Was können Betroffene tun?

Obszöne Anrufe im Notdienst – das sagen die Kammern dazu

Berlin - 30.03.2022, 07:00 Uhr

Bei obszönen Anrufen im Notdienst das Telefon abzuschalten, ist den meisten Kammern zufolge keinesfalls eine Option. (Foto: IMAGO / BildFunkMV)

Bei obszönen Anrufen im Notdienst das Telefon abzuschalten, ist den meisten Kammern zufolge keinesfalls eine Option. (Foto: IMAGO / BildFunkMV)


Siemsen: Politik muss im Strafrecht nachbessern

Bei der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat man das Problem ebenfalls auf dem Schirm. „Auch wir hören gelegentlich von unangenehmen oder unnötigen Anrufen während des Nacht- und Notdienstes“, sagt Jens Krömer, Pressesprecher der AKNR. Das beginne bei eher harmlosen, von Gedankenlosigkeit geprägten Nachfragen à la „Sind Sie auch wirklich da?“ und ende bei – in Nordrhein noch eher seltenen – vulgären Telefonaten mit eventuell strafrechtlich relevantem Charakter. „Sie sehen: Das Thema ist uns geläufig und wir beschäftigen uns damit.“

Eine Maßnahme könne eine routinemäßig vorgeschaltete Bandansage sein, die einerseits auf die Erreichbarkeit der Apotheke hinweist und damit schon die vielen und störenden telefonischen Anfragen im Notdienst ‚Sind Sie dienstbereit?‘ beantwortet und mit dem Hinweis auf Rückruf in dringenden Fällen bei Hinterlassen der Kontaktdaten den Patientenwunsch nach Versorgung erfüllt und gleichzeitig vor obszönen Anrufen schützt. „Dies ist nur eine Möglichkeit, unerwünschten Anrufen zu begegnen – zum Leidwesen der Mehrzahl der Anrufenden mit lauteren Absichten“, so Krömer. Ein Meinungsaustausch zu dieser Option und anderen Fragen, die sich um diesen Themenkreis ergeben, stehe auf Ebene des Haupt- und Ehrenamts der Kammer jedoch noch aus. „Es steht den Inhaberinnen und Inhabern öffentlicher Apotheken frei, angemessen und optimal auf dieses Problem zu reagieren. Über Vorschläge und Best-Practice-Beispiele würden wir uns per Mail an feedback@aknr.de sehr freuen.“

Auch Hamburg rät zur Bandansage

Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, unterstreicht im Zusammenhang mit Belästigungen im Notdienst dessen Bedeutung als „wesentlicher Dienst der Daseinsvorsorge in der ambulanten gesellschaftlichen Gesundheitsversorgung rund um die Uhr“. Jegliche Gefährdung dieser Notfallversorgung durch die Heilberufe für die Bevölkerung sei zu verhindern. „Die Meldungen über Belästigungen und Bedrohungen von Apothekerinnen und Apothekern im Notdienst werden daher von der Apothekerkammer Hamburg sehr ernst genommen.“ Insbesondere die seit dem vergangenen Jahr zunehmende Zahl an Bedrohungen und Übergriffen im Kontext mit den Corona-Impfungen bereiten dem Vorstand und der Geschäftsstelle Sorgen, berichtet Siemsen auf Nachfrage der Redaktion.

Auch er rät dazu, eine Bandansage vorzuschalten, um unangemessene Anrufe abzublocken. „Sollte ein Anrufer mit sexueller Belästigung trotzdem zur Apothekerin durchkommen, ist ein Einsatz der alt bewährten Trillerpfeife ein gutes Mittel zur Vergrämung.“ Hier sei jedoch die Angemessenheit der Verteidigung im Einzelfall zu beachten. Zudem empfiehlt Siemsen eine Dokumentation der Anrufe mit obszönem Inhalt sowie eine Anzeige bei der Polizei. „Mit den getätigten Strafanzeigen, auch wenn man eventuell nach sechs Wochen den Ermittlungseinstellungs-Brief erhält, unterstützen Sie die Apothekerkammer Hamburg als Körperschaft des öffentlichen Rechts, gegen diese Vorfälle im politischen Austausch mit den zuständigen Stellen hier weitere Gegenmaßnahmen zu initiieren.“

Anders als in anderen europäischen Ländern sei diese Form der verbalen sexuellen Belästigung hierzulande kein Straftatbestand, erläutert Siemsen. „Hier fordere ich die Politik auf, gesetzlich Abhilfe zu schaffen.“ Das würde vielleicht auch zu einer verstärkten allgemeinen gesellschaftlichen Wahrnehmung dieser Perversität führen, hofft der Kammerchef. „Ein weiterer Wunsch von mir wäre die standardmäßige Einrichtung einer Fangschaltung für Apothekentelefonnummern, wie es sie für die Rettungskräfte schon gibt, die nach Strafanzeige durch die Apotheke durch die Staatsanwaltschaft für ein Ermittlungsverfahren genutzt werden kann.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Tabuthema

von Reinhild Berger am 30.03.2022 um 9:42 Uhr

Es wundert mich, dass dieses Thema erst im Jahr 2022 öffentlich diskutiert wird. Ich habe diese Art von Belästigungen im Nachtdienst bereits in den 1980er Jahren erlebt. Meine von mir selbst verantwortete Rettung war damals: Nachts nicht mehr ans Telefon gehen. Es gab nie, nie, nie eine Beschwerde darüber, dass ich im Notdienst telefonisch nicht erreichbar war. Zur Erinnerung: Handys gab es damals noch nicht.

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Obszönitätet im Notdienst

von Dr. Detlef Eichberg am 30.03.2022 um 7:47 Uhr

Mir begegnen öfters Themen, die ich gerade akut durchlebt habe - siehe oben. So im letzten Notdienst: Ein Artgenosse weckte mich gegen 1 Uhr morgens, nachdem ich gerade das erste Mal auf meiner Liege eingedusselt war und teilte mir salbungvoll mit, dass sein Geschlecht eine Übergröße hätte und er aufgrund dessen seinen Beischlaf gerade hätte abbrechen müssen.
Ich wunderte mich selbst über meinen spontanen Rat-Schlag, er solle doch eine diesbezügliche Organspende überlegen. Da gäbe es sicherlich eine attraktive Börse für. Ich mit meinen nunmehr 69 Lenzen wäre da allerdings eher nur überschaubar motiviert.

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