Interview

Lütke (FDP): Darum sollen Apotheken Cannabis verkaufen dürfen

Berlin - 16.03.2022, 07:00 Uhr

Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Kristine Lütke, befürwortet den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken in den Apotheken. (c / Foto: IMAGO / Future Image)

Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Kristine Lütke, befürwortet den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken in den Apotheken. (c / Foto: IMAGO / Future Image)


Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Partner auf die Entkriminalisierung von Cannabis zu Genusszwecken geeinigt. Im Gespräch mit der DAZ erklärt die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Kristine Lütke, welche Rolle die Apotheken dabei spielen sollen und warum auch Versandhändler wie DocMorris für die Abgabe infrage kommen.

DAZ: Frau Lütke, laut Koalitionsvertrag wollen die Ampel-Partner Cannabis zu Genusszwecken legalisieren. Wie weit sind die Pläne vorangeschritten? Ist in absehbarer Zeit mit einem entsprechenden Gesetzentwurf zu rechnen?

Lütke: Das Thema wollen wir zeitnah angehen. Mein persönliches Ziel ist es, dass wir bis zum Ende dieses Jahres einen Entwurf vorlegen. Wir müssen allerdings vorher noch ein Konzept entwickeln, wie wir dafür sorgen können, dass dann auch tatsächlich Cannabis in ausreichender Menge und entsprechender Qualität zur Verfügung steht. Denn die Legalisierung läuft ins Leere, wenn keine Ware da ist. Dann kaufen die Konsumentinnen und Konsumenten trotzdem weiter auf dem Schwarzmarkt.

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Im Zusammenhang mit der Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken kommen auch immer mal wieder die Apotheken ins Spiel. Die FDP plant laut Wahlprogramm mit lizenzierten Fachgeschäften – sind damit auch die Apotheken gemeint?

Ja, nach unseren Vorstellungen sollen sich – neben anderen Geschäften – auch Apotheken um solche Lizenzen bewerben können. Diesbezüglich gibt es allerdings noch Abstimmungsbedarf mit den anderen beiden Koalitionspartnern.

Was spricht konkret dafür, diese Aufgabe den Apotheken zu übertragen?

Apotheken haben bereits Erfahrung mit gesundheitlicher Beratung, das ist auf jeden Fall ein Pluspunkt. Sie können über Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit Arzneimitteln aufklären. Zudem bieten sie bereits spezialisierte Beratung an, zum Beispiel zu Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich auch für die Beratung zu Cannabis zu Genusszwecken für Erwachsene qualifizieren und ihr Angebot entsprechend erweitern können. Auch dass sie sich bereits mit der fachgerechten Lagerung solcher Substanzen auskennen, spricht für die Apotheken als Verkaufsstellen. Und es gibt sie bereits flächendeckend.

Teilen Sie die Einschätzung der ABDA, wonach Apotheken dadurch in einen heilberuflichen Zielkonflikt geraten würden?

Das muss jeder selbst entscheiden. Wenn eine Apothekerin oder ein Apotheker den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken mit dem eigenen Verständnis vom Beruf nicht vereinbaren kann, ist das völlig in Ordnung. Mir ist bewusst, dass es Apothekerinnen und Apotheker gibt, die diese Aufgabe nicht übernehmen möchten. Daher muss klar sein, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt: Niemand muss Cannabis zu Genusszwecken verkaufen. Wenn das für einen Betrieb infrage kommt, kann dieser sich um eine Lizenz bewerben, aber es wird keine Pflicht für Apotheken geben. Man kann das Ganze positiv formulieren: Apothekerinnen und Apotheker können durch ihre Beratung dazu beitragen, dass die Kundin oder der Kunde eine mündige Entscheidung trifft und die möglichen Folgen des Konsums abschätzen kann. Zudem könnten sich die Menschen sicher sein, dass sie in den Apotheken qualitativ hochwertiges Cannabis bekommen und keine verunreinigte Ware wie auf dem Schwarzmarkt.

