Gesetzentwurf in der zweiten Jahreshälfte

Drogenbeauftragter kündigt Konsultationsprozess zur Cannabis-Freigabe an

Berlin - 06.05.2022, 14:15 Uhr

Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert will sich jetzt zusammen mit Verbänden, Wissenschaft und Bevölkerung um die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken kümmern. (s / Foto: IMAGO / Sven Simon)

Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert will sich jetzt zusammen mit Verbänden, Wissenschaft und Bevölkerung um die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken kümmern. (s / Foto: IMAGO / Sven Simon)


In der zweiten Jahreshälfte 2022 will Bundesgesundheitsminister Lauterbach einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Cannabis zu Genusszwecken vorlegen. Der Bundesdrogenbeauftragte kündigt jetzt an, in die Vorbereitungen auch die Erfahrungen von Verbänden, Wissenschaft und Gesellschaft einbeziehen zu wollen. Denn noch sind viele Fragen zu klären – zum Beispiel, ob Apotheken als Verkaufsstellen infrage kommen.

Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) plant umfassende fachliche Vorbereitungen für die vorgesehene kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland. Dafür werde er jetzt gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und weiteren Ressorts „einen gründlichen Konsultationsprozess“ starten, kündigte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur an. „Es geht darum, das Wissen und die Erfahrungen zu bündeln, aber auch Einwände und Vorbehalte sehr offen anzusprechen.“ In die Vorbereitungen sollten auch Länder, Kommunen, Verbände, Wissenschaft und die Zivilgesellschaft eingebunden werden.

„Kaum ein anderes drogenpolitisches Thema beschäftigt die Menschen seit Jahrzehnten so sehr wie Cannabis“, sagte Blienert. „Wir alle wissen, wie komplex dieses Vorhaben ist.“ Bis zum Herbst solle daher jetzt mit führenden Expertinnen und Experten über die relevantesten Fragen zum Gesundheitsschutz, zu Anbau, Lieferketten und zur Besteuerung diskutiert werden. „So unterstützen wir den Gesetzgebungsprozess fachlich und politisch durch ein gutes Fundament.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte den Start mit Fachgesprächen über den Sommer am Mittwoch angekündigt. In der zweiten Jahreshälfte soll dann ein Gesetzentwurf folgen. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Lauterbach machte deutlich, dass er seine ursprünglich ablehnende Position dazu revidiert habe.

Lütke (FDP): Cannabis-Verkauf auch in Apotheken denkbar

Eine Frage, die es noch zu klären gilt, ist, ob auch Apotheken als Verkaufsstellen infrage kommen. Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Kristine Lütke, steht dem offen gegenüber: Im DAZ-Interview sagte sie Mitte März, nach ihren Vorstellungen sollen sich auch Apotheken um Lizenzen bewerben können, die für den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken berechtigen.

Allerdings, so Lütke, gebe es diesbezüglich noch Abstimmungsbedarf mit den Koalitionspartnern – gemeint sein dürften insbesondere die Grünen, die eine Abgabe von Genusscannabis in den Apotheken ablehnen. Im Interview mit dem Deutschen Hanfverband sagte die drogenpolitische Sprecherin der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, plädierte sie für die ausschließliche Abgabe in speziellen Fachgeschäften – auch, um den Vertrieb von medizinischem Cannabis und solchem zu Genusszwecken klar voneinander zu trennen. Das Gespräch mit Georg Wurth, Chef des Deutschen Hanfverbands, gibt es auf youtube zum Nachhören – um die Apotheken geht es ab Minute 23’30.

Was sagen die Apotheker dazu?

Wie die Apothekerinnen und Apotheker selbst zu dem Thema stehen, zeichnete sich etwa bei der Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Hessen Ende März ab. Ein Stimmungsbild zeigte: Zumindest unter den Delegierten der Kammer ist zwar die Mehrheit (zehn Stimmen) gegen die Abgabe von Cannabis in den Apotheken, es gibt aber durchaus Kolleginnen und Kollegen, die dem offen gegenüberstehen (vier Stimmen) oder sich weder für noch gegen den Verkauf in den Offizinen positionieren wollten (vier Enthaltungen).

Kammerpräsidentin Ursula Funke äußerte sich kritisch: „Der Charakter einer Apotheke wird sich dadurch komplett ändern“, befürchtet sie. In den USA und Kanada werde Cannabis in „edlen Shops“ vertrieben, die eine riesige Auswahl an Sorten und Darreichungsformen böten. Das sei für die Apotheken hierzulande nicht denkbar. „Wir wollen nicht zu Edel-Drugstores werden“, betonte Funke. Apothekenexklusivität könne man sich ohnehin „abschminken“. Das sei aus den Äußerungen Lütkes deutlich geworden. Funke plädiert daher für eine klare Trennung – auch deshalb, weil sonst möglicherweise andere Geschäfte, die Cannabis verkauften, auf die Idee kämen, bisher apothekenpflichtige Ware in ihr Sortiment aufzunehmen zu wollen.

Fokus auf Gesundheits- und Jugendschutz

Die Frage nach möglichen Verkaufsstellen wird in jedem Fall zu klären sein, bevor das Bundesministerium für Gesundheit einen Gesetzentwurf zur Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken vorlegen kann. Ein besonderes Augenmerk hat die Politik aber auch auf den Jugendschutz gelegt: Blienert sagte, ihm sei wichtig, bei den fachlichen Beratungen die Bereiche Jugend- und Gesundheitsschutz besonders in den Fokus zu rücken. „Denn am Ende sollen in Deutschland natürlich nicht mehr, sondern weniger Jugendliche Cannabis konsumieren.“ Dieser Punkt spricht in den Augen einiger Politiker:innen übrigens gegen den Verkauf in Apotheken, denn zu den Fachgeschäften sollen demnach nur Erwachsene Zutritt haben. 

Er sei sicher, dass dieser Prozess eine gute Grundlage für das Gesetz schaffe, auf das so viele lange gewartet hätten – ihn eingeschlossen. „Mit dem Koalitionsvertrag haben wir uns auf einen Paradigmenwechsel in der Drogen- und Suchtpolitik verständigt: weniger Repression, mehr Schutz und Hilfe“, sagte der Beauftragte der Bundesregierung.



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