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- AVWL: Ohne Plan kein Geld
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe wird sich nicht an der neuen Digitalgesellschaft Gedisa beteiligen. Vorstand, stimmberechtigte Mitglieder und Gäste erörterten das Für und Wider am vergangenen Samstag in einer intensiv geführten, vierstündigen Debatte. Deutlich wurde: Der AVWL fühlt sich vom DAV vorgeführt.
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) hat der Digitalgesellschaft Gedisa eine Absage erteilt. Bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag votierten 40 Stimmberechtigte für den Beitritt, 40 dagegen – damit fand sich keine Mehrheit für eine Beteiligung des Verbands.
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Die Veranstaltung stand schon vorab unter keinem guten Stern: Offenbar hatte der Deutsche Apothekerverband (DAV) dem AVWL die Pistole auf die Brust gesetzt und auf eine Entscheidung gedrungen, ob Westfalen-Lippe nun an Bord ist oder nicht. Dort wollte man eigentlich zunächst tragfähige Unterlagen wie einen ausführlichen Businessplan und den finalen Gesellschaftervertrag sehen, diese Unterlagen blieb der DAV jedoch schuldig.
Ärger über mangelnde Kooperation des DAV
Bereits bei der ordentlichen Mitgliederversammlung im September hatte der AVWL die Abstimmung über die Beteiligung kurzfristig wieder von der Tagesordnung gestrichen und angekündigt, man werde darüber beraten, wenn genügend Informationen vorlägen. AVWL-Chef Thomas Rochell war sein Ärger darüber, dass dies bis zum Samstag nicht geschehen war, deutlich anzumerken. Mehrfach habe der Verband nach den Unterlagen gefragt. Zunächst sei er hingehalten worden, Ende Dezember habe man dann die endgültige Ansage bekommen, dass der DAV die Dokumente nicht vorlegen werde.
Doch welche Bedenken hegte der AVWL-Vorstand konkret? Immerhin haben alle anderen 16 Verbände bereits Mitte November gemeinsam die neue Digitalgesellschaft Gedisa (Gesellschaft Digitaler Services der Apotheken) gegründet. Diese soll unter anderem den Betrieb und die Weiterentwicklung des Verbändeportals übernehmen. Viele beschlossen, die erforderliche Sonderumlage in Höhe von 50 Euro pro Monat je Betriebsstätte ohne ein Mitgliedervotum auf den Weg zu bringen. Was hielt den AVWL davon ab, ebenfalls so zu verfahren?
Besondere Verantwortung
Rochell betonte die besondere Verantwortung, die dem Vorstand zukäme, wenn es um das Geld seiner Verbandsmitglieder gehe. Rund 2 Millionen Euro sollte der AVWL innerhalb von drei Jahren beisteuern, insgesamt veranschlagt die Gedisa derzeit einen Finanzbedarf in diesem Zeitraum von etwa 35 Millionen Euro. Diese Kosten, so Rochell, „haben sich im Laufe der Gespräche nach oben entwickelt“. Zunächst sei man von einem Finanzbedarf von 10 Millionen Euro ausgegangen, dann 20 Millionen Euro, letztlich stünden jetzt 35 bis 50 Millionen Euro im Raum.
Businessplan light reicht nicht aus
Mit Blick auf diese stattliche Summe sei es nur legitim, einen Businessplan anzufordern. Der DAV habe allerdings lediglich eine Light-Version vorgelegt, die nach den Worten von Rechtsanwalt Ralf Wickert „unzureichend“ sei. Es fehlten wesentliche Elemente eines Businessplans, wie etwa Angaben zur Kapitalbedarfsplanung, Personalausstattung, ein Zeitplan für konkrete Schritte und eine Risikoanalyse. „Banken würden dafür keinen Kredit bereitstellen“, sagte Rochell. Es drohe ein Gesamtverlust des eingesetzten Kapitals.
Darüber hinaus zeigte sich der AVWL-Vorsitzende skeptisch, was die Formalien betrifft: Eine Kündigung des Gesellschaftervertrags sei frühestens nach drei Jahren möglich, die einzelnen Verbände erhielten „sehr wenige Rechte“, dafür werde ein starker Aufsichtsrat installiert, der auch gestaltend tätig sein wird. Allerdings bezog er sich dabei auf einen Vertragsentwurf, den der AVWL entsprechend kritisiert hatte. Der endgültige Gesellschaftervertrag sei ihm nicht zur Verfügung gestellt worden, monierte Rochell.
Darf der Verband das Risiko für alle eingehen?
Mehrfach betonte er zudem, dass die Idee hinter der Gedisa-Gründung zu begrüßen sei. Allerdings gehe es im Zuge der Mitgliederbefragung darum, ob der Verband das finanzielle Risiko, dass mit der Beteiligung verbunden sei, sozialisieren und für alle Mitglieder gleichermaßen eingehen dürfe. Immerhin sei Gedisa beziehungsweise die Angebote im Portal nicht alternativlos – und wer die individuelle Entscheidung treffen wolle, sich an das Portal anzubinden könne dies gegen Gebühr auch tun. „Auch Nicht-Mitglieder können die Funktionen nutzen, sie müssen nur einen entsprechenden Preis bezahlen.“ Zur Debatte stellte er aber, ob es unternehmerisch sinnvoll sei, als Gesellschafter in die Gedisa einzusteigen – „mit allen Risiken und Konsequenzen“.
