Konsolidierungswelle

Konzentration der Onlineapotheken – Wer gehört zu wem?

München - 18.03.2022, 09:15 Uhr

Eine wesentliche Rolle bei Arzneimittelversendern spielt die Zur Rose Group, die sich besonders aktiv zeigt, wenn es um die Vereinigung von Versandapotheken unter dem eigenen Dach geht. Am bekanntesten ist sicher DocMorris aus dem Hause Zur Rose. (c / Foto: Andrey Popov / AdobeStock)

Eine wesentliche Rolle bei Arzneimittelversendern spielt die Zur Rose Group, die sich besonders aktiv zeigt, wenn es um die Vereinigung von Versandapotheken unter dem eigenen Dach geht. Am bekanntesten ist sicher DocMorris aus dem Hause Zur Rose. (c / Foto: Andrey Popov / AdobeStock)


Die Übernahme der niederländischen Versandapotheke Disapo durch die Drogeriekette Douglas ist der jüngste Streich in einer seit Längerem rollenden Konsolidierungswelle in der Branche der Online-Apotheken. Der Blick auf dieses Segment zeigt, dass zahlreiche in Deutschland tätige Versandapotheken unter dem Dach größerer Einheiten Platz gefunden haben. Mittlerweile mischen auch Finanzinvestoren in dem Geschäft kräftig mit.

Fusionen und Übernahmen

Die Übernahme von Disapo durch Douglas bestätigt einmal mehr einen seit Jahren anhaltenden Trend: Das Geschäft mit der Onlinebestellung und dem anschließenden Versand von Arzneimitteln beziehungsweise Pflegeprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln weckt Begehrlichkeiten bei unterschiedlichen Interessengruppen: Zum einen bei den großen Versandhändlern, daneben aber auch bei Drogerieketten wie Douglas. Aber auch Finanzinvestoren sehen in diesem Metier offenbar ein lukratives Geschäft. Nicht zuletzt besetzen in jüngster Zeit Start-ups mit dem Anspruch der schnellen Arzneimittellieferung bis an die Haustür der Kunden einen Teilbereich in der Medikamenten-Logistikkette.

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Diese Entwicklungen hat das auf Gesundheitsthemen spezialisierte Beratungsunternehmen Sempora Consulting nun zum Anlass genommen, die wesentlichen Akteure und deren Besitzverhältnisse näher zu beleuchten. Dabei fokussieren sich die Berater auf Versandapotheken und deren Muttergesellschaften, die zwar nicht alle ihren Sitz in Deutschland haben, aber im hiesigen Versandhandelsgeschäft aktiv sind beziehungsweise in den zurückliegenden Jahren Onlineapotheken und Versandhändler aufgekauft haben.

Zur Rose Group: großer Übernahmehunger

Eine wesentliche Rolle spielt bei dieser Betrachtung die Zur Rose Group, die sich besonders aktiv zeigt, wenn es um die Vereinigung von Versandapotheken unter dem eigenen Dach geht. Bereits 1999 hatten die Schweizer mit dem PolyRose Lieferservice ein gemeinsames Tochterunternehmen von Zur Rose und dem Polymed Medical Center gegründet und damit einen Schritt auf den Markt der Medikamentenlieferung gemacht. 2006 sicherte sich Zur Rose dann die VfG Versandapotheke mit Sitz in Tschechien und operativer Tätigkeit in Deutschland, ehe das Unternehmen im Oktober 2012 seine bis dahin umfangreichste Akquisition vollzog: die Übernahme der nach eigenen Angaben größten Versandapotheke Europas, DocMorris. Die im Jahr 2000 gegründete niederländische Onlineapotheke ist seitdem das prominenteste Mitglied in der Zur Rose-Familie.

