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Cannabis-Legalisierung

Vor dem „Kiffen“ in die Apotheke?

Die Offizin als mögliche Cannabis-Verkaufsstelle – ein Pro und Kontra

Eine neue Bundesregierung, bestehend aus der Ampel-Koalition, könnte eine Veränderung in der Drogenpolitik einläuten und den Umgang mit Cannabis als Genussmittel grundlegend erneuern. Es gibt Stimmen, die eine Abgabe bzw. den Verkauf durch Apotheken befürworten. Was spricht für, was spricht gegen das legale Cannabis aus der Offizin? mp/eda |

Seit SPD, Grüne und FDP versuchen, sich auf eine neue Regierung in Form einer Ampel-Koalition zu einigen, schreiben Politikjournalisten: Der kleinste gemeinsame Nenner der Parteien sei, dass sie Cannabis legalisieren oder zumindest entkriminalisieren wollen. Alle drei Parteien sehen die bisherige restriktive Haltung der Union in dieser Fragestellung für gescheitert. Das Cannabis-Verbot verursache mehr Probleme, als es löst, zudem kriminalisiere es unzählige Menschen, binde Polizeiressourcen und erleichtere durch illegalen Kontakt zu Dealern den Einstieg zu härteren Drogen. So schrieben es sich die Ampel-Koalitionäre in ihre Wahlprogramme. Jetzt, wo aus den Koalitionsverhandlungen kaum eine Information zu den Medien durchdringt, greifen die Beobachter nach diesem Grashalm, der sicher scheint: Der Umgang mit Cannabis wird liberaler. Aber wie genau?

Das sagen Politiker

SPD-Bundestagsabgeordneter Sebastian Fiedler, ehemaliger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, plädiert dafür, die Abgabe zunächst in Modellprojekten zu erproben. Dafür sprechen seiner Meinung nach zwei Argumente: Einerseits könnte die Exekutive in der Zeit beleuchten, welchen Einfluss die Legalisierung auf die organisierte Kriminalität habe. Zweitens könne man die Zeit nutzen, um die Drogen-Prävention auszubauen, die dringend benötigt wird. Aber wer könnte gleich zu Beginn Konsumenten be­raten und präventiv agieren?

In einem Interview mit der DAZ-Redaktion brachte im August erstmals SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar Apo­theken für diese Aufgabe ins Spiel. Sie sollten an Modellprojekten mitmachen können, aber nicht müssen. Im September ergänzte SPD-Vorsitzender Kevin Kühnert im Podcast „In Your Face“ des Redaktionsnetzwerks Deutschland: Apothekenpersonal wäre geeignet, die Blüten kontrolliert abzugeben – und zwar an Volljährige nach vorheriger Alterskontrolle.

Nachdem sich FDP-Chef Christian Lindner bereits im März 2020 im Rahmen eines DAZ-Interviews für einen Cannabis-Verkauf in Apotheken ausgesprochen hatte, bekräftigte er im vergangenen Oktober diese Vorstellung noch einmal. Denn für ihn gehe es bei der Liberalisierung um die Gesundheits- und Kriminalprävention und nicht darum, das Recht auf Rausch zu ­legalisieren. FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg fügte hinzu: Apotheken haben eine hervorragende Infrastruktur, was vor allem in ländlichen Gebieten von Vorteil wäre.

Die Grünen wiederum präferieren, dass das Genussmittel in lizenzierten Cannabis-Fachgeschäften abgegeben wird. Damit orientieren sie sich an den Niederlanden, Kanada und den 18 US-amerikanischen Bundesstaaten, in denen Cannabis legal ist.

Das zeigen Erfahrungen

Neben den oben genannten Ländern ist Cannabis auch im südamerikanischen Staat Uruguay seit 2013 legal. Viele Konsumenten kaufen hier ihr „Gras“ in Apotheken. Doch nicht jeder hält diesen Vertriebsweg für geeignet. Im Interview mit der „taz“ erklärt die uruguayische Ärztin Dr. Raquel Peyraube: Cannabis in der Apotheke zu Genusszwecken zu verkaufen, sei so, als würde man dort Wein und Tabak anbieten. Besser seien spezialisierte Shops, die ihre Kunden psychosozial betreuen.