Friedrich: Businessplan muss erst noch beschlossen werden
Auch Gedisa-Geschäftsführer Sören Friedrich, ehemals Abteilungsleiter IT und Telematik bei der ABDA, hatte sich der Online-Versammlung zugeschaltet und warb noch einmal für die Gedisa und das Portal. Inhaltlich ging sein Vortrag allerdings weitgehend an der Kritik Rochells vorbei, denn die Sinnhaftigkeit des Portals bzw. der Gründung einer Digitalgesellschaft der Verbände hatte dieser nicht infrage gestellt. Was die Bedenken bezüglich des fehlenden Businessplans betrifft, merkte Friedrich an, dass dieser erst noch beschlossen werden müsse, man befinde sich aktuell noch in der Projektphase. Alle anderen Anmerkungen quittierte er mit einem Verweis auf das Geschäftsgeheimnis.
AVWL-Vorstandsmitglied Jörg Pesch nahm Friedrichs Vortrag zum Anlass zu betonen, dass er ursprünglich zu den Befürwortern der Idee gehört hatte. „Sie hatten mich schon auf Ihrer Seite“, sagte er in Richtung des Gedisa-Geschäftsführers. Er habe durchaus eine gewisse Risikofreude mitgebracht und sei dafür gewesen, Visionen zu fördern. Allerdings merkte auch er an, dass der veranschlagte Finanzbedarf sich im Laufe eines Jahres mehrfach verändert habe. Der AVWL habe Rechtsanwalt Wickert den positiv formulierten Auftrag vorgelegt, wie der Beitritt für den Verband möglich sein könnte. Wickert sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass der Vorstand nur dann eine positive Beschlussempfehlung aussprechen könne, wenn die angeforderten Unterlagen vorgelegt würden. „Je höher der Invest, desto verlässlichere Angaben brauche ich als Finanzgeber“, fasste Pesch zusammen. Er könne daher keine Zustimmung anraten.
Michels wirbt für Beitritt
Zu Wort meldete sich auch der ehemalige Vorsitzende des AVWL, Klaus Michels. Er brach eine Lanze für die Beteiligung des Verbands an der Gedisa – sie sei die „einzige Chance, eine Plattform zu schaffen, an der alle Apotheken in Deutschland beteiligt sind“. Sei der AVWL nicht dabei, bekomme er auch keine Gelegenheit, in irgendeiner Form mitzubestimmen. Bedingt dadurch, dass die ABDA in direkten Verhandlungen mit der Politik stehe, werde Gedisa immer einen Wissensvorsprung gegenüber kommerziellen Anbietern haben. „Wir werden immer schneller sein können als andere.“
Die Vorstellung, dass sich alle Apotheken hinter dem Portal versammeln könnten, hält der Geschäftsführer des AVWL, Bernd Rademacher, jedoch für eine Illusion. Viele Apotheken seien bereits an andere Plattformen angebunden, oftmals sogar an zwei oder mehr, die ein anderes Selbstverständnis hätten als das, was das Verbändeportal leisten soll. Dabei ginge es zum Beispiel darum, andere Leistungserbringer wie Ärzte und Sanitätshäuser, aber auch die Krankenkassen mit anzubinden und ein „Gesundheits-Ökosystem“ zu schaffen. Viele Anbieter arbeiteten zudem sehr viel patientenorientierter als die Gedisa, die vor allem den Nutzen für die Apotheken im Blick habe. Welches Konzept sich letztlich durchsetzen wird, entscheidet sich nach Ansicht des Wirtschaftsjuristen nicht daran, was den Apotheken am besten gefällt, sondern was die Kundinnen und Kunden bevorzugen.
Was tun, wenn es teurer wird als gedacht?
Rechtsanwalt Wickert äußerte darüber hinaus sein Unverständnis, weshalb der DAV zu diesem Zeitpunkt noch keinen Businessplan vorlegen kann. „Denn eigentlich dient es ja auch der Selbstkontrolle, wie tragfähig mein Modell ist“, merkte er an. Auch die Vertragssituation sei unbefriedigend. Aus seiner Sicht hätte es eines Konsortialvertrags bedurft. Darin hätte man auch zum Beispiel regeln können, was passiert, wenn das Projekt doch teurer werde als geplant und man „mit einem Bein im Kartoffelacker“ stehe.
Apotheker Fehske: Gedisa ist wie ein Start-up
Einige der zugeschalteten Mitglieder stellten sich in ihren Wortmeldungen klar hinter das Portal und warben für den Gedisa-Beitritt des AVWL. Apotheker Christian Fehske verglich die Gesellschaft mit einem Start-up – eine Beteiligung sei natürlich ein Risiko, er sehe aber vor allem die Chancen darin. Und auch Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands, machte sich dafür stark, den anderen 16 Verbänden zu folgen und bei Gedisa einzusteigen.
Doch ihre Appelle reichten nicht aus – am Ende sprachen sich 40 Stimmberechtigte für den Beitritt aus, 40 dagegen. Damit fand sich keine Mehrheit im Sinne der Fragestellung („Soll sich der AVWL an der Gedisa mbH beteiligen?“). Einhellig stellten die Juristen fest, dass damit der Gedisa-Einstieg des Verbands als abgelehnt betrachtet werden müsse.
Hält die 50-Euro-Grenze stand?
In Westfalen-Lippe hat nun also jede:r Inhaber:in selbst in der Hand, ob er oder sie das Portal gegen eine entsprechende Gebühr nutzen möchte. Allerdings stellt sich die Frage, was das finanziell für die anderen Verbände und deren Mitglieder bedeutet. Denn der AVWL hätte planmäßig etwa 2 Millionen Euro in drei Jahren beisteuern sollen. Ob die verbleibenden 16 Verbände diesbezüglich nun in die Bresche springen werden, bleibt abzuwarten. Bisher galten die veranschlagten 50 Euro pro Monat je Betriebsstätte als finanzielle Obergrenze. Ob diese zu halten sein wird, ist nun fraglich. Auch ob der AVWL möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt noch einsteigen wird, bleibt vorerst unklar.
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