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Online-Plattformen für Arzneimittel
Rechtlich auf dünnem Eis
Vertriebsplattformen haben Hochkonjunktur und machen auch vor dem Arzneimittelmarkt nicht Halt. Neben praktischen stellen sich auch viele rechtliche Fragen. Diese hat Dr. Svenja Buckstegge von der Kanzlei Oppenländer auf dem ApothekenRechtTag en détail unter die Lupe genommen. Wir haben die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.
Kunden, die über eine Plattform ein Arzneimittel erwerben, treten sowohl mit dem Plattformanbieter als auch mit der Apotheke, die dort präsent ist, in eine Vertragsbeziehung. Dabei kann der Vertragsabschluss mit der Apotheke auf zweierlei Art zustande kommen: entweder über Distanz (z. B. per Mail), dann gilt der Fernabsatzvetrag und damit auch das Widerrufsrecht. Oder es kommt ein Vertrag unter Anwesenden zustande – entweder bei Abholung des Medikaments oder bei Zustellung durch einen Boten. Hier gilt das Widerrufsrecht nicht – es sei denn, der Vertrag wurde außerhalb der Geschäftsräume durch den Botendienst geschlossen.
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Hat die Apotheke einen eigenen Botendienst, dann kann dieser gemäß § 11a Apothekengesetz (ApoG) auch ohne Versandhandelserlaubnis ein Arzneimittel zustellen. Es gelten die Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO): Unter anderem müssen die Medikamente für jeden Empfänger getrennt verpackt und mit Namen und Anschrift versehen sein. Lag die Verschreibung vor der Auslieferung noch nicht in der Apotheke vor oder fand dort keine Beratung statt, dann muss das Arzneimittel zwingend durch pharmazeutisches Fachpersonal ausgeliefert werden.
Strittig ist die Frage des Einsatzes von Fremdpersonal bei Botendiensten. Dr. Svenja Buckstegge von der Kanzlei Oppenländer erklärt dazu beim ApothekernRechtTag: „Da sind noch viele rechtliche Fragen offen.“ Laut Bundesrat (BR-Drs. 324/19, Seite 6) setzt die Zustellung durch externes Personal voraus, dass dieses „der Weisungshoheit der Apothekenleitung untersteht“. Dieses Weisungsrecht muss vertraglich eingeräumt und auch tatsächlich ausgeübt werden – Stichwort Erreichbarkeit. Nach teilweise strengeren Regelungen in den Berufsordnungen muss der Bote zum Personal der Apotheke gehören. Ist der externe Dienstleister nicht weisungsgebunden, dann ist er als Versandhändler einzustufen.
Kurios: keine aktive Beratungspflicht für Versandapotheken
In § 20 ApBetrO ist die verpflichtende Beratung von Apothekenkunden geregelt. Sie gilt auch bei der Abgabe von Arzneimitteln via Vertriebsplattform. Hierbei ist zu differenzieren: Bei Click & Collect-Modellen findet die Beratung im Zuge der Arzneimittelabgabe in der Apotheke statt. Wenn vor der Auslieferung eines Arzneimittels keine Beratung in der Apotheke stattgefunden hat, so muss diese nach § 17 Abs. 2 Satz 6 f. ApBetrO in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aushändigung des Arzneimittels durch pharmazeutisches Personal der Apotheke stattfinden. In diesem Fall kann die Beratung auch im Wege der Telekommunikation durch die Apotheke, also insbesondere telefonisch oder per Chat, erfolgen.
Dagegen soll bei einer Arzneimittelabgabe per Versand trotz der in § 20 ApBetrO für Vor-Ort- und Versandapotheken unterschiedslos geltenden Informations- und Beratungspflicht nach der nicht unwidersprochen gebliebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs für Versandapotheken keine aktive Beratungspflicht bestehen. Für Kunden muss danach nur die Möglichkeit bestehen, sich beraten zu lassen.
Konfliktträchtig ist auch – wenig verwunderlich – die Vergütung von Online-Plattformen. Hier gibt es unterschiedliche Modelle: Das beginnt bei einer prozentualen Vergütung und geht über Festbeträge bis hin zu einem pauschalen monatlichen Entgelt.