Jugendschutz muss bei der Qualifizierung eine große Rolle spielen

Das Kerngeschäft der Apotheken ist die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, sodass sie aus wirtschaftlicher Sicht problemlos auch vom Konsum abraten könnten. Sehen Sie die gesundheitliche Beratung und Aufklärung in anderen Fachgeschäften ausreichend gewahrt? Wie wollen Sie das garantieren?

Das Thema Suchtberatung könnte durchaus bei der Lizenzierung eine Rolle spielen, ebenso der Jugendschutz. Die Umsetzung kann in der Praxis aber nicht ständig und komplett kontrolliert werden. Das liegt dann in der Verantwortung der Unternehmerin oder des Unternehmers: Ich bin zuversichtlich, dass das gut funktionieren wird. Kein Unternehmen setzt seinen guten Ruf aufs Spiel, in dem es solche Vorgaben des Gesetzgebers ignoriert. Sowas spricht sich herum im Markt und schädigt das Vertrauen aufseiten der potenziellen Kundinnen und Kunden.

Welche Qualifikation sollen die Fachverkäufer:innen konkret vorweisen müssen, um eine Lizenz zu erhalten?

Das müssen wir im Laufe der Beratungen noch festlegen. Es ist aber gut möglich, dass Apothekerinnen und Apotheker es bei der Qualifizierung etwas leichter haben werden als andere, weil sie als Arzneimittelexperten bereits gewisse Vorkenntnisse mitbringen, zum Beispiel bei Schulungen zur sortenspezifischen Beratung. Auch die Abgrenzung zwischen medizinischem Cannabis und solchem für den Freizeitgebrauch ist wichtig. Medizinalcannabis kann vergleichsweise hohe Mengen an THC enthalten, das macht sich dann auch im Nebenwirkungsprofil bemerkbar. Das Thema Jugendschutz muss bei der Qualifizierung eine große Rolle spielen. Die Abgabe darf natürlich nur an Erwachsene erfolgen, auch die Weitergabe an Minderjährige soll verboten sein.

Welche anderen Geschäfte kommen – neben den Apotheken und spezialisierten Fachgeschäften – als Verkaufsstellen für Cannabis zu Genusszwecken infrage?

Persönlich könnte ich mir vorstellen, dass auch Geschäfte, die sich auf den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln spezialisiert haben, Cannabis vertreiben. Wichtig ist immer eine hohe Sachkenntnis, die fachgerechte Lagerung und die persönliche Qualifikation des Abgebenden. Denkbar wäre es auch, dass vor Vergabe einer Lizenz ein Führungszeugnis vorliegen muss, um sicherzustellen, dass die beantragende Person beispielsweise nicht schon einmal im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz auffällig geworden ist.

Soll Cannabis zu Genusszwecken auch über den Versandhandel vertrieben werden dürfen?

Da bin ich klassisch liberal eingestellt. Alkohol kann man auch über das Internet bestellen. Warum nicht auch Cannabis? Es müssen natürlich alle Voraussetzungen zur lizenzierten Abgabe erfüllt sein. Dann sehe ich keinen Grund, der dagegen spricht. Auch was den Jugendschutz betrifft, gibt es technische Möglichkeiten, diesen zu gewährleisten.

Cannabis von DocMorris also?

Ja, für solche Konzepte bin ich durchaus offen. Auch Arzneimittelversendern sollte es möglich sein, sich um eine Lizenz für den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken zu bewerben.

Frau Lütke, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Kristine Lütke sitzt seit dem Jahr 2021 für die FDP im Deutschen Bundestag. Gewählt wurde sie über die Landesliste Bayern (Platz 12, Wahlkreis 246: Roth). Die 39-Jährige studierte Gerontologie und Soziale Arbeit. Ihre Familie betreibt eine Einrichtung für Senioren, in der sie in den vergangenen Jahren tätig war. Neben ihrer Aufgabe als drogenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion engagiert sie sich insbesondere in den Bereichen Pflege, Bildung und Mittelstand. Lütke ist ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Politik auf Speed

