BGH legt Urteilsgründe vor

Warum das E-Bike-Gewinnspiel von DocMorris unzulässig war

Berlin - 18.02.2022, 10:45 Uhr

Der Bundesgerichtshof hält die im Jahr 2015 durchgeführte Gewinnspiel-Aktion des niederländischen Arzneimittelversenders DocMorris für unzulässig. (c / Foto: IMAGO / Steinach)

Der Bundesgerichtshof hält die im Jahr 2015 durchgeführte Gewinnspiel-Aktion des niederländischen Arzneimittelversenders DocMorris für unzulässig. (c / Foto: IMAGO / Steinach)


Der Bundesgerichtshof hatte es bereits im vergangenen November entschieden: Das an eine Rezepteinlösung gekoppelte Gewinnspiel von DocMorris im Jahr 2015 war wettbewerbswidrig. Nun liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor. Darin bejaht das Gericht nicht nur einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht, sondern auch gegen das Arzneimittelpreisrecht – und es macht erneut deutlich, dass das EuGH-Urteil von 2016 keinesfalls in Stein gemeißelt sein muss.

Nachdem sich schon der Rechtsstreit über mehrere Jahre hingezogen hatte, mussten die Prozessbeobachter nun weitere drei Monate auf die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs (BGH) zum „DocMorris-E-Bike-Gewinnspiel“ warten. Schon am 18. November konnte die klagende Apothekerkammer Nordrhein jubeln: Der BGH bestätigte ihre Rechtsauffassung, dass DocMorris' Werbeaktion aus dem Jahr 2015 wettbewerbswidrig war – nun haben die Richter:innen ihre Entscheidungsgründe vorgelegt.

Worum ging es?

Im Jahr 2015 hatte DocMorris mit einem Gewinnspiel geworben, in dem als Hauptpreis ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro ausgelobt war, zudem neun hochwertige elektrische Zahnbürsten. Wer teilnehmen wollte, musste ein Rezept einreichen. Die AKNR sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz und klagte. In erster Instanz wies das Landgericht Frankfurt die Klage im Frühjahr 2017 ab – also kurz nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rx-Preisbindung. Das Landgericht meinte, die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes müssten nun europarechtskonform ausgelegt werden – mit der Folge, dass sie hier nicht angewendet werden könnten. Die Werbung für das Gewinnspiel sei daher zulässig. 

Doch 2018 gab das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt dann der AKNR Recht. Es bejahte einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 HWG normierte Zuwendungsverbot und damit einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Es folgte die Revision von DocMorris zum BGH. Dieser beschloss Anfang 2020, den EuGH anzurufen. Schon in diesem Beschluss wurde deutlich, dass die Karlsruher Richter:innen das Urteil des OLG bestätigen möchten. Doch vorher wollten sie wissen, ob es mit den Bestimmungen im EU-Humanarzneimittelkodex zur Arzneimittelwerbung vereinbar ist, das deutsche Zugabeverbot in einem Fall wie dem vorliegenden anzuwenden. Der EuGH entschied daraufhin im Juli 2021: Ja, auch ausländische Versender müssen die Zugabeverbote des Heilmittelwerbegesetzes beachten, dieses steht dem europäischen Recht nicht entgegen.

In ihrem Urteil führen die Richter:innen nochmals genau aus, warum das Heilmittelwerbegesetz hier zur Anwendung kommen kann und die harmonisierten europäischen Arzneimittelvorschriften dem nicht entgegenstehen. Es sind im Wesentlichen die bekannten Argumente des EuGH-Urteils aus dem vergangenen Sommer und auch des vorangegangenen BGH-Beschlusses. Dezidiert macht der 1. Zivilsenat nochmals klar, dass er dem OLG in seiner Auffassung folgt, dass die Gewinnspielwerbung „dazu verleitet, auf eine objektiv in ihrem Interesse liegende unaufgeforderte und umfassende Beratung in einer stationären Apotheke zu verzichten“. Zwar sei bei einem Rx-Arzneimittel davon auszugehen, dass der Arzt den Patienten hierzu beraten und aufgeklärt hat. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall eine zweite unaufgeforderte Beratung durch einen Apotheker entbehrlich ist“, so der BGH.

Der Senat ist überzeugt: Der Verzicht auf ein solches Beratungsangebot kann „objektiv betrachtet unvernünftig sein, wenn nach einer Beratung durch den verschreibenden Arzt Fragen offengeblieben sind“. Und so dürfe die Entscheidung des Patienten für den Bezug eines Rx-Arzneimittels „bei einer in- oder ausländischen Versandapotheke statt bei einer stationären Apotheke, die eine objektiv benötigte Beratung leisten kann, soll nach der Zielsetzung des Heilmittelwerbegesetzes nicht durch aleatorische Reize beeinflusst werden“.

Auch das EuGH-Urteil von 2016 stehe der Anwendung des § 7 HWG nicht entgegen. Es gehe hier eben nicht um das absolute Verbot eines Preiswettbewerbs, sondern nur um ein Verbot von Gewinnspielen zur Förderung des Arzneimittelverkaufs – und das habe für Versandapotheken wesentlich geringere Auswirkungen. Zudem betreffe es alle Apotheken gleichermaßen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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