Online-Plattformen für Arzneimittel

Rechtlich auf dünnem Eis

Stuttgart - 24.03.2022, 09:15 Uhr

Rechtsanwältin Dr. Svenja Buckstegge wusste beim ApothekenRechtTag einiges zu Apotheken-Plattformen zu berichten. (Foto: Moritz Hahn)

Rechtsanwältin Dr. Svenja Buckstegge wusste beim ApothekenRechtTag einiges zu Apotheken-Plattformen zu berichten. (Foto: Moritz Hahn)


Da kommt einiges an Arbeit auf die Gerichte zu

Grundsätzlich infrage gestellt wird das Geschäftsmodell der Plattformen durch das Makelverbot, das in § 11 Abs. 1a ApoG geregelt ist. Demnach „ist es für Dritte unzulässig, Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten, und für sich oder andere einen Vorteil anzunehmen oder zu gewähren“. Ob ein Entgelt für die Vermittlung von Rx-Verordnungen bereits als Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG zu werten ist, unterliegt ebenso einer aktuellen gerichtlichen Prüfung wie der genaue Umfang des Makelverbots. Weil die Apothekenwahl jedoch beim Endkunden liegt und dieser ja sein Rezept weiterleitet – nicht die Plattform –, sieht Buckstegge hier keinen Verstoß gegen das Makelverbot. Sie bezieht sich diesbezüglich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember 2010 (Az. I ZR 55/08).

Ebenfalls gegen Plattformen ins Feld geführt wird das Zuweisungsverbot. So dürfen gemäß § 11 Abs. 1 ApoG „die Erlaubnisinhaber von Apotheken mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen, die die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben“. Aber auch hier gilt nach Auffassung Buckstegges, dass – ähnlich wie beim Makelverbot – die Wahl, von welcher Apotheke er beliefert werden möchte, beim Kunden liegt. Insofern verstoßen Vertriebsplattformen nach Auffassung der Referentin nicht gegen das Zuweisungsverbot.

Genau in den Blick genommen werden muss auch der Außenauftritt von Plattformen: Sie dürfen gegenüber Kunden nicht den Eindruck vermitteln, selbst Arzneimittel abzugeben oder zu beraten. Und schon gar nicht dürfen sie damit werben, eine Apotheke zu sein. Hierzu hat das Landgericht Berlin jüngst eine klare Position bezogen (Beschl. v. 11.11.2021, Az.: 91 O 98/21).

Haftungsrisiko: Plattform in die Pflicht nehmen

Bezüglich der allgemeinen Werbe- und Kennzeichnungsanforderungen gelten für die Präsenz auf Plattformen dieselben rechtlichen Anforderungen wie für Vor-Ort-Apotheken. Bei all diesen Angaben gilt es eines zu bedenken: Wer als Apotheker auf einer Online-Plattform tätig wird, haftet selbst für juristisch relevante Fehler im Angebot, beim Preis, der Produktbeschreibung sowie den Pflichthinweisen! Das gilt laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2016 (Az. I ZR 110/15) selbst dann, wenn die inhaltliche Ausgestaltung – wie bei einer Plattform üblich – nicht vollständig in der Hand der Apotheke liegt. Deshalb sollten sich hier Apotheken gegenüber Plattformen vertraglich entsprechend absichern, um den Plattformanbieter gegebenenfalls in Regress nehmen zu können, falls man als Apotheke abgemahnt und haftbar gemacht wird.

Ein steter Quell juristischer Scharmützel ist die 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Nach Art. 9 DSGVO müssen die Kunden in die Verarbeitung ihrer Daten durch Plattformbetreiber ebenso einwilligen wie gegenüber den Apotheken, die dort aktiv sind. Aufgrund der sensiblen Gesundheitsdaten gelten überdies besonders hohe Anforderungen an die Datensicherheit.



Dr. rer. nat. Hubert Ortner, Chefredakteur AWA – Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker
redaktion@daz.online


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