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Im Dezember 2017 übernahmen die Schweizer dann Eurapon Pharmahandel in Bremen, die Versandapotheke Vitalsana im niederländischen Heerlen sowie den dazugehörigen Dienstleister ApDG in Ulm. Knapp ein Jahr später, im November 2018, erwarb Zur Rose außerdem die Versandaktivitäten von apo-rot mit Sitz in Hamburg, im Januar 2019 kamen die Versandaktivitäten von Deutschlands drittgrößter Onlineapotheke Medpex in Ludwigshafen dazu. Der jüngste Deal im Versandhandelsgeschäft datiert auf August 2020, als die Schweizer die Versand- und Diabetes-Aktivitäten von Apotal in Deutschland übernahmen.

Nach Berechnungen von Sempora brachten es die deutschen Versandaktivitäten von Zur Rose im Jahr 2021 auf einen Umsatz von 1,09 Milliarden Euro, wovon der größte Anteil mit 510 Millionen Euro auf DocMorris entfiel.

Shop Apotheke Europe: Zukäufe außerhalb von Deutschland

Einen anderen Ansatz fährt Zur Roses großer Gegenspieler Shop Apotheke Europe. Im Bestand des niederländischen Versandhändlers findet sich keine Versandapotheke mit eigenem Markenauftritt in Deutschland. Was nicht heißt, dass Shop Apotheke in den vergangenen Jahren untätig gewesen ist – dies aber auf anderen Gebieten und im europäischen Ausland. So übernahm das Unternehmen im April 2016 die belgische Online-Apotheke Farmaline und expandierte damit auch nach Italien, Spanien und in die Niederlande. Im September 2017 folgte die Akquisition der Europa Apotheek, ein Medikamenten-Versender im niederländischen Venlo. Im Sommer 2018 verleibte sich Shop Apotheke Europe den Berliner Spezialisten für Ernährungsprodukte nu3 ein. 2021 folgten dann gleich zwei Zukäufe: im Januar Smartpatient, ein Münchner Entwickler von Gesundheitsapps, und im März die Übernahme von Medapp. Auch ohne die Übernahme von Onlineapotheken ist Shop Apotheke Europe in Deutschland gemessen am Umsatz von 700 Millionen Euro die marktführende Versandapotheke.

Disapo und Co.: stattliche Umsätze

Weitere größere Akteure auf dem deutschen Versandhandelsmarkt sind mit jeweils eigenen Markenauftritten Medikamente per Klick, die Apo.com Group, vormals Apologistics, mit Apo Discounter und Apo.com sowie die Sanicare Group und neuerdings eben Douglas mit Disapo. Daneben treten als eigenständige Versender Volksversand, MyCare und Besamex auf. Mit Umsätzen im deutlich zweistelligen und dreistelligen Millionenbereich bringen auch diese Marktteilnehmer ein beachtliches Gewicht auf die Waage.

Marcol Group: Finanzinvestor sieht Potenzial im Versandgeschäft

Eine Sonderfunktion im hiesigen Medikamentenversand nimmt die Marcol Group ein. Dabei handelt es sich um eine international ausgerichtete britische Investmentfirma, zu deren Portfolio neben Unternehmen aus verschiedenen Industrien und der Immobilienbranche auch drei Arzneimittel-Versandhändler gehören – nämlich Aponeo, Delmed und Pharmeo. Marcol hat diese Firmen, die allesamt ebenfalls auf dem deutschen Markt aktiv sind, in den zurückliegenden Jahren übernommen: Aponeo im Jahr 2015, Delmed im September 2021 und Pharmeo im November 2018. Zusammengenommen brachten es die drei Versandapotheken laut Sempora im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von 130 Millionen Euro. Darüber hinaus hat Marcol unter anderem im Sommer 2020 die Telemedizin-Plattform Fernarzt.com übernommen.