Unter Juristen kontrovers diskutiert wird in diesem Kontext insbesondere die Auslegung von § 8 Satz 2 ApoG: Dort ist festgelegt, dass „Vereinbarungen, die sich am Umsatz oder Gewinn der Apotheke orientieren, unzulässig sind“. Svenja Buckstegge vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass sich „eine prozentuale Vergütung von Vertriebsplattformen nicht am Gesamtumsatz der Apotheke orientiert, sondern am Umsatz eines einzelnen vermittelten Geschäftes“ und insofern zulässig sei. Sie beruft sich dabei unter anderem auf einen Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 4. Januar 2012 (Az. 327 O 3/12). In der anschließenden Diskussion ist diese Rechtsauffassung nicht unwidersprochen geblieben. Bekannt wurde, dass die Apothekerkammer Nordrhein zu dieser Frage ein wettbewerbsrechtliches Musterverfahren anstrebt.
Da kommt einiges an Arbeit auf die Gerichte zu
Grundsätzlich infrage gestellt wird das Geschäftsmodell der Plattformen durch das Makelverbot, das in § 11 Abs. 1a ApoG geregelt ist. Demnach „ist es für Dritte unzulässig, Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten, und für sich oder andere einen Vorteil anzunehmen oder zu gewähren“. Ob ein Entgelt für die Vermittlung von Rx-Verordnungen bereits als Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG zu werten ist, unterliegt ebenso einer aktuellen gerichtlichen Prüfung wie der genaue Umfang des Makelverbots. Weil die Apothekenwahl jedoch beim Endkunden liegt und dieser ja sein Rezept weiterleitet – nicht die Plattform –, sieht Buckstegge hier keinen Verstoß gegen das Makelverbot. Sie bezieht sich diesbezüglich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember 2010 (Az. I ZR 55/08).
Ebenfalls gegen Plattformen ins Feld geführt wird das Zuweisungsverbot. So dürfen gemäß § 11 Abs. 1 ApoG „die Erlaubnisinhaber von Apotheken mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen, die die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben“. Aber auch hier gilt nach Auffassung Buckstegges, dass – ähnlich wie beim Makelverbot – die Wahl, von welcher Apotheke er beliefert werden möchte, beim Kunden liegt. Insofern verstoßen Vertriebsplattformen nach Auffassung der Referentin nicht gegen das Zuweisungsverbot.
Genau in den Blick genommen werden muss auch der Außenauftritt von Plattformen: Sie dürfen gegenüber Kunden nicht den Eindruck vermitteln, selbst Arzneimittel abzugeben oder zu beraten. Und schon gar nicht dürfen sie damit werben, eine Apotheke zu sein. Hierzu hat das Landgericht Berlin jüngst eine klare Position bezogen (Beschl. v. 11.11.2021, Az.: 91 O 98/21).
Haftungsrisiko: Plattform in die Pflicht nehmen
Bezüglich der allgemeinen Werbe- und Kennzeichnungsanforderungen gelten für die Präsenz auf Plattformen dieselben rechtlichen Anforderungen wie für Vor-Ort-Apotheken. Bei all diesen Angaben gilt es eines zu bedenken: Wer als Apotheker auf einer Online-Plattform tätig wird, haftet selbst für juristisch relevante Fehler im Angebot, beim Preis, der Produktbeschreibung sowie den Pflichthinweisen! Das gilt laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2016 (Az. I ZR 110/15) selbst dann, wenn die inhaltliche Ausgestaltung – wie bei einer Plattform üblich – nicht vollständig in der Hand der Apotheke liegt. Deshalb sollten sich hier Apotheken gegenüber Plattformen vertraglich entsprechend absichern, um den Plattformanbieter gegebenenfalls in Regress nehmen zu können, falls man als Apotheke abgemahnt und haftbar gemacht wird.
Ein steter Quell juristischer Scharmützel ist die 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Nach Art. 9 DSGVO müssen die Kunden in die Verarbeitung ihrer Daten durch Plattformbetreiber ebenso einwilligen wie gegenüber den Apotheken, die dort aktiv sind. Aufgrund der sensiblen Gesundheitsdaten gelten überdies besonders hohe Anforderungen an die Datensicherheit.
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