Neun Monate rezeptfreie Minipille in UK

Verhütung nur mit Gestagen – und ohne Rezept?

Stuttgart - 03.06.2022, 12:15 Uhr

In den letzten Jahren wurde die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva öffentlich immer kritischer diskutiert. Ist die Zeit und sind die Patient:innen reif für die eigenverantwortliche Einnahme ohne Rezept? (Foto: stas_malyarevsky / AdobeStock)

In den letzten Jahren wurde die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva öffentlich immer kritischer diskutiert. Ist die Zeit und sind die Patient:innen reif für die eigenverantwortliche Einnahme ohne Rezept? (Foto: stas_malyarevsky / AdobeStock)


Thromboserisiko und spezielle Indikationen

Und wie steht es um das bei der Pille viel diskutierte Thrombose-Risiko? In kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) (also mit einer Östrogen-Komponente) wird Desogestrel der Risikoklasse 3 zugeordnet. Solche kombinierten Pillen bringen gegenüber Levonorgestrel als Gestagen-Komponente in KOK also ein höheres Risiko venöser Thromboembolien mit sich. Gruber zufolge, weiß man von den „Progesteron-only-Pillen“ aber, „dass diese das Risiko von Schlaganfall, thromboembolischen Komplikationen oder Myokardinfarkt nicht signifikant über das Grundrisiko erhöhen“. Einige Studien sollen jedoch – statistisch nicht signifikant – auf ein „möglicherweise leicht erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (tiefe Venenthrombose, Lungenembolie) im Zusammenhang mit der Einnahme von Gestagen-Monopräparaten“ hinweisen. Auf Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Adipositas, Nicotin-Abusus und Bewegungsmangel ist zu achten. Laut Leitlinie können Gestagenmonopräparate bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko angewandt werden (Ausnahme DMPA). „Für die Zulassung der KOK in Deutschland ist eine stattgehabte VTE jeweils als Kontraindikation aufgeführt, bei Gestagenmonopräparaten ein Warnhinweis“, heißt es.

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In einer Indikation sind Gestagen-Monopräparate jedenfalls sicher die erste Wahl: bei der Therapie der Endometriose. Denn dort ist die Blutungsfreiheit explizit gewünscht. Als weitere unerwünschte Wirkung wird in diesem Zusammenhang auf depressive Verstimmungen hingewiesen. 

Und es gibt noch eine weitere Indikation, bei der reine Gestagen-Präparate bevorzugt zum Einsatz kommen sollten: Migräne. Bei einer (menstruellen) Migräne mit Aura sind kombinierte orale Kontrazeptiva nämlich tabu. Zudem beeinflussen kombinierte orale Kontrazeptiva den Verlauf der menstruellen Migräne meist nachteilig und erhöhen (wie die Aura) das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall. Angesichts des Sicherheitsprofils und zweier Beobachtungsstudien scheint Desogestrel besonders geeignet bei menstrueller Migräne.

Zudem können reine Gestagenpillen auch in der Stillzeit angewendet werden. KHK sind hingegen tabu. 

Damit erscheint die Verhütung nur mit Gestagen durchaus sinnvoll und sicher zu sein. Bei einer Entlassung aus der Rezeptpflicht müsste aber auf jeden Fall anderweitig gewährleistet sein, dass regelmäßig gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden. Denn der Motor Pillenrezept fiele weg. Ganz unabhängig vom medizinischen Für und Wider: Angesichts der immer noch währenden Diskussionen um den OTC-Switch der „Pille danach“ scheint der OTC-Switch für „die Pille“ in Deutschland ohnehin ein schwer zu vermittelndes Unterfangen zu sein. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

gelungener Denkanstoss

von Thomas B am 04.06.2022 um 11:49 Uhr

Aus meiner Sicht ein sehr gelungener Artikel! Die Diffizilität bei der Auswahl "Welche Pille soll´s denn sein?" wird sehr schön angerissen. Das sollte unbedingt Arztsache bleiben, das können wir Apotheker in der Regel nicht leisten, vom Missbrauchspotential durch Kollegoiden und Versender mal abgesehen. Wenn überhaupt eine Erleichterung geplant sein sollte, ist aus meiner Sicht allenfalls so etwas wie ein Jahres-Pillenrezept oder das Nutzen der reiteretur - Option durch den Verordner sinnvoll.

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