Die Gesundheitssparte des Unternehmens, Marcol Health, fokussiert sich nach eigenen Angaben darauf, „durch aktive Unterstützung mittels Wachstumskapital, Geschäftsinfrastruktur und Erfahrung im Gesundheitswesen eine Wertmaximierung für alle Stakeholder zu erreichen“. Gegründet wurde Marcol im Jahr 1976 von den Londoner Unternehmern Terence Cole und Mark Steinberg. Das Management-Team ist laut Marcol von vier europäischen Niederlassungen aus tätig.

Übernahmen zeugen von hoher Attraktivität

Die Übernahmen von Versandapotheken in der jüngeren Zeit werfen nach Einschätzung der Sempora-Analysten „ein Schlaglicht auf die hohe Attraktivität einer Branche an der Schnittstelle zwischen wachsenden Gesundheitsmärkten, zunehmend digitalen Gesundheitsdienstleistungen und dem durch die COVID-19-Pandemie beschleunigten Trend Richtung eCommerce.“ Diese Attraktivität spiegelt sich auch in den Geschäftszahlen wider: Bei nahezu allen deutschen Medikamenten-Versandhändlern zeigt die Umsatztendenz nach oben (siehe Grafik).

(Quelle: Sempora Consulting)

So ist im OTC-Bereich beispielsweise bei den beiden großen Akteuren Zur Rose und Shop Apotheke laut Sempora von einer anhaltend hohen Dynamik auszugehen. Von einem überdurchschnittlichen Wachstum im Jahr 2021 im Non-Rx-Sortiment könne im Übrigen auch bei Eurapon, Aponeo und Disapo ausgegangen werden. Ob und wann die neue Verbindung zwischen Disapo und Douglas das Wachstum von Eurapon – die aktuell mit Douglas kooperieren – abschwächen wird, bleibe abzuwarten.

Zusätzliche Dynamik dürften die Geschäfte der Versender durch Einführung des E-Rezeptes gewinnen. „Die intensiven Reaktionen der Börsenkurse von Zur Rose und Shop Apotheke auf positive wie auf negative Nachrichten zum elektronischen Rezept zeigen, welche strategische Bedeutung dem rezeptpflichtigen Geschäft für die Entwicklung der Geschäftsmodelle der Versender zugemessen wird“, stellt Thomas Golly, Partner bei Sempora, fest.

Marktplätze: Verschwimmende Grenzen zwischen Anbietern 

Bemerkenswert finden die Berater, dass die Internetapotheken bezüglich der Nutzung von Marktplätzen auf externen Plattformen, insbesondere Amazon, unterschiedliche Strategien verfolgen. Von den Top-16-Versendern nutzten immerhin zehn die reichweitenstarke Bühne des eCommerce Marktführers aus den USA.

Bei ihrer Mittelfriststrategie und über das Handelsgeschäft hinaus setzen die großen Versandhändler unterschiedliche Schwerpunkte. Während sich die überwiegende Anzahl der Online Apotheken auf das Wachstum im Versandhandel konzentriere, finde bei finanzstarken Playern wie bei Zur Rose eine Entwicklung in Richtung integrierter Gesundheitsdienstleister mit telemedizinischen und sonstigen Services per App statt. Kerngedanke von DocMorris Express und ähnlichen Geschäftsmodellen sei es, verschiedene Gesundheitsleistungen von in Teilen unterschiedlichsten Akteuren – Apotheke, Sanitätshaus, Ärzten oder Krankenhäusern – zentral auf einer Plattform zu bündeln und dem Konsumenten beziehungsweise Patienten ein umfassendes Gesundheitsangebot zu machen. Knapp 20 Jahre nach Legalisierung der Versandapotheken in Deutschland entstehe mit solchen Gesundheitsplattformen somit ein weiterer Zugang zu Gesundheitsprodukten. „Es ist absehbar, dass künftig nicht nur Online-Apotheken und stationäre Apotheken um die Aufmerksamkeit und Nachfrage von Patienten und Konsumenten ringen werden, sondern verstärkt auch die sich gerade formierenden Gesundheitsplattformen“, sagt Franziska Bayer, Principal bei Sempora.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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