von ratatosk am 16.03.2022 um 18:54 Uhr

Ja welche Prüfung wollen sie denn für die sonstigen Sachkundigen Andenken, wenn Apotheker diese ebenfalls machen müssen. Können zwar schon jetzt Medizinalcannabis abgeben, Dronabinol Rezepturen etc. aber fürs Kiffen brauchen wir dann weitere Prüfungen. Es hat sich im Irrsinn in D die letzten 200 Jahre in Hinblick auf das kujonieren von Apotheken durch Hinz und Kunz in der Politik und Verwaltung nichts geändert. Wenn ich fürs Rattengift und den Leimring etc. irgendeine Scheinprüfung machen muß , laß ich es eben sein, die Baumarktangestellten können es wohl dann eh besser. Viel Spaß mit dem sonstigen fachkundigen und seriösem Verkaufspersonal, hat bei den Testzentren ja schon toll geklappt. Altersnachweis und Packstationen sind auch eine tolle Mischung, sie können die Polizei mal nach den Problemen bei den harten Drogen danach fragen. Daß die Sponsoren der Politik nicht vergessen werden war klar, kein Wurmmittel darf versendet werden aber legale Drogen, darauf muß man erst mal kommen, das ist nich liberal sondern d......

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Jugendliche Träumereien

von Pöppl Christian am 16.03.2022 um 14:33 Uhr

1) Kinder dürfen auch keine Zigaretten kaufen oder Alkohol. Trotzdem sehe ich den Konsum täglich!
2) Der Schwarzmarkt wird nicht sterben, siehe USA oder Kanada. Dort sind die Jugendlichen in den Fokus der Dealer gerückt,bzw es ist ein Preiskampf bei Cannabis entstanden. Der "Dealer" liefert inzwischen sogar nach Hause weil ja die Mindestmenge welche geführt werden darf, stark hochgesetzt wurde. Läden dürfen nur bei lizenzierten GH kaufen und nur festgelegte Produkte, was zumindestens in Kanada dazu geführt hat daß die Cannabis Shops sich Preisschalchten liefern ( es gibt ja überall das gleiche Produkt)...nur der Schwarzmarkt liefert Besonderes/Ausgefallenes!
3) Warum Sollt ich mich als Apotheker für etwas "bewerben zu dem ich ausgebildet wurde und bereits jetzt mache? Da bin ich ja mal auf die "Prüfung" gespannt mit der die "Fachgeschäfte" kontrolliert werden sollen.....dürfte genauso lächerlich sein wie die Sachkundeprüfung für die Damen ohne die der Rossman keine AM verkaufen dürfte.

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AW: Jugendliche Träumereien

von Hans Summa am 18.03.2022 um 23:08 Uhr

Das ist nicht wahr, was Sie hier erzählen.
Bitte bei den Fakten bleiben der Cannabiskonsum unter Jugendlichen in Kanada ist seit der Legalisierung dort gesunken.
https://www.canada.ca/en/health-canada/services/drugs-medication/cannabis/research-data/canadian-cannabis-survey-2021-summary.html
Also bitte nicht die Leute desinformieren.
Auch gilt Cannabis nicht als harte sondern weiche Droge.
Und die Jugendlichen die man angeblich schützen will konsumieren doch heute schon längst flächendeckend, nur eben heimlich.

FDP

von Rolf Lachenmaier am 16.03.2022 um 8:07 Uhr

OMG, erst kommt ein Lindner ("der Markt ist heilig, aber wir müssen ja Wahlen überstehen") mit einem Benzin-Rabatt um die Ecke und dann hier noch so qualifizierte Aussagen. Liebe Frau Lütke, eine Versand-Bude aus den Niederlanden DARF kein Cannabis (oder andere BTM) nach Deutschland senden. Und das liegt an keiner bösen Apotheken-Lobby. Ergoogeln Sie sich mal den Weltpostvertrag, dann verstehen Sie es vielleicht auch. Ihr Parteigenosse in Diensten der besagten Versand-Bude hätte Ihnen diese Info vielleicht mal stecken können - aber passt ja nicht so in deren PR-Strategie. Viel Spaß weiterhin bei Ihrem spannenden Trip in Regierungskreisen. Ich geh jetzt wieder kopfschütteln.

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