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Legalisierung
Wer erwartet das große Cannabis-Geschäft?
Gesamtbedarf von 380 bis 420 Tonnen Cannabis pro Jahr
Allein die Tatsache, dass man sich hierzulande so nah an der Cannabis-Freigabe befindet wie noch nie zuvor, weckt die Fantasie von Unternehmen, die zum Teil bereits in vielen anderen Ländern auf ein Milliardengeschäft blicken können.
Das Marktforschungsinstitut Insight Health kommt für 2021 zu dem Ergebnis, dass Deutschlands Apotheken ihren Bedarf an Cannabis-Blüten zu medizinischen Zwecken vor allem bei den kanadischen Anbietern Aurora, Canopy Growth und Tilray decken. Mit Cannamedical befindet sich das einzig inländische Unternehmen an der Spitze der Top-Liste.
Zur Abschätzung des Marktvolumens nach der Legalisierung hat Prof. Dr. Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) eine Studie erstellt und im November 2021 gemeinsam mit dem Deutschen Hanfverband vorgestellt. Haucap, der frühere Vorsitzende der Monopolkommission, erwartet bei einer Freigabe aufgrund internationaler Erfahrungen und Schätzungen zum Konsum in Deutschland einen Gesamtbedarf von 380 bis 420 Tonnen Cannabis pro Jahr.
Da bei einem legalen Geschäft der Aufpreis für kriminelle Machenschaften entfällt, könnte der Preis niedriger als auf dem Schwarzmarkt sein, aber der Staat sollte keinen zusätzlichen Konsumanreiz schaffen. Darum geht Haucap von einem Preis auf unterem Schwarzmarktniveau aus – etwa 10 Euro pro Gramm. Daraus ermittelt das „Handelsblatt“ in einem Beitrag vom 14. März 2022 ein Marktvolumen, also einen zu erwartenden Gesamtumsatz von etwa 4 Milliarden Euro.
Das auf Cannabis spezialisierte britische Marktforschungsunternehmen mit dem dubiosen Namen „Prohibition Partners“ sieht in seinem „Germany Cannabis Report“ bis 2028 für Deutschland sogar ein Marktpotenzial von 7,7 Milliarden Euro. Dies meldete das „Hanf-Magazin“ bereits im November 2019.
4 Euro pro Gramm Cannabis
In Haucaps Studie geht es jedoch um „Fiskalische Auswirkungen einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland“, wie der Titel verdeutlicht. Bei einem konservativ geschätzten Verkaufspreis vor Steuern in Deutschland in Höhe von 4 Euro pro Gramm könnten 6 Euro Steuern pro Gramm erhoben werden. Auf dieser Grundlage erwartet Haucap finanzielle Vorteile für den Staat in Höhe von 4,7 Milliarden Euro pro Jahr durch zusätzliche Steuern und Sozialabgaben sowie durch Einsparungen bei der Strafverfolgung. Es würden 27.000 neue legale Arbeitsplätze entstehen. Die größte Position in dieser Rechnung ist die Einnahme von 1,8 Milliarden Euro aus einer neuen Cannabis-Steuer. Hinzu kommen Unternehmens-, Lohn- und Mehrwertsteuer.
Haucap geht davon aus, dass 4 Euro pro Gramm sämtliche Kosten der Herstellung, des Vertriebs und des Einzelhandels sowie Gewinnzuschläge für alle Beteiligten abdecken. Auf die Höhe der Margen geht er nicht ein. Doch bei dieser Dimension dürfte im Einzelhandel als Rohertrag allenfalls ein mittlerer zweistelliger Centbetrag pro Gramm verbleiben. Das wäre eine viel geringere Größenordnung als bei den derzeitigen Apothekeneinkaufspreisen für medizinisches Cannabis und den Zuschlägen gemäß Arzneimittelpreisverordnung.
Daraus folgt: Der Staat würde einen erheblichen Teil der Einnahmen aus Cannabis zu Genusszwecken in Form von Steuern abschöpfen. Bei der Festlegung eines staatlich geregelten Preises wären scharf kalkulierte Margen gefragt. Die Preise und Margen für medizinisches Cannabis sind dafür kein Vorbild. Schlimmstenfalls kann es sogar Rückwirkungen auf die Kalkulationen beim medizinischen Cannabis geben oder die Krankenkassen könnten Patienten in den Markt für Genussware lenken. Dann würde den Apotheken sogar eine Einbuße an dieser Stelle drohen. Aus den berauschenden Ideen kann also eine bittere Ernüchterung werden.
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