplant, was vor allem zu Einsparungen bei innovativen Medikamenten führen soll, die neu in den Markt kommen.
Dem BAH passt das gar nicht – wegen des Preismoratoriums erstatte die GKV den Arzneimittel-Herstellern nicht mehr als den Preisstand vom 1. August 2009, obwohl die Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik seit Jahren stetig stiegen. „Erschwerend kommt hinzu, dass der seit 2018 bestehende nachträgliche Inflationsausgleich die enorm gestiegenen Produktionskosten nur im Ansatz ausgleichen kann, da Preisanpassungen nur im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate möglich sind“, monieren die Hersteller. Der Preisanstieg für Energie-, Logistik- und Rohstoffkosten falle hingegen deutlich höher aus.
„Wenn für Unternehmen ein Zeitpunkt erreicht ist, an dem eine kostendeckende Produktion schlicht nicht mehr möglich ist, wird die Verfügbarkeit von Arzneimitteln infrage gestellt“, warnt Cranz mit Blick auf die Pläne. „Für Patientinnen und Patienten können dann wertvolle Therapie- und Versorgungsoptionen verloren gehen.“ Darüber hinaus verhindere das Preismoratorium die Weiterentwicklung von bekannten Substanzen durch die Arzneimittel-Hersteller, etwa in neue oder altersgerechte Darreichungsformen. „Somit steht das Preismoratorium in krassem Widerspruch zu dem Wunsch der Politik, den Arzneimittel-Standort Deutschland attraktiver zu machen“, betont Cranz.
Die neu eingeführte Solidaritätsabgabe von 1 Milliarde Euro, die 2023 und 2024 jeweils zusätzlich geleistet werden soll, laufe den seinerzeit von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag formulierten Zielen einer Standort-Stärkung ebenfalls zuwider, meint der BAH. Dabei lägen die anteiligen Ausgaben für Arzneimittel seit mehr als zehn Jahren annähernd konstant bei weniger als 17 Prozent der GKV-Gesamtausgaben von insgesamt 284,3 Milliarden Euro. „Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Arzneimittel-Hersteller, Apotheken und Patienten jedes Jahr bereits einen erheblichen Entlastungsbeitrag von 19,5 Prozent zugunsten der GKV leisten“, unterstreicht der Verband.
Auch im Bereich der pharmazeutischen Industrie seien die Effizienzreserven bereits ausgereizt, schreibt der BAH. Weitere Einsparungen würden substanzielle Risiken nach sich ziehen. „Damit läuft der aktuelle GKV-Finanzierungsentwurf diametral den erklärten Zielen der Koalitionspartner entgegen, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln zu verbessern und den Pharmastandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Hierfür wären viel eher finanzielle, regulatorische und bürokratische Entlastungen für die Hersteller zielführend.“
BPI: Die Industrie soll bluten
Ebenso entsetzt ist man beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI): „Der Bundesgesundheitsminister setzt mit seinen Kürzungen im Arzneimittelbereich den Pharmastandort Deutschland und Europa nachhaltig aufs Spiel und gefährdet die Versorgung der Menschen in Deutschland“, kommentiert der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier den Referentenentwurf. Er kritisiert, dass mit keinem Wort die Stabilisierung der Produktion in Deutschland und Europa oder die schlechten Ausschreibungsbedingungen genannt seien. Dabei hätten dies die meisten Parteien vor der Wahl wie auch der Koalitionsvertrag als besondere Herausforderung identifiziert. Mit den jetzt vorgesehenen Maßnahmen drohe die europäische Arzneimittelversorgung „über kurz oder lang auszubluten“, mahnt Feldmeier.
Der BPI-Chef betont die riesigen Herausforderungen seiner Branche, eine störungsfreie Versorgung zu sichern. Das werde angesichts labiler Lieferketten und explodierender Kosten extrem schwierig – und mit solchen Sparmaßnahmen noch mehr. „Wie man nach den Lehren der Pandemie gerade in diesem neuralgischen Bereich kürzen kann, ist nicht nur unfassbar unkreativ, sondern offensichtlich verfehlt“. Feldmeier weiter: „Forschung, Entwicklung und Produktion in der EU ist unser Überlebenskonzept. An diesem Ast darf die Politik nicht noch weiter sägen. In der Pandemie hat die Pharmaindustrie geliefert, schnell Impfstoffe bereitgestellt, weiter produziert und damit auch die Grundversorgung gesichert. Das ist noch einmal gut gegangen, aber wir müssen jetzt vorsorgen und in unsere Sicherheit investieren. Sonst rutschen wir sehenden Auges in eine massive Versorgungskrise ab“.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.