Auch unser deutschsprachiger Nachbar Schweiz wird ab 2022 Cannabis legal in Apotheken abgeben – und zwar im Rahmen von Modellprojekten. Die Bezugsmenge pro Kauf und pro Monat ist beschränkt, ebenso der maximal zulässige Gehalt am psychoaktiven Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Für Valeria Dora, Präsidentin des Apothekennetzes Zürich, sind Apotheken die richtigen für diesen Job. Gegenüber der „Neuen Züricher Zeitung“ unterstreicht sie: Nur Apotheken sind in der Lage, dafür zu sorgen, dass Kunden Cannabis in „pharmazeutischer Qualität“ erhalten. Die Droge müsse als Arzneimittel eingestuft werden, denn so wären Inhaltsstoffe auf dem Beipackzettel klar zu deklarieren. Auch wird dadurch Werbung automatisch verboten. Außerdem sei das Personal fachlich hoch qualifiziert, um etwa „problema­tischen Konsum“ zu erkennen und einzudämmen. Wichtig seien vorab Schulungen und Weiterbildungen für Apothekerinnen und Apotheker, erklärt die Pharmazeutin Dora.

Das meinen Experten

Der „Deutschlandfunk“ sprach zum Thema Legalisierung mit Professor Ulrich Preuß. Der Arzt ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin. Für ihn sind Cannabis-Fachgeschäfte, die nur vom Cannabis-Verkauf abhängig sind, nicht für die Abgabe eines Rauschmittels geeignet. Auch Cannabis-Marketing hält er für problematisch. Er traut Apotheken zu, dass sie verantwortungsvoller mit der Aufgabe umgehen.

Der Deutsche Hanfverband, der das Ziel verfolgt, die Politik zu einer Cannabis-Legalisierung zu bewegen, ist gegen die Abgabe von legalem Cannabis über die Offizin. Cannabis für Genusszwecke gehöre in Cannabis-Fachgeschäfte. „Apotheken sollte die Ausgabe von medizinischem Cannabis und anderen Medikamenten vorbehalten bleiben“, lässt der Verband über „Twitter“ verlauten. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft erinnert daran, dass neben der Prävention über Qualitätssicherung, Werbebeschränkungen und eine angemessene Besteuerung gesprochen werden müsse.

Aber was wollen die Apotheker?

Bevor sich die Apothekerschaft selbst zu Wort melden konnte, stellte die „taz“ bereits die Frage: „Setzt sich die Apothekenlobby durch?“

Tatsächlich äußerte sich die Apothekenlobby, also die ABDA, ambivalent. Sie stellte einen heilberuflichen Zielkonflikt fest: Einerseits gehörten Drogen zu Genusszwecken nicht in die Apotheke, andererseits müsse ein Betriebsweg bereitstehen, der Konsumenten schützt. Die Apotheker-Spitzenorganisa­tion zeigt sich für Gespräche mit der nächsten Bundes­regierung bereit.

Cannabis ist ein weites Feld. Manche Argumente sprechen für, manche gegen die Abgabe in der Offizin. Den Zwiespalt verdeutlicht der Kommentar eines DAZ-Lesers: „Ich selbst will es im Laden eher nicht haben und wäre froh, wenn der Kelch an uns vorübergeht […]. Aber wenn schon legalisieren, dann bitteschön über Apotheken! Am besten ohne Kontrahierungszwang.“

Wir haben Sie gefragt

In einer Umfrage wollten wir von DAZ.online-Lesern wissen, was sie von Cannabis als Genussmittel halten. 86% befürworteten die Legalisierung. 50% stimmten gegen die Apotheke als Abgabestelle. Die andere Hälfte stimmte dafür oder war unentschlossen. Für ein Drittel steht der Abgabe eines Genussmittels ein heilberuf­licher Konflikt im Weg. Zwei Drittel sehen keinen Widerspruch oder medizinische Vorteile der Offizin.

Auch eine nicht-repräsentative Umfrage unter DAZ.online-Lesern zeigte, dass sich viele Uneins sind, wo es Cannabis zu Genusszwecken geben soll (siehe Kasten). Auf den folgenden Seiten haben wir Argumente gesammelt, die für oder gegen die legale Abgabe in der Offizin sprechen. |

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